Was ist los bei der Dexia BIL?

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Zwei Drittel des Sparprogramms zur Dexia-Sanierung sind abgearbeitet. 240 Millionen stehen im Konzern noch aus. Fragen danach bleiben unbeantwortet. Der Sommer wird bei Dexia zu einer Hängepartie. Äußerungen des Dexia-BIL-Chefs sorgen für Spekulationen.

Helmut Wyrwich

Hat der Vorstandsvorsitzende der Dexia BIL, Frank Wagener, seine Mitarbeiter darauf vorbereitet, dass es im Herbst zu einer weiteren Runde des Arbeitsplatz-Abbaus bei Dexia BIL kommt? In einem ganzseitigen Interview mit dem Luxemburger Wort gab es zwei bemerkenswerte Aussagen, die kaum anders zu verstehen sind.

Nach der Bedeutung der Index-Tranche für die BIL fragte das Wort den BIL-Chef. Der antwortete darauf, dass die Index-Tranche auf sein Unternehmen so wirken würde, als ob er auf einen Schlag 100 neue Mitarbeiter eingestellt hätte.

Die nächste Frage lautete, was der Dexia-Vorstandsvorsitzende in Brüssel, Pierre Mariani, wohl dazu sagen würde. Der würde verlangen, dass man an anderer Stelle einsparen müsse, antwortete Frank Wagener.

Nun hatte Wagener vor der Finanzkrise bereits begonnen, seine BIL zu straffen. Wesentliche Komponente darin war der Abbau von gut 100 Arbeitsplätzen, ohne dass jemand – nach Aussage der Bank – arbeitslos geworden wäre.

Die Bedeutung der belgischen Aktionäre

Wer das Unternehmen in Richtung andere Banken oder Fonds verließ, der wurde nicht ersetzt, genauso wie das Ausscheiden in Richtung Rente zu einer Streichung des Arbeitsplatzes führte. Als die Dexia-Gruppe ins Straucheln geriet und gerettet werden musste, war die BIL im Prinzip fit.

Die Anforderungen zur Sanierung, die der Vorstandsvorsitzende Pierre Mariani dennoch an die BIL richtete, waren in Luxemburg bereits weitgehend erfüllt, waren teilweise aber auch als ungerecht empfunden worden, weil die BIL im Gegensatz zur Mutter eben bei guter Gesundheit war und satte schwarze Zahlen schrieb.Das meint die Dexia BIL
Die Dexia BIL, der der Artikel mit der Bitte um eine Stellungnahme vorgelegt wurde, reagiert wie folgt darauf: „Das Interview im Luxemburger Wort wurde im Rahmen der bevorstehenden Indextranche geführt und zeigt, am Beispiel von Dexia, die verhängnisvollen Auswirkungen, die eine solche Kostensteigerung auf die Effizienz eines jeden Unternehmens hat, das im Großherzogtum Luxemburgaktiv ist.

Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen muss gefördert und darf nicht durch veraltete Automatismen zerstört werden.
Die Maßnahmen für die Kostenreduzierung der Dexia-Gruppe in Höhe von 240 Millionen Euro werden derzeit noch untersucht.

Details zum Sparprogramm werden voraussichtlich im September in den einzelnen Ländern bekannt gegeben.“ 

Nimmt man die Aussagen Frank Wageners im besagten Wort-Interview, dann darf man den Eindruck bekommen, dass hier die Index-Tranche des 1. Juli die Anstrengungen der vergangenen Jahre aufhob. Erstaunlicherweise meldete sich die Dexia BIL zum Thema Index, wo man hätte erwarten dürfen, dass sich, wenn überhaupt, der Branchenverband ABBL auf einer globalen Ebene äußern würde.

Frank Wagener ist Mitglied des Verwaltungsrates der Verlagsgruppe Saint-Paul. Die Dexia BIL ist die Hausbank der Verlagsgruppe. Vorstellbar ist, dass hier seitens der Bank der Wunsch nach einem Interview an das Luxemburger Wort gerichtet wurde. In der Vergangenheit war dies zumindest bei anderen Gelegenheiten mit anderen wirtschaftlich Handelnden in Luxemburg durchaus der Fall.

Würde die BIL aber den Wunsch geäußert haben, sich zu diesem Thema zu diesem Zeitpunkt zu äußern, und dann noch in dem dargestellten Sinne, dann lauten die Fragen: Warum? Was steckt dahinter?

Möglicherweise muss man in eine andere Richtung denken. Die Dexia-Gruppe hatte in Luxemburg in den vergangenen Jahren Schaden angerichtet. Der erste Vorstandsvorsitzende Pierre Richard wollte in Gutsherren-Art die Fusion der Dexia mit der italienischen Bank San Paolo IMI durchsetzen. Er stolperte am Widerstand belgischer Aktionäre.

Sein Nachfolger, Axel Miller, baute die Bank um, degradierte den damaligen Chef der BIL, Marc Hoffmann, zum einfachen Bankchef in Luxemburg und nahm in Kauf, dass der die Gruppe verließ. Axel Miller verkaufte der Welt eine Dexia, der es so gut ging, dass sie vor Kraft kaum laufen konnte.

