Die Kleinen sind zufrieden

Die Kleinen sind zufrieden

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Sechs Religionsgemeinschaften haben am Montag mit der Regierung das Vertragswerk unterschrieben, das die Beziehungen Staat/Kirchen neu regelt. Wir sprachen mit den fünf kleineren Kirchen.

Kirchen und Staat haben ihre Beziehungen neu geregelt. Am Montag unterzeichneten die Vertreter von sechs Religionsgemeinschaften und die Regierung die entsprechenden Konventionen. Im Fokus der Medien steht in Luxemburg insbesondere die katholische Kirche, die quasi als Wortführerin der Religionsgemeinschaften bei den Verhandlungen mit der Regierung fungierte. Wir befragten Vertreter der fünf anderen Religionen zu ihrer Einschätzung des nun geschlossenen Abkommens. Ihre Kommentare fallen mitunter überraschend aus.

Anglikanische Kirche

Die anglikanische Kirche begrüßt das Abkommen über die Neuregelung der Verhältnisse zwischen Staat und Kirchen. Sie sieht darin eine Art Brücke zwischen den Religionen.

„Wir sind über die Einführung eines gemeinsamen Werteunterrichts, wo über alle Religionen gesprochen wird, sehr erfreut. Erzbischof Jean-Claude Hollerich muss es bestimmt sehr schwer gefallen sein, sich mit der Regierung auf diesen Schritt einzulassen“, erklärte Christopher Lyon, Pfarrer der anglikanischen Kirche in Luxemburg, gegenüber Tageblatt.

„Des Weiteren denke ich, dass das Abkommen eine Möglichkeit bietet, die eine oder andere Glaubensgemeinschaft besser kennenzulernen. Betrachtet man die Konvention vom finanziellen Standpunkt aus, so werden die staatlichen Zuschüsse für die anglikanische Kirche, die im neuen Abkommen verankert sind, etwas geringer ausfallen. Dennoch sind wir sehr zufrieden mit der Neureglung zwischen Staat und Kirchen“, sagte Lyon und ergänzte: „Wissen Sie, die Zahl der in Luxemburg lebenden Anglikaner ist seit zehn Jahren drastisch gestiegen, sodass unsere Dienste mehr als je zuvor gefordert sind. Die staatlichen Zuschüsse sind willkommen. Nicht nur Gläubige, sondern auch Atheisten kommen zu mir, um über soziale oder familiäre Probleme zu reden.“

Die anglikanische Gemeinschaft in Luxemburg zählt ungefähr 4.000 Mitglieder. Zum Gottesdienst kommen im Durchschnitt jeden Sonntag zwischen 80 und 100 Gläubige. Die anglikanische Gemeinschaft besitzt zurzeit keine eigenen kirchlichen Einrichtungen. Die Anglikaner halten ihren Gottesdienst im „Centre Convict“ ab.

Evangelische Kirche

„Über den Grundsatz des Abkommens sind wir zufrieden. Wir haben jetzt eine geordnete Beziehung mit dem Staat“, bilanziert Volker Strauss. Er ist Titularpfarrer der evangelischen Kirche in Luxemburg. „Es war ohnehin nur noch eine Frage der Zeit. Es geht hier um das gesellschaftliche Phänomen mit Kirchtürmen. Wir mussten einfach selbständig werden“, sagt Strauß. Er spricht bei dem Abkommen von einem „Einstieg in den Ausstieg“.

In den kommenden 20 Jahren wird sich bei den Einstellungsverfahren innerhalb der evangelischen Kirche in Luxemburg nichts ändern. „Mit der Zeit wird sich aber die Struktur ändern. Wir werden mehr ein- und anbinden. Das Geld wird in Zukunft enger unter den evangelischen Gemeinden in Luxemburg verteilt“, erklärt Strauß. Davon gibt es 60 im Land mit unterschiedlichen Richtungen und Sprachen. „Dies wird bei uns sicherlich auch zu mehr Solidarität führen. Die Vielfalt war bei uns bislang unsichtbar“, erklärt er.

Bei den Verhandlungen über das Abkommen zwischen Staat und Religionsgemeinschaften saß die evangelische Kirche mit der Katholischen gemeinsam an einem Tisch. „Hier waren wir gemeinsam unterwegs. Es hat unsere Gemeinschaft gefördert“, betont Strauss. Die Regierung habe hier als Katalysator fungiert.

Strauss spricht auch von einem „spannenden Lernprozess“ der Regierung. Hier wurde auf eine gute Weise auf die Bedürfnisse der Kirche eingegangen. „So was ändert man nicht so einfach. Dadurch können Risse entstehen“, sagt er.

Volker Strauss begrüßt, dass die muslimische Religionsgemeinschaft in Luxemburg endlich Anerkennung findet. Er spricht von „Befriedung“.

