Fiasko in Spanien: Regierungsbildung gescheitert – jetzt muss schon wieder gewählt werden

Fiasko in Spanien: Regierungsbildung gescheitert – jetzt muss schon wieder gewählt werden

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Bis zuletzt hofften die Spanier darauf, dass sich ihre heillos zerstrittenen Parteien doch noch auf eine neue Regierung einigen werden. Doch am Dienstagabend wurden sie in ihren Hoffnungen enttäuscht: Spaniens königliches Staatsoberhaupt Felipe VI. kündigte an, dass die Regierungsbildung endgültig gescheitert sei. Es gebe keinen Kandidaten, der im Parlament auf die notwendige Unterstützung zählen kann, erklärte er. Deswegen werde er Anfang kommender Woche, wie in der Verfassung vorgesehen, das Parlament auflösen und eine Neuwahl ansetzen, die dann am 10. November stattfinden wird.

Von Ralph Schulze

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Albert Rivera (l), Chef der liberalen Partei „Ciudadanos“, wird von Felipe VI., König von Spanien, im Palacio de la Zarzuela empfangen. Foto: Pool/Europa Press/dpa

Damit erlebt Spanien rund fünf Monate nach der letzten Neuwahl schon wieder eine Wahlwiederholung – es ist der vierte nationale Wahlgang in vier Jahren. In einer Krisenrunde mit den Parteichefs hatte König Felipe zuvor noch versucht, die politischen Führer zu Kompromissen zu bewegen – vergeblich.

Die letzte Parlamentswahl Ende April hatten die sozialdemokratisch orientierten Sozialisten von Pedro Sánchez mit 29 Prozent der Stimmen gewonnen. Das war aber keine ausreichende Mehrheit, um eine Regierung bilden zu können. Alle Gespräche mit anderen Parteien, eine sozialistische Minderheitsregierung zu tolerieren, waren seitdem im Sande verlaufen.

Auch eine Koalition mit der linken Partei Unidas Podemos kam wegen Streits über die Verteilung der Ministerposten nicht zustande. Spaniens konservative Parteien lehnten es derweil ab, wenigstens durch Stimmenenthaltung den Sozialisten an die Macht zu verhelfen. Sie nehmen es Sánchez immer noch übel, dass er im Sommer 2018 mit einem Misstrauensvotum gegen den damaligen konservativen Regierungschef Mariano Rajoy an die Macht gekommen war. Anschließend regierten die Sozialisten mit einem Minderheitskabinett, das Anfang 2019 am Streit um den Haushalt scheiterte.

Den aktuellen Wahlumfragen zufolge liegen die Sozialisten derzeit im Aufwind. Soziale Reformen wie etwa die Anfang 2019 beschlossene Erhöhung des Mindestlohnes und ein dialogfreundlicher Kurs mit der spanischen Konfliktregion Katalonien scheinen sich auszuzahlen. Spaniens größte Tageszeitung El País errechnete die Durchschnittswerte aller Erhebungen: Danach kann Sánchez in der kommenden Neuwahl immerhin mit einem leichten Stimmenzuwachs rechnen und käme auf etwa 32 Prozent.

Stillstand könnte bis 2020 anhalten

Aber dies wäre ebenfalls nicht genug zum Regieren. Sánchez bräuchte dann immer noch und wie bisher die Unterstützung von Podemos und wohl auch von wenigstens einer der kleinen Regionalparteien aus dem Baskenland oder aus Katalonien. Den Erhebungen zufolge würde es auch nicht helfen, dass der konservative Block aus Volkspartei, der bürgerlich-liberalen Bewegung Ciudadanos und der rechtspopulistischen VOX, mit Wahleinbußen rechnen muss.

Es sieht also derzeit nicht danach aus, als ob die Neuwahl im November Spaniens politischen Stillstand beenden wird. Der erneute Wahlgang könnte Spaniens politische Blockade somit weiter bis zum Jahr 2020 verlängern. Dieses Szenario weckt zunehmend Sorgen, dass Spanien derzeit unregierbar ist: „Es ist unverantwortlich, dass wir auf eine Neuwahl zusteuern“, sagte Iñaki Gabilondo, einer der prominentesten journalistischen Kommentatoren der Nation. Das werde die politische Instabilität Spaniens nur noch weiter erhöhen.

Zu den größten Problemen der viertgrößten Wirtschaftsmacht des Eurolandes gehört derzeit, dass es keinen aktuellen Staatshaushalt gibt. Mangels politischer Mehrheit im Parlament muss Sánchez immer noch mit dem Sparetat seines konservativen Vorgängers Mariano Rajoy regieren – und dieser Haushalt stammt aus dem Jahr 2018. Was zur Folge hat, dass viele staatlichen Investitionen und Regierungsprojekte derzeit mangels Finanzierung auf Eis liegen.