Sonnenstrom vom Schuldach: Wenn Luxemburger selber aktiv werden

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Am 28. Juni wird eine neue Solaranlage auf dem Dach der „Ecole Albert Wingert“ in Schifflingen ans Netz angeschlossen. Dass es dazu kommt, ist nicht der Politik und auch keinem Unternehmen zu verdanken. Hinter dem Projekt steht die Bürgerinitiative TM EnerCoop. Es ist bereits ihre fünfte Anlage im Süden des Landes. Doch trotz des offensichtlichen Erfolges hat die Bürger-Kooperative mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen.

„Alles begann nach dem Klimagipfel von Kopenhagen“, erinnert sich Albert Kalmes. „Damals traf sich eine Gruppe von etwa 20 Personen regelmäßig abends in der Kufa. Wir alle wollten nicht auf die Politik warten. In Arbeitsgruppen wurde dann unter anderem die Idee entwickelt, gemeinsam Strom zu produzieren.“

Eine Kooperative namens TM EnerCoop wurde gegründet. „Es geht darum, die Energieproduktion selber in die Hand zu nehmen“, so Norry Schneider von „Transition Minett“, damals im Rahmen einer Informationsveranstaltung. „Es soll nicht alles importiert werden. Bei lokalen Investitionen soll möglichst viel von der geschaffenen Wertschöpfung in der lokalen Wirtschaft hängen bleiben.“

Im Dezember 2014 wurde es Ernst. Eine erste Fotovoltaikanlage von 200 m2 auf dem Dach der Sporthalle Henri Schmitz in Esch-Lallingen wurde in Betrieb genommen.

Auf Verluste folgen Gewinne

„Viel Ahnung hatten wir damals noch nicht“, erinnert Albert Kalmes sich, der heute Präsident der Kooperative ist. „Aber wir informierten uns und wir lernten. Mit der Gemeinde Esch und ’Südstroum‘ hatten wir auch zwei gute Partner.“ Nach anfänglichen Schwierigkeiten „hat sich das Projekt dann bewährt“, erzählt er weiter.

Im Jahr 2015 wurde eine weitere Anlage in Tetingen in Betrieb genommen. Im Jahr darauf (2016) folgten zwei Anlagen: eine in Bettemburg (Sporthalle) und eine in Schifflingen (Leichtathletikterrain). Letztes Jahr kamen noch eine auf dem Dach des Jugendhauses in Differdingen und eine auf der „Ecole Nelly Stein“ in Schifflingen hinzu. Die Bilanzsumme der Kooperative ist auf über 300.000 Euro gestiegen.

Möglich gemacht hat diese Entwicklung die wachsende Zahl der Mitglieder der Kooperative. Aus ursprünglich rund 30 wurden heute 167. Zusammen haben sie 2.033 Anteile (für je 100 Euro) an der Kooperative gekauft. Um neue Projekte planen zu können, hat die Gemeinschaft zusätzlich ein Darlehen bei Raiffeisen aufgenommen.

Ungewisse Zukunft

Doch trotz des offensichtlichen Erfolges hat es die Kooperative nicht einfach. „Die Kosten steigen ständig“, klagt Martina Holbach, Mitglied im Verwaltungsrat der Kooperative.
Dabei denkt sie nicht an die Preise für Solarmodule: „Die fallen … doch die Kosten rund um die Installation werden teurer, die garantierten Einspeisetarife fallen … Für kleine, private Anlagen lohnt es sich nur noch bei perfekt orientierten Fällen.“ Und bei großen Anlagen (wie etwa der für 2018 geplanten 100-kW-Anlage in Käerjeng) können die „Kosten für den Anschluss ans Mittelspannungsnetz so furchtbar teuer werden, dass die Anlagen unrentabel werden“.

Dass im Wirtschaftsministerium an neuen Regeln gearbeitet wird, ist ihr bekannt. Mit dem Minister hatte die Kooperative bereits ein Gespräch. Doch Martina Holbach weiß nicht, wie sich Regeln und Gesetze in Zukunft entwickeln werden. „Da herrscht Geheimniskrämerei. Als Kooperative können wir nicht planen. Müssen wir künftig vielleicht Ausschreibungen machen?“

Die Unsicherheit ist derart groß, dass die Gemeinschaft es im Moment nicht wagt, noch ein neues Projekt in Angriff zu nehmen – nur das bereits geplante in Käerjeng und eine Erweiterung der ersten Anlage in Esch-Lallingen. Dabei wurde Letzteres nur durch eine rezente Gesetzesänderung möglich. Noch bis 2015 bot der Staat nur Subventionen für kooperative Anlagen, falls diese weniger als 30-kW-Kapazität hatten.

Eigennutzung ist das Ziel

Seit 2016 können nun jedoch auch Kooperativen subventionierte Einspeisetarife für größere Anlagen (Kapazität von bis zu 200 kW) erhalten. Dementsprechend wird der Teil des Daches – der 2014 unfreiwillig leer gelassen wurde – nun mit Solarplatten gefüllt werden.
Dabei geht es der Kooperative eigentlich überhaupt nicht um Strom-Einspeisetarife. „Schön wäre es, wenn wir so viel Strom herstellen, wie unsere Kooperateure verbrauchen“, so Albert Kalmes. „Wir wollen den Strom nicht unbedingt einspeisen.“ Doch derzeit ist das nur eine schöne Vision. Das weiß er auch. Hierfür fehlen die Rahmenbedingungen. Auch die Kooperative verkauft ihren Strom an das Netz. „Aber die Eigennutzung ist das Ziel.“

Es ist eine Frage der Wirtschaftlichkeit, wie Martina Holbach erklärt. Wenn es keine neuen Initiativen gebe, um den Eigenverbrauch zu fördern, dann werde dies auch niemand machen. Doch warum sollte jemand seinen selber hergestellten Strom auch selber verbrauchen? Immerhin erhält er mehr Geld dafür, wenn er den Strom einfach ins Netz einspeist. „Wir brauchen neue Bedingungen für kleine, private Anlagen“, so die beruflich bei Greenpeace arbeitende Frau. „In Deutschland wird bereits jetzt jede zweite Kilowattstunde erneuerbare Energie von Bürgern produziert.“

Seit zwei Jahren erwirtschaftet die Gemeinschaft einen Gewinn, in den Vorjahren waren es Verluste. Der Wert der einzelnen Anteile hat mittlerweile leicht zugelegt. „Doch das funktioniert eigentlich nur dank der freiwilligen Arbeit einer Reihe von Leuten“, bemerkt Martina Holbach. Einen fest angestellten Mitarbeiter hat TM EnerCoop nicht. Das kann die Gemeinschaft sich auch nicht wirklich leisten. Letztes Jahr lag der Gewinn bei etwas mehr als 6.000 Euro. Der Umsatz soll dieses Jahr auf über 30.000 Euro steigen.

Aber um die Höhe der Rendite geht es den meisten Mitgliedern ohnehin nicht. Die Grundidee, dass der Einzelne zählt, bleibt bis heute gewahrt. Kein Miteigentümer darf mehr als zehn Prozent der Anteile besitzen. Jedes Mitglied hat nur eine Stimme (unabhängig von der Zahl der Anteile). Mit dem Kauf eines Anteils (100 Euro) ist man dabei.