Spion für einen Tag – Wenn ein Luxemburger Auslandsprofi auf einen einheimischen Klub trifft

Spion für einen Tag – Wenn ein Luxemburger Auslandsprofi auf einen einheimischen Klub trifft

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Er war der erste (und bislang letzte) Luxemburger Auslandsprofi, der während des Europapokals in die Heimat zurückkehrte: Der mittlerweile 74-jährige Rechtsverteidiger Erwin Kuffer traf 1968 im Lyon-Trikot auf die Aris. Bevor Legia-Profi Chris Philipps am Donnerstag (21.00 Uhr) in Warschau auf Meister F91 Düdelingen trifft, erklärte Kuffer, was dem 24-Jährigen wohl derzeit durch den Kopf geht.

Von Differdingen ging es für Erwin Kuffer 1966 nach Frankreich. Dort erlebte der Luxemburger die schönsten Momente seiner Karriere. Durch den Gewinn der Coupe de France – wo er im Finale auf Sochaux und Ady Schmit, seinen Kollegen aus der Nationalmannschaft traf – löste Lyon das Ticket für den Europacup. Aris Bonneweg hieß einer der Gegner, die der Pokalsieger damals aus dem Weg räumte. Wie sich der Verteidiger damals gefühlt hat und was das Ganze mit Kühen zu tun hat, erklärte er im Interview.

Tageblatt: Wie kam Ihr Wechsel nach Lyon im Sommer 1966 überhaupt zustande?
Erwin Kuffer: Es gab vorher Kontakte zum 1. FC Köln und ich hatte auch schon mitbekommen, dass es von dieser Seite Interesse gab. Dann trafen wir mit der Nationalmannschaft auf Frankreich. Es war wohl diese Begegnung, die den Stein ins Rollen brachte. Praktisch einen Tag später meldete sich Lyon. Ich bin dann eine Woche dort getestet worden und nach der Heimreise habe ich nicht lange auf eine positive Nachricht warten müssen.

Haben Sie vor diesem großen Schritt Kontakt zu den anderen Luxemburger Profis gesucht?
Ich hoffe, dass ich jetzt niemanden vergesse … Das waren damals Ady Schmit, „Spitz“ Kohn, Louis Pilot, „Bitzi“ Conter und Edy Dublin. Ich hatte mit niemandem Kontakt und habe diese Entscheidung ganz alleine getroffen.

Wie schwer war es, sich an das Profileben in Lyon zu gewöhnen?
Das erste Mal, als ich mit meinem Auto dorthin gefahren bin, stieg ich auf der „Colline de Fourvière“ aus dem Wagen und blickte staunend auf die riesige Stadt vor mir. Ich hielt einen Moment inne und sagte mir: ‚Wahnsinn, hier sollst du Fußball spielen …‘ Diese Gefühle hatte ich aber schnell überwunden. Ich muss sagen, das es im Nachhinein der schönste Ort war, an dem ich jemals gespielt habe. Dass es nicht immer so ganz leicht war, lag an der Ausländerklausel von damals. Es durften in Frankreich nur zwei Ausländer pro Mannschaft antreten. In Lyon waren wir zu fünft. Hector Maison war einer der Schlüsselspieler, er kam aus Argentinien. Sie haben irgendwie einen Großvater aufgetrieben und ihn eingebürgert, woraufhin ein Ausländerplatz für mich frei wurde.

Gibt es noch Kontakt zum Klub?
Der Kontakt brach nie ab. Mindestens einmal im Monat meldet sich die „Association des anciennes gloires“ per Mail, man lädt mich noch immer ein und hat mich nicht vergessen. Das finde ich bemerkenswert, denn ich war ja im Endeffekt nur drei Jahre da. Es war eine schöne Zeit. Auch die Europapokalkampagnen zähle ich dazu. Nach der Aris haben wir auch Tottenham bezwungen und standen im Viertelfinale dem Hamburger SV gegenüber. Das waren sehr besondere Momente. Gegen den HSV mussten drei Spiele ausgetragen werden. Zuerst haben wir in Lyon 1:0 gewonnen, in Hamburg 0:1 verloren. Das Entscheidungsspiel hätte eigentlich in Brüssel stattfinden sollen, aber da der Verein anscheinend Geld brauchte, wurde auch das dritte Spiel in Hamburg ausgetragen … und wir haben wieder 0:1 verloren.

Dort spielte damals ein gewisser Uwe Seeler, der bleibenden Eindruck hinterlassen hat.
Beeindruckt hatte er mich damals vor allem als Teil der deutschen Nationalmannschaft, auf die wir damals auch getroffen sind. Zu dieser Zeit haben beide Teams noch bei einem Bankett gemeinsam gegessen. Wir saßen alle nur da und blickten auf unsere Menükarten, als der Wunsch aufkam, Autogramme von den Deutschen zu sammeln. Da ich der Jüngste war, hat man mich geschickt. Ich bin dann aufgestanden und wollte Beckenbauer die Karten überreichen, damit die Mannschaft sie signieren könnte. Er lehnte ab. Es dauerte fünf Minuten, dann tauchte Seeler an unserem Tisch auf, sammelte die Karten wieder ein und brachte sie mit den Unterschriften wieder zurück.

