Endlich laizistisch

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Es gibt Stimmen in der CSV (und mittlerweile auch außerhalb dieser Partei), die behaupten, eigentlich habe die aktuelle Koalition kaum gesellschaftspolitische Fortschritte für das Land erreicht, da bei den meisten Reformen ohnehin Konsens über deren Notwendigkeit bestanden habe. Dies mag bei einigen Themen sogar stimmen, auch wenn die Verweigerungshaltung der Christlichsozialen, die zuletzt bei der Verfassungsreform zu beobachten war, nicht unbedingt dafür spricht, dass die Partei mit dem momentanen demoskopischen Hoch diese Anpassungen an die Moderne schnell gewollt hätte.

Gestern wurde im Parlament allerdings ein Gesetzestext verabschiedet, der unter einer konservativ geprägten Regierung sicherlich keine legale Realität geworden wäre. Mit dem Gesetz Nr. 7010 wurde ein historischer und längst überfälliger Schritt in eine freiere Gesellschaft realisiert: die Einführung eines Schulfaches „Vie et société“ auch in der Grundschule, und wichtiger noch: die definitive Abschaffung des Religionsunterrichts in der öffentlichen Schule.

Ein Jahr nachdem die sendungsbewussten Philosophen der dreifaltigen Gottheit aus den Sekundarschulen verbannt wurden, dürfen sie nun ihre Sichtweise des Lebens und der Zeit danach auch nicht mehr – öffentlich finanziert – an Grundschüler vermitteln.

Damit ist Schluss mit einer Jahrhunderte andauernden Indoktrination der Kinder und der Jugend, just an dem Ort, an dem Wissen und nicht Glauben vermittelt werden sollte; dieser Tage werden die letzten Kurse in dem unwissenschaftlichen Fach „Religion“ abgehalten …

Im „Exposé des motifs“ des gestern angenommenen Gesetzestextes verweist die Regierung denn auch auf die Schlüsselbegriffe in der entsprechenden Diskussion: Emanzipation der öffentlichen Schule und Trennung von Staat und Kirche.

In der Tat ist der gestrige Schritt ein bedeutender im Rahmen dieses Zieles hin zu einer laizistischen Gesellschaft (in der immer noch jeder nach seiner Fasson glücklich werden kann, aber eben auf privater Ebene).

Um die Bedeutung des Gesetzes in seiner ganzen Tiefe zu verstehen, lohnt es sich, den Blick auf die Geschichte der sog. „doctrine chrétienne“ zu werfen. So räumte das erste Schulgesetz Luxemburgs (1843) der Katholischen Kirche noch eine breite Kontrolle über die Schule und die Lehrerschaft ein; diese Machtposition veränderte sich, als das Gesetz von 1881 („loi Kirpach“) ein professionelles Inspektorat einführte, die Modernisierung wurde aber bereits acht Jahre später rückgängig gemacht. Dies führte zum Widerstand des Lehrerkorps, das 1900 die FGIL gründete; eine Föderation, die das ganze 20. Jahrhundert gegen den Einfluss der Kirche in der öffentlichen Schule ankämpfte. Erst 1968 wurde der nicht-religiöse Kursus „Laienmoral“ eingeführt, der 1988 in „Formation morale et sociale“ umbenannt wurde.

Bereits damals (1988) riet der Staatsrat in einem „Avis séparé“, in der Schule auf alles Trennende zu verzichten und das Verbindende zu fördern. Mit dem Gesetzestext 7010 sind wir diesem Ziel endlich näher gekommen …

KTG__
15. Juli 2017 - 12.43

So ganz läuft dem Klerus der Mob nicht davon, sehen Sie sich doch den mittlerweile riesigen Zuspruch für die CSV an. Das Risiko (!) ist sehr hoch, dass die CSV in Zukunft mit einer absoluten Mehrheit regieren wird, den Religionsunterricht nicht wieder einführt und auch sonst die Reformen und Verbesserungen (Transportwesen!) der aktuellen Regierung beibehält, diese aber mit einer Damnatio memoriae belegt, so wie es der Regierung Thorn damals auch passiert ist. Es blüht der Schrecken von 30 Jahren CSV-Regierung, die sich dann nur auf den Lorbeeren auszuruhen braucht, während die aktuelle Dreierregierung für alle Zeiten verflucht werden wird.

