Vom Drogeriekönig zum Angeklagten

Vom Drogeriekönig zum Angeklagten
(Reuters/Fabrizio Bensch)

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2006 rühmte sich Anton Schlecker noch, "Alleininhaber des größten Drogeriemarktunternehmens der Welt" zu sein. Zehn Jahre später könnte er ins Gefängnis kommen.

Fragen nach dem Geld waren Meike Schlecker damals genauso unangenehm wie das Blitzlichtgewitter der Kameras. „Es ist nichts mehr da“, sagte die Tochter des einstigen Drogeriekönigs 2012 bei der Pressekonferenz in Ehingen mit nervöser, stockender Stimme. Schlecker war pleite, das Lebenswerk ihres Vaters Anton zerstört. Meike Schlecker gab sich Mühe, die desolate Finanzlage der Schleckers zu schildern. Ihre Familie habe kein Geld beiseitegeschafft. „Das Vermögen meines Vaters war stets das Unternehmen.“

Der Konzern Schlecker ist Geschichte. Zehntausende verloren ihren Arbeitsplatz. Und das Vermögen? Vier Jahre nach der Pleite klagt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft den Ex-Drogeriekönig und seine Familie an. Sie ermittelte jahrelang. Es geht um teure Geschenke, um illegale Ausschüttungen, Überweisungen für nie geleistete Beratungen, es geht um jede Menge Geld, das der 71 Jahre alte Firmenpatriarch vor der Pleite an Frau und Kinder übertragen haben soll, um es vor den Gläubigern zu retten. „Insgesamt ein zweistelliger Millionenbetrag“, sagt Staatsanwalt Jan Holzner.

Inbegriff des Raubtier-Kapitalisten

Die Schlecker-Story samt Aufstieg und Fall des Patriarchen ist so dramatisch, sie wurde bereits mehrfach verfilmt. Der Metzgermeister aus Ulm expandierte endlos in ganz Europa, bis er sein Imperium gegen die Wand fuhr. Ende Juni 2012 klingelten die Schlecker-Kassen ein letztes Mal. Zehntausende Mitarbeiter verloren mit der Insolvenz ihren Job. Das Inventar wurde verscherbelt, der Firmengründer avancierte zum Inbegriff des Raubtier-Kapitalisten.

Schlecker galt immer schon als geizig, er zahlte Billiglöhne, handelte nach der Entführung seiner Kinder 1987 die Lösegeld-Forderung herunter. Gleich nach der Pleite werden erste Vorwürfe gegen ihn laut. Er soll vor der Insolvenz sein Privathaus im Wert von zwei Millionen Euro an seine Frau und ein Grundstück an seinen Sohn übertragen haben. Nach einem Streit um übertragenes Vermögen zahlte die Familie dem Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz gut ein Jahr nach der Pleite 10,1 Millionen Euro.

Und selten ist die Fallhöhe so enorm

Nun setzt sich das Drama fort. Und selten ist die Fallhöhe so enorm: 2006 rühmte sich Schlecker noch „Alleininhaber des größten Drogeriemarktunternehmens der Welt“ zu sein. Das „Manager Magazin“ listete das öffentlichkeitsscheue Familienoberhaupt als Milliardär. Nun könnte er ins Gefängnis kommen. Auf Bankrott in besonders schweren Fällen stehen bis zu zehn Jahre Haft. Vor einem Prozess muss aber das Landgericht Stuttgart die Anklage zulassen. Das wird nun geprüft – und kann sich bis ins kommende Jahr hinziehen.

Achim Neumann hat die Anklage sehnlichst erwartet. „Ich hoffe, und ich denke mit mir auch 27.000 Beschäftigte, dass die Familie jetzt endlich zur Verantwortung gezogen wird“, sagt Neumann. Er betreute den Konzern über viele Jahre für die Gewerkschaft Verdi. „Bis zum bitteren Ende“, sagt Neumann. Die Anklage sei eine Form der Genugtuung für die Beschäftigten. Viele hätten nicht nur ihren Arbeitsplatz verloren: Neumann spricht von „Massenarmut“ nach der Schlecker-Pleite. Er glaubt an die Vorwürfe der Ermittler. „Das war damals ’ne glatte Lüge, die hatten noch Privatvermögen“, schimpft er.

Gefängnisstrafe nicht unwahrscheinlich

„Eine Anklage wegen Bankrotts gehört in den höheren Etagen der deutschen Wirtschaft zur großen Ausnahme,“ sagt der Frankfurter Juraprofessor Matthias Jahn. Anton Schlecker regierte sein Reich als „eingetragener Kaufmann“ (e.K.). Dank dieser Rechtsform konnte er viel Geheimniskrämerei um sein Drogerieimperium betreiben. Das fiel ihm am Ende auf die Füße: Schlecker haftete mit seinem kompletten Privatvermögen für alle Schulden. „Man kann so einen Laden nicht führen wie einen Metzgerladen, weil die Folgen immer die Gesellschaft treffen“, sagt Gewerkschafter Neumann. „Der Unternehmer rauscht nur in die private Insolvenz rein.“

Jurist Jahn hält im Falle eines Verfahrens eine Gefängnisstrafe für nicht unwahrscheinlich, vor allem wegen der wirtschaftlichen Dimension des Falls. Die sei deutlich größer ist als bei üblichen Bankrott-Verfahren, sagt er. „Die Routine der Justiz, mit Geldstrafen zu reagieren, drängt sich auf der bisherigen Beurteilungsgrundlage des angeklagten Sachverhalts nicht auf.“

Doch wie viel Geld war am Ende noch da? Und wo floss es hin? Gut möglich, dass Meike Schlecker schon bald wieder öffentlich über das Vermögen ihrer Familie sprechen muss – dann aber nicht vor Journalisten, sondern vor dem Richter.