Die „Europäerin“ Marine Le Pen

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Marine Le Pen, Vorsitzende des Front national, sieht sich als Europäerin. Allerdings in einem anderen Europa als dem heutigen – einem mit uneingeschränkter Souveränität und ohne Euro.

Die Europäische Union macht Europa kaputt, sagt die Vorsitzende der französischen Rechtspopulisten, Marine Le Pen. Sie sitzt auf einem hohen Hocker in einem dunklen Saal des Restaurants Falstaff gegenüber der Oper an der place de la Bastille und versucht, Mitgliedern der Auslandspresse in Paris ihre Partei und ihrer Partei die Politik zu erklären. Das ist nicht einfach, da bleiben Widersprüche, die mangels Zeit nicht geklärt werden können. Frau Le Pen hat genau eine Stunde Zeit und es gibt viele Fragen. Immerhin das Interesse an ihr ist groß, gemessen an der Teilnehmerzahl derzeit möglicherweise größer in Asien als in Europa. Die Fragen sind höflich, enthalten keine Gewissensprozesse, wie sie Marine Le Pen bei französischen Fragestellern häufig erlebt.

Das Ziel der rechtspopulistischen Politikerin ist unmissverständlich: Sie will ihre Vorstellungen im Ausland verbreiten und die Sorgen vor ihrer Bewegung entkräften. Ihr steht im März ein Parteitag bevor, der wegweisend werden und der Bewegung einen neuen Namen geben soll. Dabei kann sie darauf verweisen, dass sie tatsächlich den Front national (FN) in Frankreich etabliert hat. Ihr Vater, Begründer der Bewegung, nutzte sie für seine Zwecke als Wahlkampfverein für die Präsidentschaftswahl. Es gelang ihm 2002, in den zweiten Wahlgang zu kommen. Alle politischen Parteien schlossen sich damals zusammen und wählten Jacques Chirac mit 80 Prozent der Stimmen zum Staatspräsidenten. Seit Marine Le Pen den FN leitet, hat sich die Situation grundlegend verändert.

Rechtspopulismus im ganzen Land

Der Front national sollte sich in ganz Frankreich verbreiten – aus kleinen Zellen heraus in die Städte, dann in die Départements und schließlich in die Regionen. Das ist der Vorsitzenden gelungen. Rechtspopulismus gibt es heutzutage quer durch Frankreich, sogar in der an sich resistenten Bretagne.

In Lothringen in den Kohle- und Stahlbecken tauchte der FN in den 90er Jahren erstmals auf. In den Bereichen, in denen die Kohleproduktion wegbrach, die Stahlproduktion eingestellt wurde und keine Ersatz-Arbeitsplätze kamen, radikalisierte sich die Arbeiterschaft, öffnete ihren Geist in einer zunehmend schwierigeren Welt den einfachen Lösungen, die der FN anbot. Als die traditionellen Parteien dies bemerkten, war es zu spät. Der FN gewann einen ersten Bürgermeister, Städte und Sitze in den départementalen Versammlungen sowie in den Regionen. Aber: Von der eigentlichen Macht blieb er ausgeschlossen.

Marine Le Pen weiß natürlich, dass eine Reihe von Bürgermeistern vor Strafverfahren stehen. Es herrschen rüde Töne, wo der FN in den Rathäusern die Mehrheit hat. Marine Le Pen nämlich kann alles, was Rechtspopulisten können müssen. Sie kann polemisieren, sich als Opfer darstellen und Fakten auf ganz eigene Weise interpretieren. Mit acht Abgeordneten sitzt sie in der Pariser Nationalversammlung. Das reicht nicht, um eine eigene Fraktion zu bilden. Aber es genügt, um sich als regierungsfähig darzustellen, erklärt sie. Man sei über den Oppositionsstatus hinaus und mittlerweile regierungsfähig, erklärt sie den Auslandskorrespondenten.

Europa, meint sie auf Tageblatt-Nachfrage hin, müsse anders aussehen. Die derzeitige Europäische Union zerstöre Europa, weil man Gesetze schaffe, die für ganz Europa gelten. Genau das Gegenteil müsse man machen. Mit einer FN-Regierung würde ein Europa der Nationen gebildet. Darin könne jeder Staat für sich entscheiden, welche Gemeinsamkeiten er übernähme. Ihr Europa bestünde aus einer Kultur der Allianzen. In dieser würde Frankreich eine Sonderrolle spielen, gab Le Pen auf Tageblatt-Nachfrage zu. Frankreich würde, würde der Front national das Land regieren, seine „nationale Souveränität“ wiederherstellen. „Frankreich wird seine Grenzen beherrschen“, sagt sie. Asylanträge würden nicht mehr auf französischem Boden gestellt werden können. „Visa-Anträge müssen bei den Generalkonsulaten im Ausland, bei den französischen Botschaften oder bei denen von Drittländern gestellt werden“, erzählt sie. Das gelte auch für Asylanträge. Das Geld würde wieder national bestimmt werden, meint sie weiter. Mit anderen Worten: Mit dem Front national an der Macht in Frankreich hätte der Euro dort ausgedient.

