Eine erste Bilanz

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Bereits vor ihrem Start hat die EZB-Geldschwemme für viel Aufregung gesorgt. Yves Nosbusch, Chefvolkswirt der BGL BNP Paribas, zieht eine erste Bilanz.

Bis 2016 will die EZB mindestens 1,14 Billionen Euro in den Markt pumpen. „Das sind etwas mehr als zehn Prozent von Europas Wirtschaftsleistung“, unterstrich Yves Nosbusch am Dienstag vor Journalisten.

„Quantitative Easing“

Die EZB und die nationalen Notenbanken der Eurozone haben am 9. März mit der großen Geldschwemme gestartet. Sie wollen bis September 2016 Wertpapiere im Gesamtumfang von rund 1,14 Billionen Euro erwerben. Pro Monat sieht die EZB Käufe in einem Volumen von rund 60 Milliarden Euro vor.

In den ersten sechs Wochen des sogenannten „Quantitative Easing (QE)“-Programms haben Europas Währungshüter für insgesamt 73,29 Milliarden Euro öffentliche Schuldtitel erworben, wie die EZB am Montag mitteilte. In dieser Summe enthalten sind Staatsanleihen, aber auch Pfandbriefe und Hypothekenpapiere.

Die EZB folgt somit, seit etwas mehr als einem Monat, dem Beispiel der Zentralbanken aus Japan, Großbritannien und den USA. Die Notenbanken dieser drei Länder kaufen bereits seit einigen Jahren Staatsanleihen ihrer Länder. Das Resultat: Heute hält Japans Notenbank 55,6 Prozent aller japanischen Staatsanleihen, die Fed 24,4 Prozent aller US-Staatsanleihen und die Bank of England 20,9 Prozent aller britischen Staatsanleihen.

Zehn Prozent von Europas Staatsanleihen

Europas Zentralbank hielt bisher nur wenig Staatsanleihen in ihrer Bilanz. Staatsfinanzierung darf sie nämlich nicht betreiben. Im Rahmen eines früheren Programmes zur Stützung der Peripherie-Länder hat sie aber bereits Anleihen einiger Staaten erworben, so dass sie zum Ende des Jahres 2014 rund 1,4 Prozent aller europäischen Schuldscheine hielt. Dieser Prozentsatz soll nun – mit dem QE-Programm – rasch ansteigen, auf über zehn Prozent aller europäischer Staatsanleihen, schätzt Nosbusch.

Der BGL-Chefvolkswirt erkennt bereits die ersten positiven Wirkungen des QE-Programms: Wegen des großen Angebots an Geld – oder anders ausgedrückt der steigenden Nachfrage nach Staatsanleihen – ist die Zinslast, die Staaten für ihre Schulden zahlen müssen, deutlich gesunken. „Der Rückgang war ziemlich spektakulär“, so Nosbusch. Staatsanleihen aus Ländern wie Deutschland oder Frankreich bieten heute negative Zinsen – d.h. die Investoren müssen praktisch Zinsen zahlen, um die Papiere dieser Staaten kaufen zu dürfen. „Bei den meisten anderen Ländern der Eurozone liegt der angebotene Zinssatz derzeit nahe bei null“, so Nosbusch weiter. „Das Zinsniveau ist historisch niedrig.“ Mittels QE hilft die EZB den Staaten des Wirtschaftsraum also, um ihre Schuldenlast tragbarer zu machen. Auch bei Unternehmensanleihen machen sich die Effekte bemerkbar. Quer durch die Eurozone sinken die Kreditkosten. Zusätzlich sind die Inflations-Erwartungen im Währungsraum wieder am Steigen.

Seit Dezember ist die Inflationsrate negativ. Für das Jahr 2014 rechnet die BGL mit einer Quote von null Prozent – im Jahr darauf sollen es dann wieder rund 1,5 Prozent sein. Das offizielle Ziel der EZB liegt bei knapp zwei Prozent.

Die derzeit negative Inflationsrate solle man aber „nicht überbewerten“, unterstreicht Nosbusch. Es handle sich um eine Übergangszeit. Irgendwann werde der Ölpreis wieder steigen, „und dann wird sich das von selbst wieder regeln“.

Erste ermutigende Anzeichen

Die Geldschwemme hat zudem bereits indirekte Effekte erzielt, so Nosbusch weiter. Die Gemeinschaftswährung Euro hat deutlich an Wert verloren (was Europas Exporte wettbewerbsfähiger macht), und die Kurse an den Aktienmärkten haben in den letzten Monaten überaus stark zugelegt (Investoren kaufen lieber Aktien, da die angebotenen Zinssätze auf Anleihen schrumpfen).

Das alles müsse helfen, das Wachstum in der Eurozone wieder anzukurbeln. „Die Bedingungen zum Investieren sind gut.“ Auch gebe es bereits „erste Anzeichen“, dass auch die Kreditvergabe an Unternehmen wieder zulege.

Selbst im Bereich der Beschäftigung gebe es bereits erste zaghafte Anzeichen einer Besserung, auch wenn die Arbeitslosigkeit immer noch zu hoch sei.

Unter dem Strich „sieht die Lage in der Eurozone heute viel besser aus als noch vor sechs Monaten“, schlussfolgert Nosbusch. Das sei jedoch nicht allein auf die Geldschwemme zurückzuführen. Europa profitiere derzeit von einem dreifachen positiven Schock (günstige Zinsen, billiger Euro und niedriger Ölpreis), so der Chefvolkswirt.

Trotz all dem Optimismus warnt Nosbusch, dass man den „Sieg nicht zu früh ausrufen sollte.“ Die Anzeichen seien aber eher ermutigend. „Wenn wir nicht heute investieren, wann denn?“

Grenzen erreicht

Die Grenzen der Geldpolitik sind mittlerweile erreicht, ist Yves Nosbusch überzeugt. Man könne nun nicht noch mehr von ihr fordern. „Die Geldpolitik hat nun alles getan, was sie tun kann.“ Es sei wichtig, nun auch strukturelle Reformen anzugehen. Immerhin habe Europa in den letzten Jahren (verglichen mit den USA) deutlich an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt.

Über die Risiken der Geldschwemme sagte Yves Nosbusch nur wenig. Zur Frage, ob nun neue Finanzblasen an den Märkten entstehen, sagte er, dass es „noch keine Anzeichen gibt“. Das müsse man aber überwachen.

„Es gibt Risiken, aber man soll sie nicht überbewerten“, so der Chefvolkswirt weiter. Die potenziellen Gefahren durch eine potentielle Deflation seien schwerwiegender.

Auch die Frage nach dem Ende der Geldschwemme wurde am Dienstag noch nicht beantwortet. „Wir wissen noch nicht, wie das gehen soll“, so Nosbusch. Theoretisch könne der Ausstieg ganz mechanisch vonstatten gehen, wenn die Zentralbank einfach mit Kaufen aufhöre, ist er überzeugt. Wenn der Moment gekommen sei, dann könne man „vielleicht auch auf die Erfahrungen aus den USA zurückgreifen“. Möglicherweise werden dort zum Jahresende die Leitzinsen wieder steigen.