Der ukrainisch-russische Gasstreit ist in Luxemburg angekommen

Der ukrainisch-russische Gasstreit ist in Luxemburg angekommen

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Seit einigen Jahren sind die Bruderstaaten Russland und die Ukraine zwei Länder, die sich aktiv bekämpfen. Ein Schlachtfeld ist dabei der Gasmarkt. Es geht, neben Politik, um sehr viel Geld. Und die Wellen des Krieges sind mittlerweile in Luxemburg angekommen.

Bis Dezember 1991 waren die Ukraine und Russland Teil des gleichen Landes, der Sowjetunion. Sie hatten einen integrierten Gasmarkt. In den sibirischen Gasfeldern wurde das Gas gefördert. Über Pipelines, die durch das Territorium der Ukraine laufen, wurde die Ukraine beliefert und das Gas weiter nach Europa verkauft. Beim Verkauf nach Europa handelt sich um ein Geschäft, das während des Kalten Krieges auch mitten in politischen Krisen immer verlässlich durchgeführt wurde. Europa wollte das Gas, die Sowjetunion die Devisen.

Doch seitdem Russland und die Ukraine zu Feinden geworden sind, wurde die Lage komplizierter. Einige Jahre ist es bereits her, dass die Medien über einen Gas-Krieg zwischen der Ukraine und dem russischen Konzern Gazprom berichteten. Der Konflikt begann 2005. Russland forderte an den Weltmarkt angepasste Preise für das gelieferte Gas. Die Ukraine war abhängig von dieser Energiequelle, wollte der Änderung der Preise aber nicht zustimmen. Es folgte ein Hin und Her von Lieferstopps, Verhandlungen, Politik. Der Name der Pipeline, um die es geht, lautet übrigens „Druzhba“, was auf Russisch Freundschaft bedeutet.

2006 kam es kurzzeitig zu Engpässen bei den Lieferungen nach Europa. Mal hieß es, Russland liefere nicht – mal hieß es, die Ukraine würde Gas aus den Transitlieferungen nach Europa abzweigen. Ein neuer Vertrag sorgte einige Jahre für Ruhe. Doch 2009 wiederholte sich die Geschichte. 2012 schwang das Pendel dann in die andere Richtung. Die von der Ukraine geforderten Preise waren so hoch, dass das Land im Winter erklärte, russisches Gas aus Europa zu kaufen. Das sei, trotz Kommissionen für die Zwischenhändler, billiger als das direkt aus Russland importierte Gas.

200 Millionen Dollar an Zinsen

Die beiden Akteure in den Streitereien waren die Konzerne Naftogaz aus der Ukraine und Gazprom aus Russland. Und eben diese Unternehmensgruppen streiten derzeit um viele Hundert Millionen vor Luxemburger Gerichten. Doch erst weiter mit der Geschichte: Im Sommer 2014 legten beide Konzerne Beschwerde beim Schiedsgericht der Stockholmer Handelskammer (Arbitration Institute of the Stockholm Chamber of Commerce) ein. Es geht im Prinzip immer um die Interpretation von Vertragsklauseln.

Nach vier Jahren Verhandlungen fällte das Schiedsgericht im Februar 2018 ein Urteil: Gazprom muss den Ukrainern noch 2,56 Milliarden Dollar zahlen. Dem wollte der russische Konzern aber nicht nachkommen. Er legte Berufung ein. Das Urteil darf jedoch bereits vollstreckt werden, erklärte das Gericht. Seitdem versuchen die Ukrainer, das Urteil umzusetzen. Sie melden sich in den Ländern, wo Gazprom über Vermögen verfügt, darunter die Niederlande, Großbritannien, die Schweiz und die USA. Mitte Februar dieses Jahres kündigte Naftogaz dann auch hierzulande die Beschlagnahmung des Vermögens des russischen Gasgiganten an.