Zusammenbruch im September 2008

Im September 2008 brach sie zusammen, benötigte Hunderte von Milliarden Euro Staatsgarantien, um zu überleben. Axel Miller verließ die Bank, Pierre Mariani aus der Umgebung des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy kam, hatte einen glatten Fehlstart in der Öffentlichkeit, gewann in der Bank aber nach und nach Vertrauen, weil er tatsächlich das tat, was er ankündigte, ein umfangreiches Sanierungsprogramm auflegte und die Bank nach und nach wieder in ruhiges Fahrwasser führte.

Mariani, der in zwölfjähriger Tätigkeit bei der BNP Paribas deren System der vorsichtig nacheinander zu gehenden Schritte verinnerlicht hatte, verkündete zwar insgesamt einen Plan, danach aber immer nur den nächsten, übersehbaren Schritt. Und hatte damit Erfolg.

Interessanterweise gab es in Europa den bisher einzigen Prozess gegen einen Bankchef in Deutschland. Der ehemalige Chef der IKB wurde zu zehn Monaten Gefängnis auf Bewährung und einer Geldstrafe von 100.000 Euro wegen falscher Finanz-Informationen verurteilt. Ob es in Belgien jemals Untersuchungen gegen den Ex-Chef der Dexia, Axel Miller, gegeben hat, ist unbekannt.

Gerüchte über Luxemburg

Luxemburg hatte die Sanierung der Gruppe immer nur Unruhe gebracht. Arbeitsplatzabbau und dauerhafte Gerüchte, dass im Rahmen der Sanierungsverhandlungen mit der EU-Kommission die Dexia BIL sogar verkauft werden könnte, ließen die Bank nicht zur Ruhe kommen.

Im Juni konnte Mariani dann verkünden, dass man von Ende des Monats an ohne Staatsgarantien auskommen würde. Statt eines Aufatme
ns gab es neue Unruhe. Belgische Medien berichteten, dass die Dexia ein zusätzliches Sparprogramm von 240 Millionen Euro auflegen werde.

Tatsächlich aber handelte es sich nur um den Rest des Mariani-Sanierungsprogramms, von dem 360 Millionen bereits abgearbeitet waren. Anstatt nun aber klar zu sagen, in welchen Bereichen die restlichen 240 Millionen eingespart werden sollten, redete Mariani um den heißen Brei herum.

Ein Teil davon werde sich automatisch aus den Effekten der bereits erzielten 360 Millionen realisieren, sagte er in einer Videokonferenz mit dem Tageblatt. Die anderen Teile ließ er offen und verwies auf September, brachte seine Bank und die Sozialpartner in eine dreimonatige, sommerliche Hängepartie, die alles andere als beruhigend ist. Fragen nach Luxemburg blieben ohne Antwort.

Und nun das Interview von Frank Wagener im Luxemburger Wort. Wird hier angedeutet, dass im Herbst eine Verringerung der Belegschaft erfolgen wird? Wird hier möglicherweise die Luxemburger Index-Tranche als Vorwand dafür genommen, dass im Herbst im Rahmen der letzten Sanierungstranche ein neues Sparprogramm anläuft?

Der Hinweis darauf, dass Pierre Mariani von ihm verlangen würde, dass er die Kosten der Index-Tranche an anderer Stelle einsparen müsse, ist unmissverständlich.

Die großen Linien der Sanierung

Dieser Hinweis ließe unter diesen Umständen aber auch erkennen, dass innerhalb der Dexia-Gruppe die großen Linien zur Abarbeitung der letzten Sanierungstranche in Höhe von 240 Millionen bereits festgezurrt sind und nun auf die Luxemburger Index-Tranche abgeschoben werden.

Andererseits wäre die Einsparung der Kosten der Index-Tranche in Luxemburg eine für die Gruppe inkonsequente Forderung. Mariani führt die Dexia aus Brüssel. Belgien und Luxemburg sind noch die beiden einzigen Länder in Europa mit einem Index. Und dort soll Mariani eine Index-Tranche in Höhe von vier Prozent verkraftet haben.

Die Index-Tranche ist andererseits schon ein Problem für die Banken. Sie produzieren keine anfassbare Ware, bei der sie die Index-Tranche real oder theoretisch rechnerisch auf die Stückpreise umlegen können. Bank ist Dienstleistung.

Luxemburg ist ein ausgereizter Markt, auf dem um jeden Kunden und um jeden Cent gekämpft wird. Das ist in Belgien nicht anders. Und in beiden Ländern stößt Dexia auf denselben Konkurrenten: BNP Paribas, die den Mitbewerbern im Markt keine Geschenke macht.

Die Logik des Bankchefs

In der Logik eines Bankchefs sind die Kosten für eine Index-Tranche daher kaum wieder hereinzuholen. Andererseits ist die Index-Tranche nachträglicher Ausgleich für Inflation, also Ausgleich für Kaufkraftverlust der Mitarbeiter, also nicht unbedingt als nachträglicher Kostenschub zu verstehen. Und sie gilt nicht nur für die Dexia BIL, sondern auch für die Konkurrenten im Markt.

Wie auch immer: Der BIL-Chef hat in seinem Interview mehr Fragen zu seiner Bank aufgeworfen als er Antworten gegeben hat. Angesichts dieser Aussagen wäre es wohl eine Überraschung, wenn es im Herbst im Zusammenhang mit der letzten Sanierungstranche der Gruppe nicht zu weiteren Einschnitten in Luxemburg käme. Anders ist das Wort-Interview von BIL-Chef Frank Wagener kaum zu verstehen. Die Index-Tranche 2010 war nur ein willkommener Vorwand.