Einseitige Vorstellungen

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Gesprächsstoff hatten die EU-Außenminister und ihre Amtskollegen aus Ländern des südlichen Mittelmeeres genug bei ihrem gestrigen Treffen in Barcelona.

20 Jahre nachdem die Initiative einer euro-mediterranen Partnerschaft in der spanischen Stadt ins Leben gerufen wurde, sind die Probleme noch immer die gleichen, ja es kamen weitere hinzu. Daran änderte auch der Versuch des ehemaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy im Jahre 2008 nichts, der unter französischem EU-Ratsvorsitz den sogenannten Barcelona-Prozess unter dem Namen Union für das Mittelmeer neu beleben wollte. Der mit viel Pomp versehenen Zeremonie in Paris folgten keine Treffen mehr. Wohl auch, da gut zwei Jahre später der Arabische Frühling ausbrach und seitdem Kriege und politische Instabilität die Lage in manchen Ländern an Europas Südgrenze dominieren. Wenn man einmal von dem ohnehin die Mittelmeerunion hemmenden israelisch-palästinensischen Konflikt absieht. Das gestrige Treffen firmierte daher unter dem neutraleren Label der Europäischen Nachbarschaftspolitik. In Brüssel scheint sich die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass politisch ein Weiterkommen im Mittelmeerraum nicht möglich ist, wenn alle Anrainerstaaten an einem Tisch versammelt werden sollen.

Guy Kemp gkemp@tageblatt.lu

Gemeinsame Regeln

Die Gespräche in Barcelona wurden auf das Wesentliche beschränkt: Extremismus- und Terrorismusbekämpfung sowie das Problem der Flüchtlinge. Die bei diesen Treffen sonst üblichen Pflichtthemen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte wurden ausgeklammert. In diesen Zeiten hoher sicherheitspolitischer Instabilität wollen die EU-Europäer erst ihre dringlichsten Probleme einer Lösung näherbringen. Wenn auch die Terrorbekämpfung und eine Kooperation in diesem Bereich in beiderseitigem Interesse liegen, so haben die Europäer, was den Zustrom von Flüchtlingen aus den nordafrikanischen Ländern anbelangt, wohl eher eine einseitige Vorstellung. Sie wünschen sich nicht nur, dass die Transitländer am südlichen Mittelmeer alles daransetzen, damit die zumeist vor Krieg und wirtschaftlichem Elend in ihren Ländern fliehenden Menschen erst gar nicht mit ihren Booten von den Ufern im Süden ablegen. Gewünscht wird auch, dass die in den Auffanglagern in Lampedusa und Malta Gestrandeten gleich wieder an ihren letzten Aufenthaltsort zurückgebracht werden können. Am liebsten würden die EU-Staaten schon in den nordafrikanischen Ländern die Asylanträge der Flüchtlinge behandeln. Auch um diesen den gefährlichen Weg über das Mittelmeer zu ersparen.

Damit würde jedoch das Flüchtlingsproblem zum einen ausgelagert und zum anderen nur zum Teil gelöst. Einer Lösung wesentlich näher kämen die Europäer, wenn sie sich ein gemeinsames Einwanderungsgesetz geben würden, das den Zuzug samt Quote von Menschen aus Drittstaaten regelt. Doch auch das wird Menschenhändler nicht davon abbringen, Verzweifelte auf Seelenverkäufern Richtung Norden zu schicken. Es würde aber wesentlich dazu beitragen, das Sterben im Mittelmeer einzudämmen.