Mehr als eine Milliarde Dollar liegen derzeit blockiert auf den Konten von Luxemburger Banken. Offizieller Besitzer des Geldes ist Gazprom. Bei seinen Versuchen, das ihm geschuldete Geld einzutreiben, hatte Naftogaz bis jetzt nur wenig Glück. Es ist dem ukrainischen Unternehmen wohl gelungen, Milliarden an Vermögen von Gazprom einzufrieren. Jedoch hat es noch keine Geldzahlung erhalten.

Dementsprechend versuchen die Ukrainer ihr Glück in weiteren Ländern. Zudem fordern sie mittlerweile zusätzliche 200 Millionen Dollar an angelaufenen Zinsen, ist mehreren Medienberichten zu entnehmen. In Luxemburg, wo Gazprom über eine eigene Tochtergesellschaft verfügt, will der Gigant die Vollstreckung des Urteils vermeiden. Wie jede Firma benötigt auch sie liquide Mittel und Devisen. Verschärfend hinzu kommen die Sanktionen gegen Russland.

Winter is coming

Mitte April hat der Konzern Berufung gegen die Beschlagnahmung in Luxemburg eingelegt. Er vertritt die Meinung, dass weltweit bereits mehr als genug von seinem Vermögen eingefroren worden sei, war aus informierten Kreisen zu erfahren. Das würde mehr als reichen, um im Zweifelsfall die geforderten 2,56 Milliarden Dollar zu zahlen.
Gazprom wird in diesem Fall von François Kremer (Arendt & Medernach) vertreten. Für Naftogaz spricht Fabio Trevison. Bekannt wurde sein Name als Anwalt der iranischen Zentralbank im Fall der 9/11-Schadensersatzforderungen gegen den Iran und der eingefrorenen Milliarden bei Clearstream.

Am 20. Mai hätte das Anliegen von Gazprom nun im Eilverfahren im Bezirksgericht auf dem Heilig-Geist-Plateau besprochen werden sollen. Dazu kam es jedoch nicht. Anwalt François Kremer beklagte sich über eine Menge an neuen Dokumenten, die er kurz davor erhalten habe. Die Zeit habe nicht gereicht, um sie zu studieren. Resultat: Die Verhandlung wurde auf einen späteren Zeitpunkt, Mitte Juni, verlegt. Zumindest so lange bleiben die Gelder eingefroren.

Doch was auch immer das Luxemburger Gericht im Juni entscheiden wird, der Gaskrieg ist noch nicht vorbei. Die nächsten Schlachten werden bereits geplant. Gazprom hofft, baldmöglichst die Pipeline Nord Stream 2 fertigstellen zu können – und somit Europa beliefern zu können, ohne dass das Gas durch die Ukraine fließen muss. Medienberichten zufolge hat Naftogaz eine neue Klage über 12 Milliarden eingereicht – wegen Schäden durch den nicht mehr stattfindenden Transit. Auf drei Milliarden Dollar sollen sich die jährlichen Einnahmen der Ukraine vom Transit belaufen.

Und wenn die aktuellen Gasverträge zwischen Russland und der Ukraine am 1. Januar 2020 auslaufen, wird mit einer Neuauflage von Streitigkeiten und Lieferstopps gerechnet. Den minimal vertraglich versprochenen Transport von Gas nach Europa könne Gazprom über Abkommen mit Norwegen, Gasspeicher und anderem einhalten, befürchten die Ukrainer. Bis die neue Pipeline steht.

Rein wirtschaftlich gesehen müssten sich beide Unternehmen eigentlich einigen können: Das eine will Gas verkaufen – das andere Gas kaufen. Jedoch wird die Politik auch mitreden. In Großbritannien will das Gericht übrigens auf die Entscheidung der Berufung vom Stockholmer Prozess warten. Mit einem Urteil wird 2020 gerechnet.

Robert
7. Juni 2019 - 18.45

Wenn ein Journalist heute Russen und Ukrainer als Bruderstaaten bezeichnet, dann hat er die letzten 5 Jahre ganz sicher verschlafen. Vielleicht mögen das die Russen von den Ukrainern meinen, umgedreht mit Sicherheit nicht.