Europa League: Die Visionen des „Karpaten-Maradona“

Europa League: Die Visionen des „Karpaten-Maradona“

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Gheorghe Hagi, schillerndste Figur des rumänischen Fußballs, hat in seiner Heimat am Schwarzen Meer einen Klub aufgebaut, der kaum vorbildhafter sein könnte. Viitorul, übersetzt „Zukunft“, steht für bedingungslosen Glauben an die Jugend und für einen ehemaligen Weltklasse-Zehner auf der Trainerbank, der dieser Linie seit der Vereinsgründung 2009 stets treu geblieben ist. Heute treffen sogar zwei Hagis in der ersten Runde der Europa-League-Qualifikation um 20.00 Uhr im Stade Josy Barthel auf Pokalsieger RFCU Lëtzebuerg.

23,7 Jahre – das war 2016/17 das Durchschnittsalter der rumänischen Meistermannschaft. Diesen Verein, mitsamt Jugendzentrum, Hotel und Stadion, hatte Gheorghe Hagi erst 2009 mit einer Eigeninvestition von rund elf Millionen aus dem Boden gestampft. Als Leiter der Akademie ist es nach wie vor sein Ziel, jeden Sommer mindestens drei bis vier Jugendspieler in die erste Mannschaft einzubauen. Ein perfekt funktionierendes Scoutingsystem im ganzen Land sowie die Option auf einen Platz in einer der führenden Mannschaften des Landes haben aus der Akademie die Anlaufstelle für rumänische Jugendnationalspieler gemacht.

„Pustii lui Hagi“, übersetzt Hagis Kinder, bescherten ihrem König (wie man die Lichtgestalt in seiner Heimat noch immer nennt) aber nicht nur glückliche Zeiten: Zum vergangenen Saisonauftakt gab es nach einem Auftaktsieg eine Serie von sechs Spielen ohne Torerfolg. Trotzdem schaffte das Ensemble die Wende und belegte am Saisonende den zweiten Platz. Der heutige Gegner aus der BGL Ligue hatte in der Liga ebenfalls einige Schwierigkeiten und schaffte die Qualifikation über den Pokal.

Hagi war ein begnadeter Linksfuß der 90er-Jahre, ein klassischer Zehner. Seine Ausbildung begann er genau wie seine Schützlinge in Rumänien, bei Farul Constanta. Den Durchbruch schaffte er mit seinem Transfer zu Steaua Bukarest im Sommer 1986. Es folgten Stationen bei Real Madrid und dem FC Barcelona (unter Johan Cruyff), doch seine Sternstunden erlebte er erst mit dem letzten Wechsel in die Türkei, zu Galatasaray Istanbul. Vier Meistertitel und einen UEFA-Cup-Sieg später beendete er die Klubkarriere. 1994 erlangte er in der Heimat Heldenstatus, als er Rumänien bis ins Viertelfinale der WM führte. „Er hat nicht nur den rumänischen, sondern auch den europäischen Fußball geprägt“, meinte Racing-Coach Patrick Grettnich. Der „Karpaten-Maradona“ war wie der Argentinier auch für seine Unberechenbarkeit bekannt. „Er ist allerdings auch nur ein Mensch“, so Grettnich weiter. „Luc Holtz und ein Agent haben mir Videomaterial zur Verfügung gestellt. Es ist eine sehr technische Mannschaft, die den Ball schnell zirkulieren lässt, kurze Pässe spielt. Typisch für Rumänien. Ich denke, dass ihr Niveau doch etwas höher ist als in der BGL Ligue.“

Die größte Gefahr geht von einem zweiten Hagi aus, Ianis, dem Sohn des Trainers. Der 19-Jährige präsentierte sich wortkarg, was Gegner und Taktik betraf, erst bei Fragen zur Vaterfigur taute er auf: „Von klein auf hatte ich immer viel Druck auf den Schultern. Aber ich trage diesen Namen mit Stolz. Er behandelt uns alle gleich.“

Gheorghe Hagi ist nach wie vor ein Workaholic, der trotz seiner erfolgreichen Jahre als Spieler nun als Coach stets nach großen Erfolgen und Verbesserungen strebt: „Mir geht es darum, dass wir uns täglich verbessern. Meine Philosophie ist es, dass man nicht mit dem überleben kann, was man gestern erreicht hat.“ Er nahm seinem Team mit der Aussage, nicht als Favorit in die Partie zu gehen, zwar etwas Druck von den Schultern, meinte allerdings auch, dass das klare Ziel zwei Siege gegen die Luxemburger Mannschaft seien: „Wir werden uns nicht anpassen.“ Defensive Probleme, die in den Testspielen zum Vorschein kamen, sind behoben, fügte er hinzu. „Wir haben vorne drin drei sehr junge Spieler, aber ich habe vollstes Vertrauen.“

An seinem gewohnten Spielsystem mit einer Dreier-Verteidigerkette wird Grettnich deshalb aber nichts ändern: „Es wird keine Überraschungen geben.“ Von den drei Neuzugängen (Szimayer, Birk, Dos Santos) werden wohl nur die beiden deutschen Neuzugänge in der Startformation stehen. Dionisio fällt dagegen wegen einer Fußverletzung aus. „Die Jungs sind gut vorbereitet, wir werden alles aus uns herausholen“, so der Schlusssatz vom Luxemburger Trainer.