Bericht: Menschliches und technisches Versagen

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Das luxemburgische Ministerium für Infrastruktur hat am Montag einen detaillierten Untersuchungsbericht zum Zugunglück des 14. Februar 2017 vorgelegt, bei dem ein Lokführer der CFL ums Leben gekommen ist. Da die Untersuchungen noch laufen, ist das von der „Administration des enquêtes techniques“ verfasste 33-seitige Papier mit „Zwischenbericht“ betitelt.

Schlussfolgernd werden darin zwei entscheidende Faktoren benannt, die kombiniert zum Unglück geführt haben: menschliches Versagen (die Nichtbeachtung eines Vorsignals durch den Luxemburger Maschinisten) sowie ein Defekt im Sicherheitssystem Memor II+ (das weder den Maschinisten gewarnt noch eine automatische Notbremsung getätigt hat).

Vorsignal und Hauptsignal

Züge haben enorm lange Bremswege. Darum muss, im Gegensatz zum Straßenverkehr, auf der Schiene der Fahrende weit im Voraus gewarnt werden, wenn er auf ein „Halt“ gebietendes Signal zufährt. Dies geschieht durch ein sogenanntes „Vorsignal“ (Foto). Durch ein gelbes Licht mahnt es langsamere Fahrt an, damit der Zug am „Hauptsignal“ schließlich zuverlässig zum Stehen gebracht werden kann.

Doch am Unglückstag hat der Luxemburger Maschinist ein solches Signal offenbar nicht bemerkt. Anstatt nämlich die Geschwindigkeit nach dem Passieren des warnenden Vorsignals zu reduzieren, setzte er die Fahrt mehr als einen Kilometer lang unvermindert schnell fort, wie es im Bericht heißt: „Le conducteur du TER88807 n’a pas adapté la vitesse de 123 km/h.“ Warum er das Vorsignal nicht bemerkte, soll weiter untersucht werden.

Erst 100 Meter vor dem Hauptsignal leitete der 43-jährige Luxemburger, der weit mehr als zehn Jahre Erfahrung im Führerstand hatte, doch noch eine Bremsung ein – bei einer Geschwindigkeit von 133 km/h. Wegen des langen Bremsweges war die Kollision trotzdem unabwendbar.

Im Zwischenbericht wird darauf hingewiesen, dass das „Memor II+“-System an diesem Vorsignal seit Anfang 2017 bereits mehrfach nicht funktioniert hat.


Lehren aus dem Unglück

Dem Bericht zufolge haben die Eisenbahngesellschaften Luxemburgs (CFL) und Frankreichs (SCNF) Lehren aus dem Unglück gezogen – indem sie Maßnahmen ergriffen haben, um eine Wiederholung zu verhindern: Unter anderem werden die Lokführer besser sensibilisiert, was den Umgang mit und die Meldung von Fehlfunktionen vom Sicherheitssystem Memor II+ angeht.

Auch die Regeln zur Nutzung von Mobiltelefonen während der Fahrt werden überarbeitet. Alle technischen Komponenten von Memor II+ – sowohl schienen- als auch fahrzeugseitig – werden ohnehin regelmäßig überprüft und gewartet. Diese Wartungen werden im Detail  dokumentiert.

Des Weiteren wird überprüft, ob alle physischen Kontakte zwischen Datengebern und -empfängern richtig eingestellt sind.

Falls das Sicherheitssystem ETCS („European Train Control System“) auf einem Triebfahrzeug installiert ist, muss dieses auch benutzt werden, außer bei grenzüberschreitenden Zügen von und nach Frankreich. Bei jenen Zügen müssen die Triebfahrzeugführer das ETCS bis zum Bahnhof vor der Grenze eingeschaltet lassen und erst ab dort mit dem Memor II+ weiterfahren.

Seit dem 29. Januar 2018 darf die CFL offiziell mit dem Sicherheitssystem ETCS auf dem französischen Zugnetz fahren, was Personenzüge anbelangt. Auch fordert die CFL, dass alle Maschinen der SNCB und der SNCF schnellstmöglich auf das System ETCS umgerüstet werden. Der Dialog zwischen der SNCF und der CFL sollte ebenfalls verbessert werden, vor allem, was die Sicherheitssysteme anbelangt.

SNCF-Züge ab 2019 auch mit ETCS

Laut der Informationen, die die französische Eisenbahngesellschaft an die CFL weitergereicht hat, wurden seit dem Unfall bereits verstärkte Wartungen am Memor II+ vorgenommen.

Auch die Einführung von ETCS bei den Franzosen ist auf den Weg: Die SNCF und die Region Grand Est haben vor Kurzem gemeinsam erklärt, dass 25 Loks, die auch nach Luxemburg fahren, mit dem hochmodernen Sicherungssystem ERTMS ausgestattet werden, das mit dem Luxemburger Ausstattungslevel von ETCS kompatibel ist.

Erste Maschinen sollen ab Mitte 2019 einsatzbereit sein. Luxemburg will das ältere Kontrollsystem Memor II+ schließlich am 1. Januar 2020 endgültig abschalten.
Bis dahin wird es also noch beim Nebeneinander der Sicherungssysteme bleiben.


Ermittlungen

„Die Ermittlungen über den Unfall vom 14. Februar 2017 sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen“, wird im Bericht klargestellt. Die Ermittlung beschäftigt sich also weiter mit den zwei Faktoren, die zum Unfall geführt haben. Es wird also weiter geprüft, warum das Sicherheitssystem Memor II+ beim Überfahren vom Vorsignal keine Warnung an den Triebfahrzeugführer gab und angesichts der ausbleibenden Bremsung keine automatische Notbremsung eingeleitet wurde. Und was dazu geführt haben könnte, dass der getötete Maschinist das Vorsignal nicht beachtet hat.