750 Stunden für das Koekkoek-Bild – MNHA-Restauratorin Simone Habaru zwischen Kunst und Handwerk

750 Stunden für das Koekkoek-Bild –  MNHA-Restauratorin Simone Habaru zwischen Kunst und Handwerk

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Die Arbeit eines Restaurators vereinigt Wissen aus Kunst und Wissenschaft. Neben handwerklichen Fähigkeiten sind vor allem Kenntnisse in Chemie erforderlich.

Mit einem Wattestäbchen, das sie vorher in ein Lösungsmittel getaucht hat, wischt Simone Habaru, Bilderrestauratorin des Nationalmuseums für Geschichte und Kunst (MNHA), behutsam über einen Ausschnitt des Bildes „L’adoration des bergers“ des flämischen Malers Joachim Beuckelaer. Millimeter für Millimeter wird der Firnis, der Schutzanstrich, der das Bild bedeckt, abgetragen. Ein alter „vernis“ bewirkt, dass Farben blass wirken.

Kurzvita

- Simone Habaru (55) stammt aus Walferdingen
 – Den Beruf der Kunstrestauratorin lernte sie
an der „Ecole nationale supérieure des arts visuels de La Cambre“ in Brüssel
–  Nach dem Studium arbeitete sie zuerst als private Restauratorin, seit 1992 beim „Musée national de l’histoire et d’art“.

Das Instandsetzung eines Bildes ist Millimeterarbeit, und die Haupteigenschaft eines Restaurators sei Geduld, viel Geduld. „Manchmal kratzt man einen Tag an einem Quadratzentimeter“, sagt Habaru.

Es sei vor allem dieser Arbeitsaufwand, der kostspielig ist. Zuerst wird die bestehende Schutzschicht behutsam abgewischt. In den Farbrissen kann sich Dreck ansammeln, der vorsichtig entfernt wird. Risse in der Leinwand werden manchmal mittels Pinzette und millimetergroßen Fäden repariert, Farben von vorigen Restaurierungen mit kleinen Schabern Punkt für Punkt weggerieben. Löcher werden dort, wo angebracht, gekittet oder mit Leinen gestopft. Erst wenn das Bild gesäubert und repariert wurde, kann – falls nötig – mit der Retusche begonnen werden, d.h. die Stellen, an denen sich keine Farbe mehr befindet, werden wieder bemalt.

Jede Arbeit muss rückgängig gemacht werden können

Die Ausmaße jedes Eingriffs werden mit der zuständigen Konservatorin und dem Leiter des Museums abgesprochen. Manchmal werde nur so viel restauriert, dass der Zustand stabilisiert wird und sich nicht verschlechtert. Und was sehr wichtig ist: „Jede Arbeit an einem Bild muss für spätere Restauratoren rückgängig zu machen sein“, erklärt Habaru. Eine solche kunstfertige Arbeit erfordert eine Fachausbildung. Simone Habaru hat fünf Jahre an der renommierten Kunsthochschule La Cambre in Brüssel studiert.

Ein Restaurator muss neben Kunstwissen auch Fachwissen bezüglich Holz, Farben und anderen Elementen besitzen. Neben Allgemeinbildung und kunsthistorischen Fächern machen deshalb Chemie und Physik einen Großteil der Ausbildung aus. Darüber hinaus gilt auch in diesem Beruf „lebenslanges Lernen“: Die Restauratorinnen des nationalen Kunstmuseums nehmen regelmäßig an Fortbildungskursen bei renommierten Museen im Ausland teil.

In diesem Zusammenhang weist Habaru auf die Qualität alter Bilder hin. Dass diese Jahrhunderte überdauern, hänge oft damit zusammen, dass in früheren Zeiten Maler ein Beruf war, den man als Lehrling bei einem Meister erlernte. Dort lernte man nicht nur malen, sondern auch viel Fachwissen bezüglich der Materialien.

Ein Wissen, das viele zeitgenössische Maler heute nicht mehr besäßen und sich nachher über die schwindende Qualität ihrer Bilder wunderten.

