Verarschung des Wählers

Verarschung des Wählers
(Tageblatt/Fabrizio Pizzolante)

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Was zurzeit in einigen Proporzgemeinden passiert, ist, gelinde gesagt, eine Verarschung des Wählers.

Der Gute darf nur alle 6 Jahre zur Urne, und wenn er dann sein vermeintliches Machtwort gesprochen hat, indem er eine Partei vor alle andern stellte, mit 35 oder 40 oder 45 oder 49%, kommen da welche Trickser, politische Jesuiten, die ihn über das wahre Wesen der Demokratie belehren:

Alvin Sold asold@tageblatt.lu (Bild: Tageblatt)

Nicht zähle der erste Rang, es zähle die Mehrheit der Stimmen.

Die Mehrheit der Stimmen? Auch, wenn sie nur ein Sammelsurium wäre? Ein programmloses? Eines, beispielsweise, das ein paar Schwarze und Grüne und sogar einen Blauen vereint, wie in Bettemburg, deren Ideen sich nur im Nachhinein auf den kleinsten möglichen Nenner bringen lassen?

Mit welchem Recht vereinbaren dort, in Bettemburg, die drei Verlierer, denn solche sind sie doch hinter der weitaus stärksten Partei, eine Koalition, von der sie nicht wissen, ob ihre jeweiligen Mandanten sie eingehen wollten?

Deutlicher: Woher nimmt der Blaue die Prokura, sich den Grünen und den Schwarzen anzuschließen, gegen die Nummer 1, gegen die Roten? Hatte er seinen Wählern diese Absicht mitgeteilt, mit einem Hinweis auf die programmatischen Abstriche und Kompromisse, die er dann akzeptieren müsste?

Noch fauler ist das Politspiel in Bascharage. Dort hat ein sehr prominenter CSV-Herr verloren, einer, der Deputierter wurde, als sein Vater, der Minister, früh gestorben war; der dann selber zum Minister aufstieg, und danach, bis jetzt, als Präsident der Juncker-Partei fungiert.

Verloren hat Wolter, weil ein junger LSAP-Mann, Cruchten, überzeugender wirkte.

So was kommt vor, ist normal, sollte souverän zur Kenntnis genommen werden. Pierre Werner, der geachtete CSV-Staatsmann, versuchte nach seiner Wahlniederlage 1974 nicht, eine Koalition zu schließen: Er überließ den Wahlsiegern LSAP und DP das Feld. Quel homme! Welch konstruktives Verständnis des demokratischen Gedankenguts!

Aber jetzt, 2011, zeigt der jetzige CSV-Präsident, wie seine Partei jetzt funktioniert. Er lehnt nicht, höflich, aber fest, wie es sich gepasst, jedes Anbiedern ab, sondern erkennt die Chance zur Usurpierung: Mit der ihm sowieso geneigten Biergerinitiativ und dem sachlich unverständlichen Sukkurs der „Gréng“ kann er weiterregieren, weil die drei Anti-LSAP-Phalangen eben eine Mehrheit im Gemeinderat zusammenkriegen. Unsere, des politischen Beobachters der Landesszene, Frage wäre, ob die CSV, die so gerne Lektionen erteilt, das Wolter’sche Benehmen zur Norm erklärt? Wären das die neuen Sitten?

Morgen, übermorgen, könnte die CSV arithmetisch von der Regierung entfernt werden, wie es mehrmals der Fall war, weil Rot und Blau und Grün die Mehrheit im Sinne der gegenwärtigen Usurpatoren hatten. Warum warfen Rot und Blau und Grün den Herrn Juncker 2004 nicht auf die Straße? – Weil sie das in sich trugen und als Parteien noch hoffentlich in sich tragen, was man gemeinhin politische Moral nennt, und was in Gemeinden, in einigen Gemeinden zum Abfall geworfen wurde.

Eine einfache Doppelregel

Dabei wäre folgende, vom belgischen Wahlrecht inspirierte Doppelregel einfach:

1. Die stärkste Partei schließt dort, wo es nötig ist, eine Koalition mit der Partei, die ihr programmatisch am nächsten kommt.

2. Der Erstgewählte der stärksten Partei wird der Bürgermeister, wenn er diesen Posten beansprucht.

Hätten wir diese einfache Vorgabe, in Form eines Gesetzes oder auch nur einer verbindlichen Abmachung zwischen den demokratischen Parteien, gäbe es die im besten Fall lamentablen, aber zumeist ekelhaften combinazioni à la Berlusconi nicht in unserem ordentlich sein wollenden Luxemburg.

Der Untergrabung des Wählerwillens sollte man furchtlos entgegentreten.
Indignons-nous!