Kurzes Glühen

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(dpa/Stefan Sauer)

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In der Kernfusionsforschungsanlage "Wendelstein 7-X" in Ostdeutschland ist am Donnerstag das erste Plasma erzeugt worden.

Nach neun Jahren Bauzeit ist am Donnerstag in Greifswald die weltweit größte Anlage zur Erprobung eines speziellen Kernfusionsreaktors in Betrieb gegangen. Mit der Erzeugung des ersten Helium-Plasmas begann in der Fusionsanlage „Wendelstein 7-X“ der Experimentierbetrieb, wie das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) mitteilte. Plasma ist ionisiertes Gas und Brennstoff von Fusionsreaktoren.

Ziel der Fusionsforschung ist es, ein klima- und umweltfreundliches Kraftwerk zu entwickeln. Ähnlich wie die Sonne soll es aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie gewinnen. „Wendelstein 7-X“ ist eine Fusionsanlage vom Typ Stellerator und soll die Eignung dieses Bautyps als Kraftwerk untersuchen. Eine Kernfusion zur Energieerzeugung ist in der Greifswalder Anlage nicht geplant. Bei der Kernfusion wird Energie nach dem Vorbild der Sonne durch das Verschmelzen von Atomen erzeugt – im Gegensatz zur Kernspaltung, wie sie in Atomkraftwerken zur Energiegewinnung angewandt wird.

Hohe Temperaturen

Laut IPP könnte ein Gramm Brennstoff in einem Fusionskraftwerk 90.000 Kilowattstunden Energie erzeugen – das entspricht der Verbrennungswärme von elf Tonnen Kohle. Trotz jahrelanger Forschung gelang es den Wissenschaftlern aber bisher nicht, eine Kernfusion herbeizuführen, bei der nennenswert mehr Energie herauskam als hineingesteckt wurde.

Das Problem: Um eine Kernfusion zu schaffen, sind extrem hohe Temperaturen von mindestens hundert Millionen Grad nötig und ein extrem hoher Druck von außen – wie etwa bei Sternen. Weil das Fusionsfeuer erst bei Temperaturen von über 100 Millionen Grad Celsius zündet, darf in einem Fusionskraftwerk der Brennstoff – ein dünnes Wasserstoffplasma – nicht in Kontakt mit kalten Gefäßwänden der Anlage kommen.

Hohe Kosten

Vielmehr schwebt er von Magnetfeldern gehalten nahezu berührungsfrei im Inneren einer Vakuumkammer, wie das IPP weiter mitteilte. Für diesen magnetischen Käfig setzten sich demnach zwei verschiedene Bauweisen durch: Fusionsanlagen des Typs Tokamak und des Typs Stellarator. Beide Anlagentypen werden vom IPP untersucht: Eine kleinere nationale Tokamak-Forschungsanlage betreibt das Max-Planck-Institut im bayerischen Garching, und in Greifswald ist nun der Stellarator „Wendelstein 7-X“ in Betrieb.

Zur Tokamak-Baureihe zählt auch der weltweit bislang einzige im Bau befindliche Atomfusionsreaktor Iter, der im Südosten Frankreichs entsteht. Wegen ihrer hohen Kosten ist die Kernfusionstechnologie allerdings auch heftig umstritten. Kernstück der Anlage „Wendelstein 7-X“ in Greifswald ist ein Ring aus 50 supraleitenden, etwa dreieinhalb Meter hohen Magnetspulen. Zur Inbetriebnahme am Donnerstag fuhr die Betriebsmannschaft im Kontrollraum das Magnetfeld hoch und startete die computergeregelte Experiment-Steuerung.

Kameras und Messgeräte

Sie speiste laut IPP rund ein Milligramm Heliumgas in das ausgepumpte Plasmagefäß ein, schaltete die Mikrowellenheizung für einen kurzen 1,8 Megawatt-Puls an – und im Visier der eingebauten Kameras und Messgeräte zeigte sich das erste Plasma. „Wir beginnen mit einem Plasma aus dem Edelgas Helium. Erst im nächsten Jahr wechseln wir zu dem eigentlichen Untersuchungsobjekt, einem Wasserstoff-Plasma“, erläuterte der Projektleiter Thomas Klinger. „Denn mit Helium ist der Plasmazustand leichter zu erreichen.“