Kein geschützter Berufstitel

Die von der Restauratorin benutzten Materialien seien nicht sehr teuer, auch wenn bei Pinseln und Pigmenten auf Qualität geachtet wird. Die Farben, die sie für ihre Arbeiten benötige, mische sie selbst anhand der Pigmente. Vor allem bei diesen ist die Qualität von herausragender Bedeutung, denn sie müssen lichtresistent sein, d.h. sie dürfen sich nicht bei langem Lichteinfluss verändern. Lösungsmittel werden selber gemischt; auch da ist Fachkenntnis vonnöten. Ein Laie könnte sich dabei leicht verschätzen, sodass er die Malschicht gleich mit abwischt.

Leider sei Restaurator noch immer kein gesetzlich geschützter Berufstitel: Jeder könne sich so nennen. Über einige angebliche „Kollegen“ könne sie manchmal nur den Kopf schütteln, vor allem bei dem, was im Internet an Lehrvideos über Bilderrestaurierung zirkuliere. „Da sind schreckliche Videos sogenannter Restauratoren zu sehen.“ Für den Beruf habe sie sich entschieden, nachdem sie als Schülerin der Kunstsektion im Lyzeum eine Reportage über Gemälderestaurierung gesehen habe.

Auch wenn es wenige Anstellungen für Restauratoren beim Staat gibt, im Privatsektor gebe es reichlich Arbeit, sagt Habaru, die auch lange als Privatunternehmerin gearbeitet hat. Die Arbeit an sich bleibe die gleiche, nur der Zeitaufwand variiere. Privatsammler wollten meistens eine Restaurierung, die so nah wie möglich an der Perfektion sei. Ein Museum könne da toleranter sein.

Das Koekkoek-Bild: Erst Schock, dann 750 Stunden Arbeit

Großen Aufwands bedurfte die Restaurierung des Bildes „Luxemburgische Landschaft mit der Burg Fels“ von Cornelis Koekkoek. Das 100.000 Euro teure Werk wurde 2016 mittels einer „Crowdfunding“-Finanzierung gekauft: 282 Einzelspender hatten mitgeholfen, die Summe zusammenzutragen. Neben dem künstlerischen Wert – der Niederländer Barend Cornelis Koekkoek (1803-1862) war einer der bedeutendsten Landschaftsmaler seiner Zeit – besitzt des Bild einen großen historischen Wert, da es wenige Landschaftsdarstellungen von Luxemburg aus der Zeit gibt. Dass das Werk restaurierungsbedürftig war, war den Verantwortlichen des MNHA bereits beim Kauf klar. Doch was anfangs nach einer Beseitigung von kleineren Mängeln aussah, endete in einer grundlegenden Restaurierung.

Im Vorfeld sei das Bild zwar unter UV-Licht geprüft worden, doch der dicke Schutzanstrich habe die UV-Strahlung reflektiert. Erst eine radiografische Analyse zeigte, dass der untere Teil des Bildes zum Teil, der Himmel komplett übermalt worden war. Schlaflose Nächte habe sie wegen des Bilds gehabt, sagt die Restauratorin Simone Habaru. Als sie das Ausmaß der Veränderungen am Bild erkannte, habe sie unter Schock gestanden. Immerhin war das Bild mithilfe von Hunderten von Privatspendern gekauft worden. Da stelle man sein eigene Kompetenz schon infrage, wenn man so etwas nicht früher bemerkt, gesteht sie heute. Rein technisch sei die Übermalung gut gemacht worden. Der Restaurator habe sich dem Original angepasst.

War die Übermalung zwar „gelungen“, so konnte man das nicht von den anderen Restaurierungsarbeiten sagen. Insgesamt sei schon drei bis viermal an dem Bild gearbeitet worden. Löcher und Risse waren unsachgemäß repariert worden. Zudem waren das Gestell und der Rand des Bildes ersetzt worden. Immerhin war es aber ein echter Koekkoek: Die Unterschrift des Bildes konnte sehr bald als echt beglaubigt werden. Die Restauratorinnen entschlossen sich, alle vorherigen Retuschen zu entfernen und es dann wieder zu restaurieren. Jetzt ist das Bild so wiederhergestellt, dass nur fünf Prozent davon retuschiert sind, während es vorher zu 75 Prozent übermalt war. Insgesamt arbeiteten die beiden Restauratorinnen 750 Stunden an dem Werk.