„Anders! Na und …?“: Monique Philippart, die Escherin mit einer außergewöhnlichen Lebensgeschichte

„Anders! Na und …?“: Monique Philippart, die Escherin mit einer außergewöhnlichen Lebensgeschichte

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Elf Kinder hat Monique Philippart. Drei sind ihre eigenen, acht hat sie adoptiert, fünf davon sind ehemalige Pflegekinder. Ihre Lebensgeschichte ist außergewöhnlich und geprägt vom Einsatz für mehr soziale Gerechtigkeit und gegen jegliche Ausgrenzung.

Von unserer Korrespondentin Christiane Wagner

„Das ist Julien, mein ältester Enkel“, stellt uns Monique Philippart einen hübschen dunkelhäutigen Jungen mit gelocktem Haar vor. Julien schaut eben mal kurz bei seiner Großmutter vorbei, um ihr von einem besonderen Tageserlebnis zu berichten. Sofort zeigt sich eine tiefe Verbindung zwischen Oma und Enkel; man merkt, dass sie sich nahestehen.

„Insgesamt habe ich elf Kinder und bereits zwölf Enkel. Drei Kinder sind unsere eigenen, drei sind Adoptivkinder aus Brasilien, die anderen ehemalige Pflegekinder“, erklärt die aktive Mittsechzigerin. „Bei ihrer Mündigkeit schlagen wir den Pflegekindern eine Adoption unsererseits vor. Eine solche sichert ihnen dann die gleichen Rechte wie den anderen Kindern zu und die Zugehörigkeit zur Familie wird rechtens. Die Entscheidung aber überlassen wir jeweils den jungen Leuten. Wir haben versucht, keinen Unterschied zwischen eigenen, adoptierten oder Pflegekindern zu machen, die uns übrigens alle mit Mama und Papa anreden.“

Die Bindung zu den Kindern sei stark gewesen und bis heute intensiv geblieben. Sicherlich habe deshalb so mancher Schützling das Elternhaus erst mit Mitte 20 verlassen. Heute leben nur noch zwei schulpflichtige Mädchen im Haus von Monique Philippart und ihrem Ehemann Yves, wo inzwischen das fröhliche Lachen der zahlreichen Enkelkinder, die das Paar nun oft betreut, erschallt.

Gelebtes soziales Engagement

In der Tat können Monique und ihr Mann mit einer eher ungewöhnlichen Lebensgeschichte aufwarten. Die 1955 geborene Monique arbeitete nach ihrem Abitur einige Jahre mit seh- und sprachbehinderten Kindern. Dieser Job hinterließ einen starken Eindruck bei ihr. Als die sozial engagierte Frau dann den Mann traf, der ihre Lebensphilosophie teilte, war es für die junge Familie klar, dass sie im Bereich der Entwicklungshilfe tätig sein würde.

In Brasilien wollten sie dazu beitragen, Kindern und Jugendlichen zu einem besseren Leben zu verhelfen. Doch es galt, neben der Wohltätigkeitsarbeit auch das Geld fürs tägliche Leben zu verdienen. Yves suchte sich eine Arbeit als Mechaniker und Monique fand eine Anstellung in einem SOS-Kinderdorf. Das erste Kind kam zur Welt, drei brasilianische Kinder kamen hinzu. Das Paar leitete verschiedene Projekte in die Wege, half bei deren Durchführung und plante bereits neue. Doch dann machte die Behandlung der Krankheit eines der Kinder eine Rückkehr in die Heimat notwendig.

Fast alle blieben bis zum Erwachsenenalter

Zurück in Luxemburg, musste sich die Familie wiederum eine Zukunft aufbauen. „Wir waren zu zweit aufgebrochen und kamen zu sechst zurück“, sagt die zwölffache Großmutter und lacht dabei. Für Monique und ihren Mann war es klar, dass sie ihrer sozialen Selbstverpflichtung treu bleiben würden. Besonders am Herzen lag ihnen die Vermittlung brasilianischer Adoptivkinder nach Luxemburg. Auch entschieden sie sich, ihr Haus für Pflegekinder zu öffnen. „Es hieß oft seitens der Instanzen, die Kinder kämen nur für kurze Zeit, doch fast alle blieben bis zum Erwachsenenalter“, sagt Monique Philippart. „Eigentlich fügte sich meist alles ganz harmonisch. Die adoptierten Kinder, die Pflegekinder und die eigenen Kinder empfanden sich als Geschwister und auch die Hautfarbe spielte keine Rolle. Mein ältester Adoptivsohn war der erste dunkelhäutige Polizist hierzulande“, sagt Monique mit Freude.

Man würde die langjährige Scoutin aber verkennen, nähme man an, die Vielfalt ihrer Erziehungsaufgabe hätte sie vollauf ausgefüllt. In ihrer knappen Freizeit absolvierte sie ein Fernstudium in Theologie. Viele Escher erinnern sich noch gerne an die spätere Deutsch- und Religionslehrerin, die, soweit es ihre Mutterpflichten zuließen, sporadisch an den Escher Primärschulen unterrichtete.

