Mysterium um Ferrera – F91 fährt ohne Trainer zum Europa-League-Spiel nach Zypern

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Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe. Sie war überraschend und vorhersehbar zugleich. Emilio Ferrera ist seit Montag nicht mehr Trainer des F91 Düdelingen. Der Verein selbst will das Ende der Zusammenarbeit mit dem Belgier erst nach dem Europa-League-Gruppenspiel gegen APOEL Nikosia (Donnerstag, 18.55 Uhr MESZ) kommentieren.

Aus Nikosia berichtet unser Redakteur Dan Elvinger

Als Spieler, Betreuerstab und Vorstand des F91 am Dienstag auf dem Findel aus dem Mannschaftsbus stiegen, wurde ersichtlich, dass Emilio Ferrera nicht mehr Trainer des F91 Düdelingen ist. Der Belgier war bereits am Montag und am Dienstagmorgen der Trainingseinheit seiner Mannschaft ferngeblieben. Die Reise nach Zypern trat er folglich nicht an. Kommentieren will diese Situation keiner. Die Vorstandsmitglieder, die präsent waren, gaben zu verstehen, dass sie erst nach dem Duell gegen APOEL Nikosia eine offizielle Aussage zu der Trennung tätigen werden. Diese Anweisung soll von ganz oben kommen. Gemeint ist damit wohl Mäzen Flavio Becca. Ein Grund für dieses Stillschweigen ist, dass die Vertragsauflösung mit Ferrera noch nicht ausgehandelt ist. Der Ex-Trainer wollte die Situation am Dienstag auch nicht kommentieren, stellte jedoch klar, dass er nicht entlassen wurde.

Überrascht über diese Neuigkeiten waren die Spieler. Mittelfeldspieler Antoine Bernier hatte nicht mit einem Trainerwechsel gerechnet. „Ich weiß von nichts. Es würde mich überraschen und ich würde es auch nicht verstehen, wenn der Verein den Trainer entlassen hätte. Die Resultate in der BGL Ligue waren nicht die besten. In die Europa-League-Gruppenphase einzuziehen, war jedoch die weitaus schwierigere Aufgabe. Ich gehe davon aus, dass Emilio Ferrera aus persönlichen Gründen zurückgetreten ist.“

Kapitän Jonathan Joubert hat mit seinen 40 Jahren schon viele Trainer kommen und gehen sehen. Der Torwart nahm den Abgang von Ferrera mit Erstaunen, aber auch mit einer guten Portion Gelassenheit hin: „Ich weiß nicht, was passiert ist. Heute (Dienstag) war er nicht beim Training. Mehr hat man uns nicht gesagt. Dass ein Trainer einen Verein so kurz vor der Gruppenphase verlässt, ist schon ungewöhnlich. Aber es ist simpel: Für uns Spieler ändert dies nichts. Wir treten am Donnerstag in einem richtigen Stadion mit einer tollen Stimmung an und werden unsere Leistung abrufen – ob mit oder ohne Trainer“, sagte Joubert am Dienstag auf der Reise Richtung Zypern.

Fokus auf der Europa League

Für die Trennung gibt es wohl zwei Hauptgründe: die atmosphärischen Störungen und die Resultate in der BGL Ligue. Emilio Ferrera eckte mit seiner Art an. Bereits in Belgien eilte ihm der Ruf eines taktisch herausragenden Trainers mit zwischenmenschlichen Schwächen voraus. In keinem Verein blieb er lange, kurzfristige Resultate konnte der Mann mit spanischen Vorfahren jedoch öfter vorweisen. In Düdelingen stieß Ferrera auf ein Umfeld, das aus freiwilligen Helfern besteht. Ein Umstand, mit dem er so seine Schwierigkeiten hatte. Das Verhältnis zwischen einigen F91-Freiwilligen und dem Trainer war schon seit einigen Wochen zerrüttet. Präsident Romain Schumacher forderte öffentlich mehr Respekt für seine Mannschaft ein. Es war ein Hilfeschrei.

Trotz der Resultate auf europäischer Ebene war auch für einige Spieler die Zusammenarbeit mit dem 52-Jährigen nicht einfach. Bei Spielen und Trainingseinheiten kam es mehrere Male zu Zwischenfällen. Ferrera sparte nicht an Kritik und schreckte auch ab und zu nicht davor zurück, die Grenzen des Zumutbaren zu überschreiten. Auf der anderen Seite schaffte es der ehemalige F91-Trainer innerhalb kürzester Zeit, aus einem Haufen von 29 Spielern eine Mannschaft zu formen, die in der Europa League nur ein Spiel von acht Begegnungen verlor und sich mit äußerst attraktivem Fußball für die Gruppenphase qualifizierte.

B-Elf für die BGL-Ligue

Ferrera setze sein Hauptaugenmerk auf diesen Wettbewerb und ließ in der Meisterschaft eine sogenannte B-Elf auflaufen. Auch Dino Toppmöller ließ in der vergangenen Saison die Spieler in der BGL Ligue antreten, die auf internationalem Parkett nicht oder wenig zum Einsatz kamen. Der Unterschied ist jedoch, dass der F91 in der vergangenen Saison qualitativ besser besetzt war und der Kader ausgewogener zusammengestellt wurde. Ferrera wurde schlussendlich auch Opfer der konfusen Einkaufspolitik, die er nicht mitzuverantworten hatte. Trotz eines 36-Mann-Kaders sind manche Positionen nicht doppelt besetzt. Besonders flagrant ist die Situation im Angriff. Bis auf den stark verletzungsanfälligen Adel Bettaieb steht kein Mittelstürmer zur Verfügung. Angreifer wie Corenthyn Lavie, Bertino Barbosa oder Laurent Pomponi sind vor allem dann stark, wenn sie Konterangriffe aufziehen können. In dieser Situation ist der F91 aber allerhöchstens in den sechs Spielen in der Gruppenphase, aber nie in der Meisterschaft.

Dieses Paket an Problemen übernimmt jetzt interimistisch Bertrand Crasson. Der ehemalige belgische Nationalspieler wurde erst vergangene Woche als Assistent vorgestellt und schlüpft jetzt temporär in die Rolle des Cheftrainers. Bis vor kurzem war er noch Jugendtrainer in Thailand. Am Dienstag analysierte er bereits im Flugzeug mit F91-Scout Ebrahim Bouazzati den kommenden Gegner – so schnell kann es gehen.

Crasson wollte sich am Dienstag noch nicht zur Situation äußern. „Ich halte mich lieber zurück“, sagte der ehemalige Verteidiger des RSC Anderlecht und des SSC Neapel. Heute bei der offiziellen Pressekonferenz vor dem Europa-League-Gruppenspiel gegen APOEL Nikosia wird er sich zum ersten Mal der Presse stellen. Vielleicht gibt es dann mehr Klarheit in diesem Dossier.