Spionage zwischen Film und Realität

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Eine der beliebtesten Sehenswürdigkeiten in Washington zeigt die Geschichte der Spionage. Dabei wird die Realität zugunsten der Attraktivität auch mal geritzt.

Lange bevor die Welt wusste, was sich hinter den Buchstaben NSA verbirgt, und sehr lange, bevor Edward Snowden zum Albtraum des Geheimdienstes wurde, gab es bereits Spione. Seit jeher geht ihr notorisch verschwiegenes Gewerbe mit starker Legendenbildung einher.

Ein Museum in der US-Hauptstadt Washington lüftet den Schleier zumindest ein wenig und lässt auf spannende Techniken und riskante Agenteneinsätze blicken. Mit dem ersten Schritt vermischen sich in der Ausstellung Realität und Filmstoff.

Das International Spy Museum liegt passenderweise nur einen Steinwurf von den Gebäuden der US-Bundespolizei FBI entfernt. „Unsere Aufgabe ist es, ihre Tüchtigkeit zu bewerten, nicht ihren politischen Hintergrund, ihre Tauglichkeit und nicht ihre Loyalität“ steht auf einer Karte am Eingang des Geländes.

Nach Berappung von stolzen 20 Dollar Eintrittsgeld erwartet den Besucher ein Ausflug in das „Goldene Zeitalter“ der Geheimdienste, als Trenchcoat und Schlapphut als angemessene Berufskleidung durchgingen und das Gewerbe ein Hauch von Dandytum, Abenteuer und Agentenromantik umwehte.

Von Dumas bis Mata Hari

Das Museum will die Geschichte der Spionage rund um den Globus abbilden – „von den biblischen Zeiten bis ins 20. Jahrhundert“. Es geht dabei auf legendäre Figuren der geheimen Gesellschaft ein wie Kardinal Richelieu, dem Alexandre Dumas in seinen „Drei Musketieren“ ein literarisches Denkmal schuf, oder die Tänzerin Mata Hari – die als Spionin 1917 hingerichtet wurde.

Als einen seiner Schätze präsentiert das Museum eine Karte von 1777, in der der spätere Präsident der Vereinigten Staaten, George Washington, den Ausbau eines Spionagenetzes in New York bewilligt haben soll. Und eine originale „Enigma“-Chiffriermaschine des deutschen Militärs ist auch zu sehen.

Besonders während des Kalten Krieges – in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg – scheint die Kreativität der Spionagetechniker Blüten getrieben zu haben, wie die Museumsmacher zeigen: Abhörgeräte in falschen Baumstämmen, versteckte Fotokameras in Tabakpäckchen oder eine winzige, in einem Lippenstift verborgene Waffe – die Pistole „Kuss des Todes“.

Einige Objekte erinnern an Erfindungen wie das „Schuhtelefon“ aus der Agenten-Serie „Mini-Max“ aus den 1960er-Jahren: ein Sender samt Mikrofon und Batterien, der in die Schuhsohle eines Diplomaten eingebaut wurde, um seine Gespräche und Treffen abzuhören.

Die Sammlung wundersamer Spionage-Artefakte ist nach Angaben des Museums die «grösste, die jemals öffentlich gezeigt wurde». Dabei ist es nie weit zum Film. Eine aktuelle Sonderausstellung dreht sich um die Bösewichte aus 50 Jahren James Bond. Oft ist es aber die Realität, die die Fiktion in ihrer Unglaublichkeit übertrifft.

Echte Geschichten

In Videoclips und Tonaufnahmen erzählen echte Spione ihre Geschichte. Dazu zählt die spektakuläre Flucht einer US-Diplomatengruppe, die sich nach der islamischen Revolution im Iran 1979 im Haus des kanadischen Botschafters versteckte und als vermeintliches Filmteam einer Science-Fiction-Produktion ausreiste.

Es ist der Stoff, aus dem der Film „Argo“ gemacht ist, der 2013 mehrere Oscars gewann. Im Museum sind einige Objekte ausgestellt, die bei der Operation zum Einsatz gekommen sein sollen.

Sechs Jahre Recherche gingen den Angaben zufolge der Eröffnung des Museums im Jahr 2002 voraus. Als Berater hätten der Einrichtung diejenigen zur Seite gestanden, die am meisten vom Thema verstehen: ehemaliges Führungspersonal von Geheimdiensten.

Der Besucher selbst kann auch seine Eignung als Agent testen. So wird er interaktiv herausgefordert, innerhalb von Sekunden eine Bombe zu deaktivieren. Und wer sich fragt, ob er wie ein Action-Held an einem Kran oder Hochhaus hängen könnte ohne abzustürzen, kann in der „Dein Bond-Moment“-Maschine seine Fitness testen.

Auch dank dieser Attraktionen zieht das „Spy Museum“ die Besucher jedes Jahr in Scharen an. Rund 700.000 Menschen tauchen laut Medienberichten jedes Jahr in die Welt der Spione ein. Die „Washington Post“ und das Magazin „Time2 betitelten es als eine der beliebtesten Sehenswürdigkeiten von der US-Hauptstadt, die im Jahr 2012 von insgesamt 18,5 Millionen Menschen besucht wurde.

Der alte Beruf „Geheimagent“ wirkt in der Schau wie das Metier spitzbübischer Abenteurer – sehr weit entfernt etwa vom Arbeitsfeld der NSA-Informatiker, die auf Bildschirmen Datenströme verfolgen.