Klangwelten: Diese Alben sind voller Wut, Hypes und nackter Poesie

Klangwelten: Diese Alben sind voller Wut, Hypes und nackter Poesie

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Nackte Poesie

LANA DEL REY: Norman Fucking Rockwell

Die „Queen of Hollywood Sadcore“ hat mit ihrem sechsten Studioalbum abermals das Zerrbild des amerikanischen Traums musikalisch untermalt. Würde David Lynch seinen „Mulholland Drive“ heute drehen, wäre „Norman Fucking Rockwell“ der Filmsoundtrack.

Lana Del Rey ist inzwischen zum lebenden Beweis avanciert, dass erfolgreiche Popmusik von heute sich nicht auf sinnbefreite, überproduzierte Klangcollagen beschränken muss. Das sechste Album, benannt nach dem höchst erfolgreichen, aber umstrittenen Illustrator Norman Rockwell (den Zweitnamen hat die Künstlerin ihm angedichtet), reduziert die Instrumentierung auf ein Understatement. Außer einem Klavier, ein paar Streichern und einem Drumcomputer trägt nur die nuancenreiche Stimme von Elizabeth Woolridge Grant, wie Lana Del Rey bürgerlich heißt, durch die 14 Songs des Albums, abgesehen von einer kurzen Gitarreneinlage in „Venice Bitch.“

Der Titel der LP ist programmatisch. Genau wie Rockwell in bester Propagandamanier den amerikanischen Traum Mitte des Jahrhunderts anhand von klischeehaft gezeichneten Individuen illustrierte, nutzt Del Rey diesen Fokus auf das Einzelschicksal, um dem Klischee einen zerbrochenen Spiegel vorzuhalten. Schon im Opener wird der Narzissmus vermeintlich großer Künstler thematisiert, deren Großartigkeit von den Medien einfach nicht erkannt wird: „Your poetry is bad and you blame the news.“ Ein Phänomen, das nicht nur in L.A. alltäglich ist.

Das neunminütige „Venice Bitch“, ein Wortspiel auf den Lieblingsstrand der kalifornischen Bohème, ist eine Gratwanderung entlang der Abgründe des Patriotismus, der für die erwähnten Künstler Robert Frost und Norman Rockwell charakteristisch ist. Die Sängerin, die ihrerseits gerne mit der patriotischen Ästhetik spielt und gleichzeitig den damit einhergehenden Materialismus geißelt, webt hier einen Referenzteppich aus unterschiedlichen roten Fäden der amerikanischen Kultur und Gegenkultur, ohne dabei selbst in ihren Ansichten fassbar zu werden.

Stärkstes Stück des Albums ist ohne Zweifel der Schlusssong mit dem sperrigen Titel „Hope Is A Dangerous Thing For A Woman Like Me To Have – But I Have It“. Die Introspektive zeigt Del Rey von ihrer verletzlichsten Seite, die Stimme ist kurz vor dem Brechen. Man mag dem Song, wie dem gesamten Album, eine gewisse, klangliche Monotonie ankreiden – doch wer sein Augenmerk auf die nackte Poesie der Künstlerin richtet, erkennt das Meisterwerk, das Elizabeth Grant hier geschaffen hat. Tom Haas


Do believe the hype

THE MURDER CAPITAL: When I Have Fears

Das Debüt von The Murder Capital klingt wie eine durchzechte Nacht in den dunkelsten Kneipen von Dublin – und bestätigt, dass 2019 ein starkes Jahr für den Post-Punk ist. Zu Beginn stellt sich eine fast schon beruflich konditionierte Skepsis ein.

Das hat man doch schon mal gehört. Klingt wie eine Mischung von Protomartyr und Idles. Und auf dem diesjährigen „Out of the Crowd“, wo das luxemburgische Publikum die Band entdecken konnte, war die irische Band auch nicht ganz so überragend, wie es der im Vorfeld und nach nur zwei veröffentlichten Songs ausgelöste Hype vermuten ließ.

Doch bereits in der zweiten Hälfte des sehr starken Openers „For Everything“, wenn die Gitarrenfiguren zusammenlaufen und sich schnörkellose, kantige Harmonien unter dem Sprechgesang von James McGovern auftun, ist man von dieser ehrlichen, direkten Platte gepackt. Hier wird nichts in Hall getränkt, die Songs klingen glasklar, tragen ihre Aufgebrachtheit und Dünnhäutigkeit mit Stolz, während der Bass stoisch pulsiert.