Marc
13. Juli 2017 - 7.42

Ech war virun Joeren och an eng Klinik ageliwert ginn. Nee, et war net déi op der Gare. Awer eng frnséischsproocheg Infirmière huet deemols de Formulaire ausgefëllt a mech och no der'confession' gefroot. Ech hu geäntwert:''Ecrivez athée, laïque et républicain''. No ufànklechem Zécken huet se du awer gemaach. Näischt weider nokomm.

Marius
12. Juli 2017 - 22.59

Monalisa, ihre persönliche Erfahrungen in Sachen Religion interessiert niemanden die Bohne. Was jetzt zählt ist die Trennung von Kirche und Staat im kleinen Grossherzogtum. Eine der wegweisenden und wichtigsten Änderungen seit Siegfried den Bockfelsen gekauft hat. Dieser Tatbestand wird in Zukunft das friedliche Nebeneinander verschiedener Lebensauffassungen ermöglichen . Das heisst nicht, dass Religionen verbannt oder bekämpft werden sollen. Laizität bedeutet lediglich, dass der Staat alle Meinungen über Religionen, Doktrinen und Ideologien zulässt, aber keine bevorzugt. Uneingeschränkte Meinungsfreiheit in Sachen Religion, aber nur solange, wie diese nicht die öffentliche Ordnung bedroht. Das alles gefällt dem Klerus und seinem Sprachrohr der CSV überhaupt nicht, denn sie sind gezwungen mit ansehen, wie ihnen die Felle davonschwimmen.

Atheist
12. Juli 2017 - 22.12

Monavisa: Dir schwätzt dauernd vu relioun a glawen, ma där gett et ganz vill verschiddener, och wann dir emmer nemmen den katholizismus mengt a schreift, wi wann et soss keen aneren glawen géif. kapéiert da w.e.g. endlech am marienland

c.kremer
12. Juli 2017 - 18.27

Ja, aber nur scheinbar. Die Seelenfängerei war in den letzten Jahrzehnten subtiler geworden nachdem Laienmoral und die, warum eigentlich, wieder abgeschaffte Dritte Möglichkeit eingeführt worden waren. Der Pfarrer oder die Katechetin drohten nicht mehr mit ewigem Höllenfeuer und verteilten keine 'Pouten' mehr. Sonst wären die Kunden noch schneller weggelaufen.

Koneczny
12. Juli 2017 - 16.00

Gudd ausgedréckt Robbes....

Jennifer
12. Juli 2017 - 15.14

Ich musste in den 1980er Jahren im Lyçée jedes Jahr zum Schulanfang in die Direktion rekamieren gehen, weil ich automatisch (!) auf meiner fiche de données personnelles "confession: catholique" stehen hatte: Falsch: sans confession! muss da stehen!!! das war damals undenkbar, dass ein Schüler nicht! katholisch ist: Sakrileg! Noch heute 2017 steht auf dem Formular einer Garer Klinik: confession: catholique: automatisch! was hat das bitte schön mit meinem gebrochen Fuss zu tun? Andersgläubige oder Atheisten... gibt es im Nonnenbunker einfach nicht... Da sage ich "Gottseidank" dass unseren multikulti Kinder jetzt mit Werteunterricht in der öffentlichen Schule aufwachsen, tolerant ohne Diskrimiation !

alain bintner
12. Juli 2017 - 14.52

In Deutschland, Frankreich... und in vielen anderen Ländern ist der neutrale Werteunterricht längst in der staatlichen Schule fest verankert, Lehrplan und Lehrer sind absolut konfessionslos. Wem das nicht passt, wer seine Kinder einseitig indoktrinieren lassen will, kann sie ja in eine private konfessionnelle Schule schicken, und für seinen Religionsunterricht zahlen, ohne Staatskosten. Z. B. katholische Grundschule, Katholische Hochschulen...