Die evangelische Kirche zählt in Luxemburg rund 20.000 „Getaufte“. Die staatliche Zuwendung sinkt von 628.000 auf 450.000 Euro.

Israelitisches Konsistorium

Man hätte schon gemocht, dass es beim alten System geblieben wäre, denn in Zukunft bekomme man weniger, sagte François Moyse, Mitglied des Israelitischen Konsistoriums und Verhandlungsteilnehmer bei den Gesprächen zwischen den Regierungen und den Kirchen. Man habe jedoch stets betont, dass man nicht unbedingt am aktuellen System festhalten wolle.

Die Trennung sei eine absolute politische Priorität dieser Regierung gewesen, deshalb habe auch die jüdische Gemeinschaft mitgemacht. „Es war normal, dass wir mitreden“, so Moyse. „Und es ist gut, dass es nicht zu einem politischen Kampf gegen alle Religionsgemeinschaften gekommen ist.“

Für eine kleine Gemeinschaft sei es schwerer, sich an die neuen Bestimmungen anzupassen. Man werde verstärkt auf Zuwendungen der Gemeinschaftsmitglieder zurückgreifen müssen, sagte Moyse, der betonte, dass es auch bisher schon Spenden der Mitglieder gab. Nur so könne der Kultus weiterleben wie bisher. Es gehe vor allem darum, die Basisdienstleistungen für die Mitglieder zu erhalten. Dazu zählt neben den Gottesdiensten und anderen religiösen Akten auch der Religionsunterricht, den die jüdische Gemeinschaft anders als die katholische stets außerhalb der öffentlichen Schule erteilte und für den sie auch zusätzliches Personal einstellen musste.

Die Regierung habe verstanden, dass die Religionsgemeinschaften auch gesellschaftliche Aufgabe erfüllen, daher auch die finanzielle Unterstützung, trotz der nun beschlossenen Trennung zwischen Kirchen und Staat.

Die jüdische Gemeinschaft Luxemburgs zählt zwischen 1.000 und 1.500 Mitgliedern. Die staatliche Zuwendung wird von derzeit 434.000 auf 315.000 Euro gekürzt.

Orthodoxe Kirche

Das Abkommen zwischen dem Staat und den Glaubensgemeinschaften sei für die orthodoxe Kirche recht angemessen, sagte Erzpriester Panagiotis Moschonas, der Bischofsvikar für die griechische Gemeinschaft der orthodoxen Kirche in Luxemburg ist.

Bereits 1997 gab es eine Konvention mit dem Staat. Diese wird nun durch das neue Abkommen ersetzt.

„Der Abstand zwischen dem Staat und der religiösen Gemeinschaft ist nun klarer abgegrenzt. Das bedeutet einerseits mehr Freiheit, andererseits auch mehr Verantwortung für die Anhänger der Kirche. Dennoch haben wir den Staat immer noch an unserer Seite, um uns zu helfen.“

Die Gemeinschaft besteht aus drei Kirchengemeinden, der rund 6.700 Gläubige angehören: Griechen (3.200 Anhänger), Rumänen (2.000) und Serben (1.500). Mit der neuen Konvention soll in Zukunft auch die russische Gemeinschaft (2.000) hinzukommen. Insgesamt käme die orthodoxe Kirche demnach auf rund 8.700 Anhänger. Bisheriges Budget: 340.000 Euro. Zukünftiges Budget: 285.000 Euro.

Muslimische Gemeinschaft

Durch die neue Konvention zwischen dem Staat und den Kirchen ändert sich besonders für die islamische Gemeinschaft in Luxemburg sehr viel. Einerseits wird nun die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft des Landes vom Staat als „echte“ Religion anerkannt und zweitens kommt sie in den Genuss von staatlichen Zuschüssen.

„Endlich erhält die Shoura das, wofür sie seit 17 Jahren gekämpft hat, und zwar die Gleichstellung der islamischen Glaubensgemeinschaft mit den anderen in Luxemburg ansässigen Glaubensgruppen. Wir bedanken uns vor allem bei Gott, anschließend beim Luxemburger Staat, der Diskriminierung von Muslimen endlich ein Ende gesetzt zu haben“, heißt es in einer Pressemitteilung der Shoura am gestrigen Dienstag.

Vor allem im finanziellen Bereich ändert sich viel für die islamische Glaubensgemeinschaft, denn sie kommt nun in den Genuss von staatlichen Zuschüssen in Höhe von 450.000 pro Jahr. Sie ist somit der große finanzielle Gewinner der Neuregelung. Zuvor mussten die Muslime für die Finanzierung ihrer religiösen Aktivitäten mit 2.480 Euro pro Jahr über die Runden kommen.

Für eine direkte Stellungnahme zur Konvention war gestern keiner der Shoura-Mitglieder erreichbar. In Luxemburg wohnen etwa 13.000 Muslime.