Ein Buch gegen Ausgrenzung

Daneben gründete sie mit ihrem Mann in den 1980er Jahren die Vereinigung „Hand an Hand“ mit dem Ziel, Projekte für Kinder und Jugendliche im Erziehungsbereich zu verwirklichen, dies hauptsächlich in Bolivien und Brasilien. Seit einiger Zeit nun ist die mittlerweile offiziell anerkannte ONG auch in einem Zielland der Luxemburger Entwicklungshilfe, im Burkina Faso, aktiv. Heute noch ist Familie Philippart eine treibende Kraft in dieser Organisation.

Doch damit nicht genug! Neben der Betreuung ihrer zwei jüngsten Kinder und der Enkelkinder schreibt Monique Philippart Bücher. Wie aber kommt eine viel beschäftigte Mutter, Großmutter und ehrenamtlich stark eingespannte Frau zum Schreiben? Und wann findet sie Zeit dazu? „Bereits während meiner Lyzeumszeit habe ich gerne geschrieben und sogar einmal einen Preis in Poesie gewonnen. Wenn mir ein Thema oder ein Erlebnis am Herzen liegt, dann ist es mir ein Bedürfnis zu schreiben. Als Erstes habe ich eine kindgerechte Geschichte rund um die Buchstaben des ABC geschrieben, ein didaktisches Kinderbuch für Schulanfänger. Dieses wird nun in angepasster moderner Form neu aufgelegt“, berichtet die Autorin nicht ohne Stolz. Dann folgte eine Reihe von Romanen, die sich teils an Erwachsene und teils an Jugendliche wandten. Immer standen ein Erlebnis oder eine existierende Person Pate für die Erzählungen. Zusammen mit Fantasie und Fiktion entstanden spannende Geschichten.

Anderssein ist kein Makel 

Besonders in den Jugendbüchern thematisierte die Autorin ihren Einsatz für mehr soziale Gerechtigkeit und gegen Ausgrenzung. „Auch wenn die Bücher auf realen Begebenheiten basieren, dienten sie mir nie als Eigentherapie. Im Gegenteil! Sie sollten hellhörig machen und außergewöhnliche oder mutige Lebensgeschichten erzählen.“ Wie etwa der Roman „Gartenzwerge küsst man nicht“, der von einem Jungen handelt, der in der Pubertät unter seiner Kleinwüchsigkeit leidet. Das Buch wurde 2008 mit dem „Lëtzebuerger Buchpräis“ des Verlegerverbandes ausgezeichnet. Oder ihr Lieblingsbuch „Philippe“, dessen Hauptfigur ein traumatisierter brasilianischer Junge ist, der in Luxemburg eine neue Familie findet.
Das neue zusammen mit der FGIL („Fédération générale des instituteurs luxembourgeois“) herausgegebene Kinderbuch „Anders! Na und …“ handelt von Ausgrenzung.

Giraffentierkind Laura hat einen zu kurzen Hals, Rabe Abra ist blind, Ferkelchen Finni fehlt ein Bein und Marienkäfer Bobbi ist nicht rot, sondern blau und hat grüne Flügel mit blauen Punkten. Alle anderen Tierkinder machen sich lustig über die vier und lassen sie links liegen. Da sie anders als alle anderen sind, sind Einsamkeit und Traurigkeit ihr Los. Doch da naht Hilfe durch die Dorflehrerin, eine Eselin. Sie findet Lösungen und zeigt auf, dass das Anderssein kein Makel sein muss. Dank der klaren Sprache werden die zuhörenden oder lesenden Kinder aktiv mit einbezogen und verinnerlichen ganz leicht die gewonnenen Erkenntnisse. Die Illustrationen, die ebenfalls von Monique Philippart stammen und dem kindlichen Malen nachempfunden sind, tragen das Ihrige zum guten Verständnis bei.

Aus allen ist etwas geworden

Was sie als ihren größten Erfolg ansehe, fragen wir die engagierte Mutter und Großmutter abschließend. „Dass aus all unseren Kindern etwas geworden ist. Alle Großjährigen arbeiten, verdienen ihren Lebensunterhalt und einige haben bereits Familien gegründet. Vom diplomierten Erzieher über den Polizisten bis zur ‚Mathesproff‘ reicht die Palette der Berufswahl. Dies freut mich besonders, da manche ja nicht die besten Ausgangsbedingungen hatten oder gar regelrecht benachteiligt waren.“ Und was ist für sie das Wichtigste, das sie ihnen mit auf den Weg gegeben hat? „Ich habe sie Respekt gelehrt. Nur durch Respekt ist, trotz aller Unterschiedlichkeit, ein ausgewogenes Miteinander möglich.“

boufermamm
27. Mai 2019 - 21.36

Ehre, wem Ehre gebührt! Angesichts des kurz bevorstehenden Muttertages, wollen wir Monique Philippart, stellvertretend für alle Mütter, unseren tiefempfundenen Respekt zollen!

rowo
23. Mai 2019 - 16.00

Respekt, Frau Monique Philippart, vor Ihrem Lebenswerk! Sie sind eine Frau, ein Mensch, mit einem grossen Herzen und hätten eine besondere Auszeichnung und Würdigung verdient. Die schönste Anerkennung und das grösste Glück bescheren Ihnen wohl Ihre 11 Kinder und 12 Enkel. Wer viel gibt, bekommt auch viel zurück. Meistens.