Feine Unterschiede

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Lucien Montebrusco dazu, warum man die Wahlprogramme lesen sollte.

Zumindest eine Berufssparte hat bereits am eigenen Leib gespürt, dass in etwas mehr als einer Woche Legislativwahlen sind. Mit rund 40.000 Briefwählern mussten die Briefträger dieses Jahr doppelt so viele Wahlzettel austragen als 2013. Was die Küchentischwähler dazu bewog, sich für diese oder jene Partei bzw. Politiker und Politikerin zu entscheiden, ist nicht bekannt.

War es das Lächeln der auf Plakaten strahlenden Kandidaten aus der Kategorie idealer Schwiegersohn, resoluter Macher oder verkörperte Leichtigkeit des Politikerseins? Spielte erneut der Reflex eine Rolle, für die Partei zu wählen, der man seit Jahren seine Stimmen gibt? Oder aber ließ man sich, vernunftgesteuert, von der politischen Bilanz der Koalitionsparteien oder der Opposition leiten?

Angesichts der politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen in Luxemburg und in der EU in den kommenden Jahren wäre es schon angemessener, sich weniger von Gefühlen, ersten Eindrücken oder Gewohnheiten leiten zu lassen. Vielmehr sollte man auch im Jahr 2018 Parteien an dem messen, was sie schwarz auf weiß vorschlagen.

Man mag den politischen Bewegungen, insbesondere den großen, vorwerfen, einen langweiligen Wahlkampf zu führen, sich gegenseitig zu schonen, kaum noch Ecken und Kanten zu haben und somit austauschbar zu sein. Doch ein genauerer Blick in die Wahlprogramme lohnt sich. Denn auch wenn bei den derzeit medial hochgespielten Themen wie Wachstum, Mobilität, Sprache und nationale Identität große Schnittmengen bestehen, Unterschiede sind durchaus erkennbar. Insbesondere in Fragen, die jeden Bürger direkt betreffen. Einige Beispiele.

Arbeit. Während die DP für eine größere Flexibilisierung plädiert und die CSV sich eine familiengerechtere Arbeitsorganisation wünscht, wollen „déi gréng“ über eine Arbeitszeitreduzierung diskutieren. Die LSAP schlägt sogar konkret eine Senkung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 38 Stunden und die schrittweise Einführung einer sechsten Urlaubswoche vor.

Steuern. CSV und DP befürworten eine weitere steuerliche Entlastung der Unternehmen. Die LSAP lehnt das ab, wünscht sich eine neue Roboter- und eine Finanztransaktionssteuer.
Renten. Die CSV mahnt eine Diskussion über eine ihrer Ansicht nach notwendige Rentenreform an. Nur so ließe sich das aktuelle System ohne Leistungskürzungen aufrechterhalten. Was genau sie beabsichtigt, sagt sie nicht. Die DP will an „wichtigen Steuerschrauben“ des Rentensystems drehen. Die LSAP verspricht ausweichend, nichts an den Grundlagen des aktuellen Rentenregimes verändern zu wollen.

Mindestlohn. Alle Parteien wollen diesen aufbessern. Doch nicht alle lassen sich zu konkret bezifferten Angaben verleiten.

Wahlprogramme sind demnach mehr als bloß den Briefkasten verstopfendes Altpapier. Sie liefern die Diskussionsgrundlage bei möglichen Koalitionsverhandlungen, finden teilweise Einzug ins Regierungsprogramm.

So wie man die Gebrauchsanweisung lesen sollte, bevor man ein neues Gerät in Betrieb nimmt, sollte der aufgeklärte Wähler sich die Wahlbroschüren anschauen. Und mal ehrlich, seine Stimmen allein aus seinem Bauchgefühl heraus zu verteilen, weil ein Kandidat vertrauenswürdiger oder liebenswerter rüberkommt, ist doch etwas zu riskant. Auch Politiker sind oftmals bloß bessere Schauspieler.

CESHA
7. Oktober 2018 - 9.07

Sicher ist es sinnvoll, die Parteiprogramme zu lesen - das grosse Problem ist und bleibt aber, dass es niemals eine Partei gegeben hat oder geben wird, die in allen Punkten, die einem persönlich wichtig sind, die eigene Position vertritt. Und so kann man immer nur mit einem unbefriedigten Gefühl einer Partei seine Stimme geben, wobei es vielleicht eine Entscheidungshilfe sein kann, zu schauen, was diese Partei in der Vergangenheit Positives geleistet hat. Mehr Referenden zu wichtigen Entscheidungen sind die einzige Möglichkeit, dem Bürger wirklich eine wirksame Stimme zu verleihen

roger wohlfart
5. Oktober 2018 - 19.19

Habe mich für die Briefwahl entschieden, weil ich schon längst weiss, wen ich wähle und weil dies in meinem Alter wesentlich bequemer ist. Glaube nicht, dass bis zum 14. Oktober irgendein Geschehnis mich veranlassen wird meine Meinung diesbezüglich zu ändern. Bin mir auch bewusst, dass Politiker oft die besseren Schauspieler sind.