Die Texte handeln oftmals von Herzschmerz und Orientierungslosigkeit. Wo die Wild Beasts damals durch das Nachtleben kokettierten, klingen die Eskapaden hier hoffnungsloser und dunkler. McGovern warnt die Zuhörer: „I am the underworld, the one you want to leave.“ Zeitgleich singt er von der „possibility of symphony within my tragedy“ – und kann damit nur die musikalische Begleitung seiner Bandmitglieder meinen, denen immer wieder Momente schimmernder Schönheit gelingen, die aus der Dunkelheit dieser Songs herausragen.

Das Album besticht nicht nur durch eine wohldurchdachte Struktur, die ruhige Balladen („On Twisted Ground“) und energische Tracks (das zumindest musikalisch lebensbejahende „Don’t Cling To Life“) einander abwechseln lässt, sondern auch wegen eines durch die Bank starken Songwritings. „More Is Less“ hätten die Idles nicht besser hingekriegt, die Single „Green & Blue“ ist Post-Punk vom Feinsten, auf der zweiten LP-Hälfte folgen mit „Feeling Fades“ und „Don’t Cling To Life“ zwei sehr tanzbare Hits und bei „How The Streets Adore You“ kann man auch mal an Johnny Cash denken.

Da fällt es dann auch kaum ins Gewicht, dass das Diptychon „Slowdance I & II“ kürzer und knackiger hätte ausfallen können – meist löst die Musik James McGoverns manchmal etwas selbstmitleidigen Texte („I am an anomaly“) in einem stoisch-kathartischen Feuerwerk auf. Manchmal ist der Hype berechtigt. Jeff Schinker


 

„All the rage back home“

INTERPOL: A Fine Mess

Interpol sort un EP énergétique dont le nom est programme: „A Fine Mess“. A peine un an après la sortie de leur dernier album, „Marauder“ (août 2018) le groupe newyorkais Interpol, autour du charismatique chanteur et guitariste/bassiste Paul Banks, sort un EP intitulé „A Fine Mess“, avec cinq titres qui ont été enregistrés au même moment que „Marauder“ et qui ne sont pas sortis sur l’album, enregistrés avec le même producteur, David Fridmann.

On peut avoir l’impression que la rage et l’énergie qui manquaient peut-être un peu à „Marauder“ aient été gardés pour ce petit EP d’à peine dix-huit minutes, à tel point les titres renouent avec un son plus ancien du groupe. Rien qu’à entendre le premier morceau éponyme de l’album, qui commence avec la voix très distordue de Paul Banks qui hurle, avant que la guitare rauque ne l’accompagne et que la chanson peu à peu trouve un certain équilibre, est déjà une grande surprise.

D’autres titres comme „No Big Deal“ et „Real Life“ reprennent les structures plus connues du groupe de post-punk, parfois au détriment de l’originalité de la chanson. Cela commence souvent par une ou deux notes stridentes entamées par une guitare, puis arrive rapidement, sans crier gare, la voix souvent recouverte d’un peu trop d’effets et d’échos de Paul Banks (ce qui est dommage, par moments, on doit l’avouer, le jeune homme ayant un des plus beaux barytons de la musique rock actuelle), puis, quand on passe dans la deuxième moitié des chansons, ou au moment de la bridge, le côté punk se range un peu vers quelque chose qui aurait pu avoir une tendance psychédélique. Les chansons, parfois un peu chaotiques, s’accordent bien avec le titre de l’EP.

Un vrai cadeau est par contre la dernière chanson de l’EP, „Thrones“, seule chanson avec une ambiance plus concrète, mélancolique et élevée à la fois, une mélodie lancinante, des percussions fortes, un rythme qui te fait automatiquement un peu bouger ton bassin, et des paroles, un brin énigmatiques comme souvent, qui semblent vouloir exprimer une espèce de fureur désespérée quand Banks chante: „How many holes do I lay in.“ Hâte d’entendre cette chanson en live. Interpol reste un groupe ravageur. Ian De Toffoli