Was ist das für ein Frankreich, von dem die dortigen Populisten träumen? Es ist ein Frankreich, das auf sich selbst bezogen ist. Es ist ein Frankreich, das Fremde nicht mehr will und das Organisationen, die Flüchtlingen helfen, jede Unterstützung verweigern wird, wie jetzt schon in Städten, die vom Front national regiert werden. In der Religionsfrage ist Frau Le Pen ebenfalls strikt. Sie habe nichts gegen den Islam als Religion. Sie wehre sich allerdings dagegen, den Islam als Institution im gesellschaftlich, sozialen und politischen Leben in Frankreich zu sehen. Dazu gehöre, dass ausländische Kräfte den Bau von Moscheen nicht finanzieren dürfen.

Die Geldsorgen des FN

Marine Le Pen gibt zu, dass sie den Präsidentschaftswahlkampf verloren hat und in der Diskussion mit Emmanuel Macron nicht gut gewesen ist. Das allerdings ist der einzige kritische Punkt, zu dem sie Stellung nimmt. Nicht angesprochen wird – es interessiert in Japan möglicherweise auch weniger –, dass sie selbst und ihre Bewegung in erheblichen Schwierigkeiten stecken. Gegen sie und weitere Mitglieder der Bewegung laufen Untersuchungsverfahren, weil parlamentarische Assistenten für die Partei und nicht für die politischen Mandate gearbeitet haben sollen. Es soll um Millionenbeträge gehen.

Schwierigkeiten hat die Partei auch mit ihren eigenen Finanzen. Vater Jean-Marie Le Pen soll ihr einen hohen Millionenbetrag geliehen haben. Eine russische Bank finanzierte mit Millionen den Präsidentschaftswahlkampf. Insgesamt soll es sich um 20 Millionen Euro handeln. Ein Betrag, der durch die Erstattung der Wahlkampfkosten nicht gedeckt ist.

Und schließlich steht noch ein Urteil gegen den Patriarchen aus. Er hat wieder einmal die Shoa geleugnet und wird deswegen erneut verurteilt werden. Jean-Marie Le Pen, ein alter Mann, der von seiner Tochter aus der Partei verjagt wurde, über 80 Jahre alt, der nur noch mühsam geht, wird von dem Urteil nicht berührt werden. Er ist Überzeugungstäter.

Marine Le Pen hatte mit den Auslandsjournalisten leichtes Spiel. Sie wollten wissen und nicht diskutieren. Und Le Pen konnte ihnen etwas von der heilen Welt des Front national erzählen, die im März auf dem Kongress vorgespielt werden soll. Nur einmal zeigte sie sich irritiert: Als sie die europäische Ausbreitung der anti-europäischen populistischen Bewegung hervorhob, erkundigte sich eine österreichische Fernsehjournalistin danach, wie sie denn die Tatsache einschätze, dass sich die neue populistische österreichische Regierung ausdrücklich für Europa ausgesprochen habe. Frau Le Pen zögerte einen Augenblick und meinte dann, das sei kein Widerspruch.

J.C. KEMP
17. Februar 2018 - 15.12

An de Bing mat dem gudde Jean-Marie, vlait an een zu Lyon oder soss e, wou vill Moslem asëtzen. :)

Jacques Zeyen
16. Februar 2018 - 11.12

"Als die traditionellen Parteien dies bemerkten, war es zu spät." Das Überleben hat mit Anpassungsfähigkeit zu tun. Das gilt eben auch für die Politik. Die ganzen Rechtsbewegungen in Europa keimen aus dem Schlamm den die traditionellen Parteien abgelagert haben. Es ist wie mit dem Glauben. Je schlimmer die Not umso lauter der Ruf nach dem " Messias ". Die Zahl der Wunder hat sich angeblich mit der zunehmenden Bildung der Menschen stark verringert. Nun, um dem "neuen" Gesellschaftsvertrag einer Le Pen oder eines Geert Wilders zuzustimmen muss man nicht mit Bildung geschlagen sein. Es ist offensichtlich,dass bei diesen Polpulisten nicht nur die Haarfarbe ein gemeinsames Merkmal ist. Man sollte das merken bevor es zu spät ist.