Die falsche Medizin

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LUXEMBURG - In Luxemburg steigt der Konsum von Antibiotika. Und das Saarland ist laut einer Studie deutscher Meister beim Verschreiben von Antibiotika. Ist das Medikament wirklich eine Allzweckwaffe?

Bei Antibiotika handelt es sich keineswegs um ein Wundermittel, warnen Mediziner. Zu viel Antibiotika schadet. In den letzten Jahren wurde festgestellt, dass Antibiotika immer mehr falsch angewendet wird und auf diese Weise bei manchen Krankheitserregern unwirksam wird. Luxemburg soll laut rezenten Statistiken des Gesundheitsministeriums sogar das westeuropäische Land sein, wo die meisten Menschen resistent gegen Antibiotika sind. Das vorschnelle Absetzen der Antibiotika dazu, dass die Erreger resistent werden.

Aber im Großherzogtum wird weiter viel Antibiotika verschrieben. Und auch bei unseren Nachbarländern wird fleißig Antibiotika zu sich genommen.

Deutscher Meister

In Deutschland wird nirgendwo mehr Antibiotika verschrieben, als im Saarland, berichtet die Techniker Krankenkasse (TK). Im vergangenen Jahr erhielt jeder Erwerbstätige im Durchschnitt 6,1 Tagesdosen dieser Medikamente, etwa 20 Prozent mehr als im Bundesschnitt (5,1), wie die Krankenkasse am Montag in Saarbrücken erklärte. In den vergangenen fünf Jahren sei das Volumen der von niedergelassenen Ärzten verschriebenen Antibiotika um ein Viertel gestiegen.

In Luxemburg steigt der Antibiotika-Konsum ebenfalls wieder. 2003 stand Luxemburg einer europäischen Studie zufolge auf Platz 4. 2008 fiel das Land auf Platz 6 zurück, unter anderem dank der großangelegten Sensibilisierungskampagnen. Von 2008 auf 2009 nahm der Konsum von Antibiotika jedoch erneut um 3,6% zu. Diese Tendenz setzt sich 2010 fort, bedauerte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums gegenüber tageblatt.lu:

Plazebo-Effekt

Der Grund: Viele Leute wüssten nicht genau was Antibiotika sind und fühlten sich wohler, wenn auch bei kleineren Wehwehchen direkt die chemische Keule ausgepackt wird. Einer Eurobarometer-Studie zufolge gaben in Luxemburg nur 23 Prozent der Befragten zu, dass sie die Nebenwirkungen eines Antibiotika-Missbrauchs kennen. Der EU-Durchschnitt liegt bei 20 Prozent. Stark zurückgegangen sei in Luxemburg jedoch der Antibiotika-Konsum bei Kindern zwischen 0 und 4 Jahren.

Das luxemburgische Gesundheitsministerium warnt regelmäßig vor der „nichtgerechtfertigten“ Einnahme von Antibiotika. Diese Medikamente sollen nur bei bakteriellen Infekten verschrieben werden. Bei Schnupfen, Bronchitis, Mittelohrentzündung, Sinusitis, Grippe usw. seien sie absolut unnötig, betonte ein von tageblatt.lu angesprochener Arzt.

Kontrolle

Bei der Verordnung sei eine genaue Nutzen-Risiko-Abwägung notwendig. Leider hätten bis jetzt viele Mediziner dem Druck der Patienten nachgeben und Antibiotika verschrieben, auch wenn es nicht absolut notwendig war. Das würde sich aber nach und nach ändern, unterstreichen luxemburgische wie auch saarländische Ärzte.

Ein Arzt, der jedoch nicht genannt werden wollte, sagte, man könne den Mißbrauch bei Antibiotika ohnehin nicht ganz ganz ausrotten. Wenn sie den Leuten die Medikamente nicht verschreiben, würden sie sich ihr „Heilmittel“ durch das Internet beschaffen. Und das sei viel gefährlicher.