Sonnenfinsternis: Vorfreude und Chaos in den USA

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Am 21. August verdunkelt sich in den USA die Sonne. Bereits jetzt flippen die Amerikaner aus

Droht am 21. August das größte Verkehrschaos der US-Geschichte? Werden Campingplätze und Naturparks vom Besucheransturm überrannt? Niemand weiß das so ganz genau. Es ist die erste sich von Küste zu Küste erstreckende totale Sonnenfinsternis auf dem Kontinent seit 99 Jahren. Die Vorbereitungen für die „Great American Eclipse“ in rund zweieinhalb Wochen laufen mit Hochdruck. Inklusive boomender Internetwerbung für Schutzbrillen, Sonder-Briefmarken und T-Shirts mit Aufdrucken wie „Eclipse it!“.

Der Astronom Tyler Nordgren von der University of Redlands (Kalifornien) ist sich sicher: „Im Zeitalter sozialer Medien wird dies das meistfotografierte, meistgeteilte und meistgetwitterte Event der Menschheitsgeschichte werden.“ Und NASA-Forscher Alex Young glaubt: „Das wird wie Woodstock mal 200 – aber im gesamten Land.“

Dunkelheit in 14 Staaten

Die totale Sonnenfinsternis – oft kurz Sofi genannt – wird einen schmalen Streifen des Kontinents am 21. August sukzessive und für jeweils etwa zwei Minuten in komplette Dunkelheit hüllen. Tiere werden verstummen, Temperaturen sinken. Über anderthalb Stunden hinweg wandert der Kernschatten des Mondes von der Küste Oregons im Nordwesten hinüber bis an die Küste South Carolinas im Südosten. 14 US-Bundesstaaten mit 12 Millionen Einwohnern liegen in der etwa 100 Kilometer breiten Kernschattenzone – und dort soll die Finsternis zum Erlebnis werden.

Eine partielle Sonnenfinsternis wird zwar auch in anderen Teilen des Kontinents zu sehen sein und sogar in einigen Ecken Europas. Aber: „Selbst wenn man in einem Gebiet ist, wo 99,9 Prozent der Sonne verdeckt sind, ist es nicht dasselbe“, betont die Astrophysikerin Laura Penny im Charleston Post & Courier.

Mit Hunderttausenden bis Millionen Anreisenden wird gerechnet. Früh genug losfahren und ausreichend Wasser und Verpflegung für 24 bis 72 Stunden im Gepäck haben, empfehlen Straßenbehörden – für den Fall, dass man irgendwo unerwartet feststeckt.

Besonders viele Sofi-Fans dürften nach Oregon pilgern, denn im Nordwesten sind die Chancen für einen wolkenlosen Himmel am höchsten. Park-Ranger in dem waldreichen Bundesstaat sind bereits in Sorge. „Es könnte zu keiner schlechteren Zeit stattfinden“, wird Jean Nelson-Dean vom Deschutes National Forest vom Nachrichtenportal kgw.com zitiert. Die Zahl der Ranger sei im Sommer ausgedünnt, die Waldbrandgefahr gegen Ende August am höchsten. Sein Albtraum: Unerfahrene Camper verursachen einen Waldbrand und Zufahrtsstraßen sind verstopft.

Preise für private Unterkünfte explodieren

Die öffentlichen Campingplätze in Oregon sind seit langem ausgebucht, 1.000 zusätzliche Stellplätze waren im April binnen einer Stunde vergeben. Wer jetzt noch campen will, muss auf Bauernhöfen, Kirchengelände oder Parkplätzen suchen – oder tief in die Tasche greifen. Das private „Eclipse Camp“ etwa bietet vier Nächte zelten für 500 Dollar an. Hotelzimmer sind vielerorts nicht mehr zu bekommen. Und die Preise für Privathäuser schießen in die Höhe – in Wyoming etwa ist auf dem Unterkünfte-Marktplatz Airbnb eines für 7.000 Dollar pro Nacht gelistet.

Für eine spektakuläre Sicht wollen manche hoch hinaus: Die Behörden in Oregon warnen davor, ohne Bergerfahrung den fast 3.200 Meter hohen Mount Jefferson zu erklettern. „Viele Leute, die uns deshalb angerufen haben, waren offensichtlich völlig ahnungslos, was sie da vorhatten“, berichtet ein Ranger.

In der Kernzone bleiben viele Schulen am 21. August geschlossen oder die Kinder und Lehrer schauen sich das Spektakel gemeinsam an. Dutzende kleine und große Eclipse-Festivals sind geplant. In Kentucky lädt das Städtchen Hopkinsville zu einem dreitägigen Fest – hier laufen die Vorbereitungen seit Jahren. Mehr als eine halbe Million Dollar haben sie gekostet, 100.000 Gäste werden erwartet. Sogar zusätzliche Mobilfunkmasten sind geordert.

Angst vor schlechtem Wetter

Charleston an der Ostküste in South Carolina ist die letzte Sofi-Station und seit jeher ein beliebtes Reiseziel: Dort rechnet man mit einer Million Sofi-Touristen – und einer völlig verstopften Autobahn.

Wem das zu trubelig ist, der kann eine Eclipse-Kreuzfahrt buchen und aufs Meer ausweichen. Im Flugzeug der Sofi nachzufliegen, ist keine Alternative: Die Strecke von Küste zu Küste so schnell wie der Mondschatten in anderthalb Stunden zurückzulegen, schafft selbst der schnellste Düsenjet nicht.

Der Countdown läuft, die Nerven sind gespannt. „Wenn es wolkig wird, müssen wir damit irgendwie klarkommen“, sagt Hopkinsvilles Bürgermeister Carter Hendricks. „Aber es macht mir schon große Sorgen, dass wir übervorbereitet sind und viel weniger Menschen kommen.“ Landschafts-Manager Don Gonzalez aus Oregon wünscht sich genau das für sein Gebiet: „Ich hoffe nach wie vor, dass es wie der Jahrtausendwechsel wird.“ Soll heißen: nach monatelangem Hype alles halb so wild.