Kroatiens Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic tritt in den Fettnapf

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An Kroatiens Landesmutter Kolinda Grabar-Kitarovic scheiden sich die Geister. Ihre Anhänger schätzen ihr volkstümliches Auftreten. Kritiker werfen der sich gerne patriotisch gebärenden Präsidentin Populismus und diplomatische Fehltritte vor.

Von unserem Korrespondenten Thomas Roser, Belgrad

Ihrem bewegten Patriotenherzen ließ die Festrednerin freien Lauf. Während der „Operation Sturm“ der kroatischen Armee zur Befreiung der Krajina im August 1995 hätte sie „am liebsten das Gewehr ergriffen und wäre auf das Schlachtfeld gezogen“, bekannte Kroatiens Staatschefin Kolina Grabar-Kitarovic am Sonntag bei der Gedenkfeier in Knin mit 24-jähriger Verspätung: Doch sie habe damals begriffen, dass es „nicht nur um Kugeln“ gehe.

Ihre Kritiker zeigen sich von der späten Kampfbereitschaft der Präsidentin wenig beeindruckt. Zweimal habe er während der „widerlichen Rede“ der Landesmutter aufs WC gehen müssen, um sich „auszukotzen“, lästert der sozialdemokratische Oppositionspolitiker Fred Matic. Wer oder was habe die damalige Diplomatin denn zurückgehalten, zur Waffe zu greifen: „Sie ist die Königin des Pathos.“

Ob sie wie jetzt in Knin patriotische Lieder anstimmt oder wie bei der WM in Russland die heimischen Nationalkicker an ihren präsidialen Busen drückt und im rot-weiß gewürfelten Trikot beim Freudentanz die Hüften kreisen lässt: An der Landesmutter Kolinda Grabar-Kitarovic scheiden sich bei den Kroaten die Geister.

Populismus und diplomatische Fehltritte

Ihre Anhänger schätzen ihr volkstümliches Auftreten. Kritiker werfen der sich gerne patriotisch gebärenden Fleischertochter Populismus und diplomatische Fehltritte vor. Doch manche ihrer Tritte in die Fettnäpfe wirken eher gezielt als zufällig: Die vor Jahresfrist noch auf einer Welle der Popularität schwimmende „Kolinda“ kämpft gegen fallende Umfragewerte – und um eine zweite Amtszeit.

Zum Jahreswechsel stehen im Adriastaat Präsidentschaftswahlen an. Erstmals hat die Amtsinhaberin in Knin nun indirekt bestätigt, erneut in den Wahlring steigen zu wollen. „Wir sehen uns im nächsten Jahr“, verabschiedete sich „KGK“ selbstbewusst von den Journalisten: „Ich werde in den nächsten fünf Jahren die Präsidentin sein.“ Zwar zieht die im Januar 2015 als Kandidatin der konservativen HDZ zur Präsidentin gewählte Kolinda als klare Favoritin ins Rennen. Doch ausgemacht ist ihr Sieg angesichts ihres bröckelnden Ratings und der Schlappe der HDZ bei der Europawahl keineswegs. Vor allem das Schicksal des von ihr 2015 besiegten Sozialdemokraten Ivo Josipovic muss ihr eine Warnung sein. Auch dieser war als Amtsinhaber favorisiert – und verlor dennoch.

Konkurrenten bringen sich in Stellung

Neben dem auf ein Comeback hoffenden Sozialdemokrat und Ex-Premier Zoran Milanovic macht der Amtsinhaberin vor allem die sich mehrende Konkurrenz im rechten Lager zu schaffen. Nach dem populären Barden Miroslav Skoro erwägt nun selbst der frühere HDZ-Chef Tomislav Karamarko, seinen Handschuh in den Wahlring zu werfen: Mit verstärkt patriotischen Tönen versucht Kolinda, sich ihrer rechten Rivalen zu erwehren. So bekannte die Landesmutter in der vergangenen Woche, ein Fan des umstrittenen Ustascha-Barden Marko Perkovic „Thompson“ zu sein. Gegenüber dem Schweizer Fernsehen verteidigte sie Kroatiens Polizei, die wegen ihrer Prügeleinsätze gegen Migranten in die Kritik geraten war, mit den Worten, dass „ein wenig Gewalt“ bei deren Abdrängung eben notwendig sei.

Für bilaterale Spannungen sorgten die ihr von der Jerusalem Post zugeschriebene Äußerung, dass Bosnien ein unstabiler und vom radikalen Islam dominierter Staat sei. Nach ihrem späten Dementi löschte die Zeitung das Zitat von ihrer Seite. Doch auch Kolindas jüngste Botschaft, dass die Nachbarn nie vergessen sollten, wer ihnen „während der schwersten Tage“ des Bosnienkriegs (1992-1995) die Hand gereicht habe, findet in Sarajevo eher ergrimmtes Gehör: Bei dem von Zagreb unterstützten Versuch der Truppen der bosnischen Kroaten (HVO), eine ethnisch gesäuberte Herzegowina zu schaffen, wurden 1993 und 1994 in der Region Mostar hunderte Muslime getötet und tausende vertrieben.