Ausgrabungen gammeln vor sich hin

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Bulgarien lässt archäologische Schätze aus der Antike verkommen. Steinwände aus dem römischen Serdika stecken in Wasser und Schlamm. Aus Serdika hatte Konstantin der Große zeitweise regiert.

Ein trauriger Anblick: Auf den Überresten einer altrömischen Siedlung im heutigen Bulgarien wachsen üppig Unkraut und Gras. Zwischen den bereits ausgegrabenen Ruinen antiker Bäder und Häuser einstiger Reicher sind kleine Seen entstanden. In diesem regenreichen Sommer hat sich keine Behörde ums Abpumpen von Wasser und Schlamm gekümmert. Es ist weit und breit kein Archäologe in Sicht. „Ein Öko-Reservat“, scherzen vorbeigehende Teenager.

Dabei handelt es sich nicht um eine entlegene archäologische Fundstätte, etwa in den östlichen Rhodopen. Vielmehr liegt die frühere römische Stadt Serdika im Zentrum der bulgarischen Hauptstadt Sofia. „Serdika ist mein Rom“ soll der römische Kaiser Konstantin der Große, der von 306 bis 337 regierte, über seine Lieblingsstadt gesagt haben. Der Kaiser verließ Serdika erst, als er sich für das nach ihm benannte Konstantinopel als Hauptstadt des Oströmischen Reiches entschieden hatte.

Reiches antikes Erbe

Das ärmste EU-Land Bulgarien besitzt ein reiches antikes Erbe: Römische Villen und Amphitheater, thrakische Grabstätten, die noch ältere Felsenstadt Perperikon. In Europa hätten nur Italien und Griechenland mehr antike Sehenswürdigkeiten zu bieten, sind sich alle bulgarischen Experten sicher. In Bulgarien wird das wertvolle Erbe allerdings vernachlässigt, wie jetzt Serdika. Streit, Geldmangel und gut organisierte Grabräuber behindern die Arbeit der Archäologen in diesem Balkanland.

Der miserable Zustand der ungeschützten Funde ganz in der Nähe der zentralen U-Bahnstation „Serdika“ in Sofia empörte im August auch Laien. Die Misere wurde durch zwei gescheiterte staatliche Ausschreibungen zur Konservierung der Ausgrabungen nur noch verlängert. Auch die dritte Ausschreibung werde vor Gericht angefochten, erläutert Kulturminister Martin Iwanow. Niemand fühlt sich daher zuständig. Für eine Übergangslösung fehlt das Geld.

Antike Bauten wurden in U-Bahn integriert

Ebenso wie in anderen südeuropäischen Metropolen waren auch in Sofia beim Bau der U-Bahn von 2010 bis 2012 Überreste aus der Römerzeit ans Licht gekommen. Viele sehenswerte Teile dieser antiken Bauten wurden in die „Serdika“-U-Bahnstation integriert. Dort standen einst römische Luxus-Villen mit Kanalisation und Wasserleitung entlang gepflasterter Straßen.

Doch ein Teil der Entdeckungen ist außerhalb der Station geblieben. Sollte nicht doch noch ein kleines Wunder geschehen, wären diese Ausgrabungen bereits den dritten Winter in Folge Wind und Wetter ausgesetzt. „Es besteht ein echtes Risiko, dass wir in diesem Winter einen Großteil dieser archäologischen Funde verlieren“, warnt Vize-Bürgermeister Todor Tschobanow, seines Zeichens Archäologe.

Die vernachlässigten Funde gehören zum Großprojekt «Antiker Komplex Serdika» der Stadt Sofia. Die Steuerzahler haben dafür schon umgerechnet rund drei Millionen Euro lockergemacht. Das Vorhaben wurde daneben mit acht Millionen Euro aus der EU unterstützt. Dieses Projekt soll auch helfen, dass die Stadt mit ihren etwa 1,5 Millionen Einwohnern in fünf Jahren europäische Kulturhauptstadt werden kann.