Neue Energie, neuer Lebensraum

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Alain Bernard ist Geschäftsführer der belgischen DEME-Gruppe. Die Spezialität des Konzerns sind Bauvorhaben im und unter Wasser. DEME ist zudem eines der Unternehmen, die viele Schiffe unter Luxemburger Flagge registriert haben.

Tagblatt: Können Sie uns die DEME-Gruppe kurz beschreiben?

In Luxemburg registrierte Schiffe bauen eine Windfarm in Belgien. (Foto: Deme)

Alain Bernard: „Noch bis vor 30 Jahren haben wir uns praktisch exklusiv mit Baggerarbeiten beschäftigt (Red.: beispielsweise Flüsse oder Häfen vertiefen, damit sie von größeren Schiffen befahren werden können). Damals waren wir immer als Subunternehmer an größeren Projekten beteiligt.“

Und heute?

A.B.: „Heute sind wir ein viel diversifizierteres Unternehmen. Alle Aufgaben rund um Baggern an sich. Da gehört beispielsweise der Schutz von Pipelines im Meer oder das Saubermachen von verseuchtem Land dazu. Heute sind wir nicht mehr als Subunternehmer bei Projekten tätig – wir leiten die Projekte.
In einer dritten Phase wollen wir zum Anbieter von Komplettlösungen werden – das schließt die Unterstützung beim Aufbau der Finanzierungsstruktur des Projektes, oder was spätere Unterhaltsarbeiten angeht, mit ein.“

Ein paar Zahlen?

A.B.: „Die Gruppe beschäftigt weltweit etwa 4.400 Mitarbeiter und hat rund 90 Schiffe. Wir sind in 60 Ländern präsent.“

Welches sind die interessantesten Projekte der letzten Zeit?

A.B.: „Mitten im Meer – 120 km vor der Küste von Abu Dhabi – bauen wir derzeit zwei neue Inseln. Die werden dann als eine Art Sammelstelle zur Ölförderung im Persischen Golf genutzt. Dank den neuen Inseln müssen keine Stahlkonstruktionen über den Energiequellen (Red.: Bohrinseln zur Ölförderung) gebaut werden.

Daneben bauen wir in Katar für eine Milliarde Dollar einen neuen Hafen. An der Erweiterung des Panama-Kanals waren wir auch beteiligt. In Australien bauen wir einen auf Flüssiggas spezialisierten Hafen. Um nur einige Projekte zu nennen …“

Was macht DEME in Luxemburg?

A.B.: „Seit 1996 sind wir in Luxemburg vertreten. Fünf unserer Tochterunternehmen sind heute in Luxemburg aktiv. Dazu zählen: ‚Dredging International Luxembourg‘ (Baggerarbeiten), ‚Tideway Luxembourg‘ (Tiefseebaggern), ‚Geo Sea Luxembourg‘ (Offshore-Bauprojekte) und ‚Normalux‘ (Schwimmkräne).“

Wie viele Ihrer Schiffe fahren unter luxemburgischer Flagge?

A.B.: „Momentan fahren 18 unserer Schiffe unter Luxemburger Flagge. In Luxemburg beschäftigen wir rund 70 Mitarbeiter.“

Warum haben Sie eine Luxemburger Niederlassung aufgebaut?

A.B.: „Wir sind in sehr vielen Ländern vertreten. Beispielsweise in den Niederlanden, Frankreich und Italien. Es handelt sich immer um autonome Gesellschaften. Anfangs kamen wir aus rein finanziellen bzw. steuerlichen Gründen nach Luxemburg. Das ist kein Geheimnis, denn alle wissen, dass unsere Personalkosten viel zu hoch sind. Heute sind es aber immer mehr die ‚maritimen Argumente‘, die uns von Luxemburg überzeugen. So investieren wir sehr viel Geld (305 Millionen Euro) in neue Schiffe. Und hier bietet Luxemburg vorteilhafte Strukturen.“

Ihr Konkurrent aus Belgien, Jan de
Nul, hat eine zweite Zentrale für seinen Konzern in Luxemburg aufgebaut. Hegen Sie ähnliche Pläne?

A.B.: „Wir prüfen das. Wir schauen uns den Standort Luxemburg genauestens an. Vieles hängt jedoch davon ab, was Belgien machen wird, um maritime Baggerfirmen zu fördern. Wir wünschen uns, dass noch dieses Jahr klare und eindeutige rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit wir weiter nach den belgischen Vorgaben arbeiten.“

Wie unterscheiden sich DEME und Jan de Nul?