Was war denn ansonsten Ihr schönster Moment?
Das gewonnene Pokalfinale. Ady Schmit hatte Sochaux praktisch alleine für das Pokalfinale qualifiziert. Mein Trainer sagte mir vor dem Spiel: Wenn du deinen Freund Schmit in Schach hältst, werden wir die Trophäe gewinnen. Ady war ein super Typ. Ich hatte ihn während des Spiels gefoult und der Schiedsrichter war schon mit der Gelben Karte unterwegs in meine Richtung. Ady ging zu ihm hin und sagte, er solle sie wieder einpacken, schließlich wäre es ein Pokalfinale. So etwas zu tun, ist außergewöhnlich.

Durch diesen Pokalsieg nahmen Sie in der darauffolgenden Saison am Europapokal teil und trafen wie bereits erwähnt auf Aris Bonneweg. Welche Anekdoten gibt es von damals?
Am Tag vor dem Spiel hatte der Trainer uns am Abend für ein paar Stunden freigegeben. Wir entschieden dann, „op der Stater Gare“ ins Kino zu gehen. Es war Robert Nouzaret, später übrigens Trainer in halb Frankreich, der zum Schalter ging und nach zehn Tickets fragte. Die Dame hinter dem Fenster meinte nur: „Il n’y a plus de places.“ Er drehte sich um und meinte nur: „Oh la vache!“ Plötzlich streckte sie den Kopf hinter ihrem Schalter hervor und ärgerte sich: „Non Monsieur, je ne suis pas une vache!“ Die Jungs wussten gar nicht, was los war, deshalb habe ich die Situation dann geklärt. Reingekommen sind wir trotzdem nicht, stattdessen machten wir einen kleinen Stadtbummel.

Wurden Sie eigentlich damals auf der Straße erkannt?
In Lyon schon. Dort hat man uns auch angesprochen. Es gab einen 23-Mann-Kader, von denen zehn Junggesellen gemeinsam wohnten. Zwei Damen sorgten gemeinsam mit den Eltern für uns. Sie hatten eine Bar namens „L’Ours blanc“, die es heute nicht mehr gibt. Die Hausherrin war sehr streng, der Klub hat sie wohl nicht umsonst engagiert … Aber wir waren jung und haben uns trotzdem amüsiert.

Kommen wir zurück zu den Spielen gegen die Aris. Waren es trotz der beiden Siege (3:0, 2:1) ausgeglichene Spiele?
Man kann nicht behaupten, dass wir die Aris auf die leichte Schulter genommen hätten. Es ist immer schön, nach Hause zu kommen, um sich zu zeigen. Die Aris hatte zwei gute Partien gegen uns.

Wie gingen Ihre Mannschaftskollegen und Trainer vor diesen Terminen mit Ihnen um?
Ich kann mich daran erinnern, dass die Junggesellen-Kollegen nach geschaffter Qualifikation unbedingt Champagner wollten. Diesem Wunsch bin ich damals auch nachgekommen. Der Trainer seinerseits hat mich praktisch ausgefragt, ich kam mir vor wie ein Spion.

Sie selbst hatten schon zuvor mit den Red Boys gegen die Aris gespielt. Was war anders bei den Partien im Trikot von Olympique Lyon?
Man will natürlich immer glänzen. Mit Lyon war der Druck höher, ich wollte noch einmal unterstreichen, dass ich in dieses Team gehörte. Bei den Red Boys hatte eine schlechte Leistung keinen großen Einfluss, aber bei den Profis saß einem die Konkurrenz sofort im Nacken.

Was würden Sie Chris Philipps vor dem Doppeltermin raten?
Er ist erfahren genug, um zu wissen, dass es keine leichten Spiele gibt. Ich wünsche mir, dass er seine Einsatzzeit bekommen wird, auch wenn er zuletzt nicht mehr die erste Wahl war. Im Ausland ist es nie einfach. Egal wie, er muss die Vorgaben des Trainers umsetzen. Auch er wird bestimmt ein paar Informationen für den Trainerstab haben. Eigentlich müssten sie ihn ja auch einsetzen, gerade jetzt will er sich beweisen und zeigen, dass er ins Team gehört. In der Nationalmannschaft spielt er ja auch eine gute Rolle.

Wie verfolgen Sie die nationale Meisterschaft?
Wenn, dann zieht es mich in die alte Heimat. Am Sonntag war ich in Differdingen, denn dort kann ich alte Kollegen treffen. Wenn ich die Möglichkeit habe, besuche ich auch die Spiele hier in Remich. Ich war hier Trainer und Vizepräsident, mittlerweile ist auch mein Sohn im Klubvorstand. Das gehört sich einfach so.