Enfin-libertés-de-confession-à-l'école
12. Juli 2017 - 14.42

Ech sinn absolut laizistesch erzunn ginn, offiziell "sans confession", meng Elteren haten 2 verschidden Konfessiounen 1960, an hunn décidéiert mir Kanner sollten selwer en âme et conscience entschéden wéieng Relioun, Glawen mir wéilten, als Erwuessener- Net als onschellege bébé dén jo "zwangs"-gedéft gett: op e well oder net, ass en kathoulesch: géint homo-ehe, géint sex before marriage, géint Verhütung... mat vill Blutt und de Fanger mat Inquisitioun, Weltkricher, Naziverstoppen, pédophile Pafen an neierdengs Glutenallergien winst Hostie... Also ouni Kindstaufe an ouni Kommioun soten meng gehässeg Jofferen emmer 2x/ Woch am Primär "hat geet jo net an t'Relioun" an ech hu missen an hirer stenkeger Zigarettenkonferenz waarden. Dat bleiwt net ! kathoulesche Kanner jo lo mol erspuert, an si léieren all zesummen menschlech Wärter. Hallelujah, soen ech do mat libre conscience

Den Net-Catho
12. Juli 2017 - 14.20

Déi Leit déi onbedéengt drop haalen, hire Kanner den exklusiv kathouleschen Glawen ze vermettelen, kennen dat jo wéi all aner Reliounen an hirer Freizeiz man: z.b.Samsdes... Zeugen Jehovas, Adventisten, Protestanten, Juden, Bahai, Moslems ... schléfen hir Kanner och fleisseg ausserhalb vun der staatlecher Schoul an hire privaten Reliounscours. Bei de Katholiken, um Pabeier 95% ? vum Land, sellen se awer net bei de Paf op Belair... Op eng laizistesch Schoul waarden ech a meng ennerdreckten Famill scho + 50 Joer, enfin!

Peter Cat
12. Juli 2017 - 13.31

Frage an vieso.lu: "Gibt es die Möglichkeit, das Fach "Vie et Société" als "élève libre" zu besuchen? Mein Wunsch wäre 12te und 13te Klasse im EST." Antwort nach 12 Minuten!!!!!! Im Nachhinein ein großes Dankeschön an den Verantwortlichen. "Ob Sie einen Kurs in einer Schule als Gast besuchen dürfen, liegt an der jeweiligen Schulleitung und der betroffenen Lehrperson. Wenden Sie sich also am besten an die Leitung eines Lycée technique, da die 12/13-Kurse nur dort angeboten werden." Falls jemand in die Materie einsteigen möchte, bitte sehr.

MartaM
12. Juli 2017 - 10.59

Es ist nicht eine Frage der Religionen, sondern eine Frage wie den Heranwachsenden die Werte von Moral,Anstand,Ethik übermittelt werden. Das Wissen über die Religionen scheint mir eher in die Schublade " Allgemeinbildung " zu gehören, wobei das Lehren von Werten nicht in Verbindung mit Religionen gebracht werden sollte.Religionen sind eher Opium fürs Volk, als dass sie Vertreter von Werten sind.

Jacques Zeyen
12. Juli 2017 - 10.38

Die " Kraft" die christlicher Glaube vermitteln kann, kann jeder in den Geschichtsbüchern lesen. Aber gegen den " Placebo " Glauben ist nichts einzuwenden,solange er keinen Schaden zufügt. Es geht lediglich darum,dass dieses " Vermitteln" bei erwachsenen Jugendlichen vollzogen wird und nicht bei wehrlosen Kindern die anfangs alles glauben.

Jacques Zeyen
12. Juli 2017 - 8.40

Robbes macht was in Theologenkreisen üblich ist: Einfach den Spiess umdrehen. Aber: "Was ohne Beweis behauptet werden kann,kann auch ohne Beweis widerlegt werden." Chris Hitchens Wenigstens haben die Kinder jetzt die Möglichkeit sich später (wenn sie nicht mehr so leicht zu verdummen sind) selbst für das eine ohne andere zu entscheiden.Übrigens braucht man keine Philosophen um ein anständiger Mensch zu werden. Bildung und ein Mindestmaß an Intelligenz dürften genügen. Bravo Herr Schneider

Robbes
12. Juli 2017 - 7.42

Nach den "sendungsbewußten Philosophen der dreifachen Gottheit" werden jetzt die "sendungsbewußten Philosophen des Laizismus" (auch ein "unwissenschaftliches Fach") ihre "Sichtweise des Lebens... -öffentlich finanziert - an die Grundschüler vermitteln".