A.B.: „DEME hat zwei Aktionäre (Ackermans & Van Haaren sowie CFE, französische Vinci-Gruppe), denen jeweils die Hälfte des Unternehmens gehört. Jan de Nul hingegen ist ein Familienunternehmen. Der Chef entscheidet alles alleine. Das geht schnell. Ich hingegen brauche die Zustimmung meiner beiden Aktionäre. Solch eine Konstruktion mit zwei gleichberechtigten Aktionären gibt es nur selten. Sie führte aber dazu, dass sich bei uns eine echte Partnerschaftsmentalität entwickelt hat. Wir lieben es, mit Partnern zu arbeiten. So haben wir auch viele unserer Tochterunternehmen gemeinsam mit Partnern aufgebaut.“

Beide Unternehmensgruppen investieren derzeit eifrig. Gibt es denn – in Zeiten der mauen Wirtschaftskonjunktur – überhaupt genügend Aufträge?

A.B.: „In den letzten Jahren haben wir 1,65 Milliarden Euro investiert. Wir haben neue Schiffe für spezielle Aufgaben entwickelt. Auch haben wir in neue Projekte und in Konzessionsverträge investiert. Jan de Nul hingegen investiert vor allem in immer größere Schiffe. Unsere Investitionen sind viel diversifizierter.“

Wie kommt DEME mit der aktuellen Wirtschaftslage zurecht?

A.B.: „Es herrscht Krise. Die Kunden haben weniger Geld. Wir beschäftigen uns mit kleineren Projekten – große, wie die in Dubai, wurden auf Eis gelegt. Das alles hat natürlich Einfluss auf unsere Gewinnmarge. Wir sind aber weiterhin in der Gewinnzone.“

Irgendwie ist es doch erstaunlich: Vier Firmen aus Benelux, die den Weltmarkt unter sich aufteilen …

A.B.: „Neben DEME und Jan de Nul aus Belgien sind auch noch zwei niederländische Firmen in diesem Bereich tätig: Boskalis und Van Oord. Erstere ist börsennotiert; die zweite ist ein Familienunternehmen. Zusammen haben wir einen Jahresumsatz von rund zehn Milliarden Euro. Europa (Belgien und die Niederlande) ist zwar die Nummer eins in dem Bereich, doch gemeinsam decken wir lediglich 50 Prozent des gesamten Weltmarkts ab.“

Wie meinen Sie das?

A.B.: „In Frankreich beispielsweise sind solche Instandhaltungs-Baggerarbeiten verstaatlicht. Das kostet den Steuerzahler zwar ein Vermögen, aber es ist nun mal so.
In den USA ist die Instandhaltung Aufgabe der Armee – also nicht die von Privatunternehmen. So kostet jedes Projekt doppelt so viel. Auch Kanada und China sind für uns schwer zugängliche Länder.“

Nun zum Thornton-Windpark. Warum besichtigen wir gerade diesen Park?

A.B.: „Die Flotte von Luc (Red.: GeoSeas Luxembourg) ist in dem Park aktiv. Sie sind der erste Besucher, der einen fertigen Park sieht. Die offizielle Einweihungsfeier ist für September dieses Jahres vorgesehen.“

Luc Vandenbulcke (*): „Thornton ist ‚die‘ große Baustelle für uns. Insgesamt 1,2 Milliarden Euro wurden investiert – davon wurde für 400 Millionen von DEME gebaut.“

Sie arbeiten aber bereits wieder an einem neuen Offshore-Windpark …

L.V.: „Neben Thornton sind wir noch am Park ‚Northwind‘ beteiligt. Dort arbeiten derzeit 400 Personen.“

A.B.: „Wir arbeiten bereits seit 15 Jahren mit Partnern im Bereich Offshore-Windenergie. Alles musste neu entwickelt werden: Anfangs gab es noch keine Turbinen, und auch die spezialisierten Arbeitsschiffe mussten zuerst entworfen werden. C-Power (Red.: Thornton-Windpark) ist ‚das‘ große Projekt in Belgien. Und es ist alles privat finanziert worden. Der Staat investiert nicht.“

L.V.: „Für C-Power haben wir neue Schiffe entwickelt. Die arbeiten nun an Projekten rund um die Welt. Die Technik wird exportiert. Wir sind die Nummer eins in Europa, was den Bau von Offshore-Windanlagen anbelangt.“

Was ist der Unterschied zu
Deutschland? Warum funktioniert der Netzanschluss bei den belgischen Offshore-Windparks?

L.V.: „Es gibt zwei größere Unterschiede: Erstens liegen die belgischen Windparks deutlich näher (30 bis 35 Kilometer) an der Küste als die deutschen (rund 120 Kilometer).“

A.B.: „Zweitens ist in Belgien der Entwickler des Windparks für den Anschluss zuständig – und nicht der Netzbetreiber. Bei C-Power haben wir unsere Kabel selber verlegt. Die Probleme in Deutschland sind aber mittlerweile so gut wie gelöst. Und wir werden in Zukunft den gleichen Ansatz nutzen: Die Kabel aller Windturbinen auf See in einem Anschluss zusammenfassen und dann an Land führen.“

Wie viele Offshore-Windparks will Belgien denn bauen?

A.B.: „Insgesamt sind sieben Parks in Planung. Alle liegen hintereinander in einer Reihe vor Ostende im Meer.
C-Power auf der Thornton-Sandbank ist fertig. Der Park hat eine Kapazität von 325 MW. An den Parks Belwind und Northwind wird gearbeitet. Belgien hat sich zu einem europäischen Champion im Bereich Offshore-Windkraft entwickelt. Ein ganzes Netz von Unternehmen ist entstanden. Heute können wir alles selber machen – nur die Turbinen müssen wir kaufen. Die Finanzierung machen wir mit der Hilfe Luxemburgs: C-Power beispielsweise wurde von der Europäischen Investitionsbank mit 400 Millionen Euro kofinanziert.“

Sind Offshore-Windparks ein solides Geschäftsmodell? Lohnt sich die ganze Arbeit?

A.B.: „Die Produktion von Strom in einem alten Kohlekraftwerk, einem alten Atomkraftwerk oder einem alten Gaskraftwerk ist natürlich billiger. Die Produktion von Strom in einem neuen Atomkraftwerk hingegen ist heute bereits teurer als Windkraft. Wir sind aber nach wie vor teurer als moderne Kohle- oder Gaswerke.“

Das klingt nicht sehr rentabel …

A.B.: „Wir machen konstant Fortschritte. So können wir heute beispielsweise bereits im Winter an Offshore-Windfarmen arbeiten. Ich bin überzeugt, dass die Windenergie bis 2020 noch rund 20 Prozent – und bis 2030 noch einmal rund 30 Prozent – günstiger werden wird. In fünf Jahren werden wir absolut wettbewerbsfähig sein. Davon bin ich überzeugt. Und die Windenergie hat noch einen Vorteil: Der Preis bleibt stabil – auch wenn weltweit Krise herrscht.“

Wie viele Jahre braucht eine Offshore-Windfarm, um rentabel zu arbeiten? Wie lange hält so eine Konstruktion?

A.B.: „Wir haben die Genehmigung, den Park 20 Jahre lang zu betreiben. Somit ist der gesamte Business-Plan auf eine Zeitspanne von 20 Jahren aufgebaut. Die von uns gebauten Fundamente halten länger. Insgesamt aber haben wir noch wenig Wissen über die Haltbarkeit. Es ist alles noch sehr neu. Finanziert wird mit Risiko-Kapital.“

Handelt es sich um „unlauteren Wettbewerb“, wenn von den Betreibern von Atomanlagen nicht einmal eine echte Versicherung gegen die Risiken gefordert wird?

A.B.: „… von den Betreibern eines Offshore-Windparks wird verlangt, ein Budget anzulegen, mit dem der gesamte Park (bis einen Meter unter dem Meeresboden) wieder rückgebaut werden kann. Ich bin nicht gegen Atomenergie. Ich hoffe aber, dass wir sie in Zukunft nicht mehr brauchen. Ich glaube fest an die Zukunft erneuerbarer Energieformen … auch an die Zukunft der ‚Wellenenergie‘. Die großen Konzerne glauben daran – und so wird es auch kommen. Wir spezialisieren uns auf den Bau der Fundamente.“

DEME arbeitet auch daran, Energie aus Wellen und Strömung zu gewinnen …

A.B.: „Der Vorteil dieser Energie liegt auf der Hand: Egal, ob man nun die Strömung im Wasser oder die Unterschiede zwischen Ebbe und Flut nutzt – die Produktionsmenge ist vorhersehbar. Wir haben bereits Konzessionen, um diese neuen Produktionsform in Belgien und Großbritannien einzusetzen. Aber hier muss zuerst noch viel Entwicklungsarbeit geleistet werden. Vor allem der Unterhalt (Red.: der Windturbinen unter Wasser) ist schwierig. Wir befinden uns hier im gleichen Stadium wie bei der Windenergie vor 15 Jahren.“

Die Produktion von Windfarmen ist nicht vorhersehbar?

A.B.: „Windfarmen liefern immer nur einen Teil ihrer möglichen Produktionskapazität. Es hängt immer davon ab, wie viel Wind weht. Im Schnitt liefert ein Park mit einer Kapazität von 300 MW rund 150 MW. Bei Windfarmen an Land ist es noch weniger, nur rund ein Drittel der installierten Kapazität.“

Was haben Sie noch an Plänen für die Zukunft?

A.B.: „Wir haben noch drei Offshore-Windparks in Belgien und einen in Polen aufzubauen. Daneben investieren wir in Schiffe, die sich auf Rohstoff-Abbau im Meer konzentrieren werden. Dabei denken wir vor allem an seltene Mineralien auf dem Grund der Ozeane.“

* Luc Vandenbulcke ist CEO der DEME-Tochtergesellschaft GeoSea