Ein Kommunikations-Gigant entsteht

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Nach zweiwöchigen Verhandlungen hat der Verwaltungsrat des französischen Mischkonzerns Vivendi beschlossen, seine Mobilfunksparte gegen den Willen der Regierung an das Unternehmen Numericable zu verkaufen.

Der Wert der Transaktion wird um die 17 Milliarden Euro betragen. Der luxemburgische Fonds Altice verschmilzt die Mobilfunkt Branche SFR mit seiner französischen Tochter Numericable. An dem neu gebildeten Unternehmen wird Vivendi 20 Prozent halten. Vivendi erhält das Recht diese 20 Prozent „später“ zu verkaufen. Altice sichert zu, dass es in den ersten drei Jahren nach der Verschmelzung keine Entlassungen geben wird. Das Personal des neuen Unternehmens soll im Gegenteil im Verkaufsbereich aufgestockt werden, um im Unternehmensbereich größere Marktanteile zu gewinnen.

Der Aufsichtsrat, so heißt es in einer Mitteilung, hat den Verkauf von SFR einstimmig gebilligt. Das ist eine eindeutige Ansage an die Wünsche der französischen Regierung. Die hatte, insbesondere durch Äußerungen des Wirtschaftsministers Arnaud Montebourg darauf gedrängt, dass es zu einer Fusion von SFR mit einem anderen Mobilfunk-Unternehmen in Frankreich kommen sollte. Zweiter Bewerber war Bouygues. Die Mobilfunk-Branche des Bauunternehmens ist auf Dauer nicht große genug, um in der beginnenden europäischen Konsolidation der Mobilfunk Unternehmen überleben zu können.

Fusion mit Bouygues

Die französische Regierung hatte auch auf die Fusion zwischen Bouygues und SFR gedrängt, weil für die französischen Mobilkfunkbetreiber die Margen verfallen waren. Die Konkurrenten Free, Bouygues, Orange, SFR liefern sich in Frankreich einen Preiskampf um die Kunden. Die Margen, so hatten sich die Unternehmen vorgestellt, hätten durch die neue Entwicklung 4G aufgepäppelt werden können. Minister Montebourg war und ist weiter der Meinung, dass man den Anbieter Markt verkleinern muss, um die Preise zu stabilisieren. Eine Politik im Sinne der Unternehmen, aber gegen den Verbraucher. Dabei war die Zahl der Anbieter schon verkleinert worden, weil SFR den Mobilfunkbetreiber Neuf übernommen hatte. Die Absicht der französischen Regierung lag darin, die Zahl der Mobilfunkbetreiber auf drei zu begrenzen.

Der Mobilfunkmarkt in Frankreich war durcheinander geraten, weil der Medien-Industrielle Xavier Niel, einer der drei neuen Besitzer des Verlages Le Monde mit seiner Holding Iliad unter der Marke „Free“ mit aggressiven Preisen in den Markt eingedrungen war und seinen Konkurrenten Marktanteile abgenommen hatte. Iliad verfügte zwar nicht über genügend Antennen, hatte aber Absprachen mit denselben Konkurrenten über eine Frankreichweite Nutzung deren Antennen.

Auf dem Weg zum Medienkonzern

Die Konsolidierung des französischen Marktes war in vollem Gange, als der Mischkonzern Vivendi, der unter dem Namen Générale des Eaux mit Konzessionen zur Wasserversorgung französischer Städte groß geworden war, sich von seiner Mobilfunksparte trennen wollte. Vivendi befindet sich in der Restrukturierung. Das Unternehmen soll ein Medienkonzern werden. Um die Mobilfunksparte bewarb sich Altice mit Numericable, später auch Bouygues. Fast einheitlich wurde SFR mit einem Marktwert von 14 Milliarden Euro berechnet.

Allerdings hatte Bouygues von vornherein ein Handicap. Es war zu vermuten, dass die französische Kartellbehörde einem Zusammenschluss ohne Auflagen nicht zustimmen würde. Die Behörde hatte zuvor in einem anderen Fall eine Konzentration abgelehnt. Minister Montebourg hatte daraufhin laut darüber nachgedacht, die Befugnisse der Kartellbehörde zu beschneiden. Bouygues hatte wegen dieser Befürchtungen vorab angeboten, sein Antennen-Netz an Iliad zu verkaufen. Vivendi andererseits hatte Mitte März beschlossen, in exklusive Verhandlungen mit Numericable zu treten. Altice hatte ein höheres Angebot abgegeben und entsprach mit seinen Vorstellungen mehr den industriellen Vorstellungen von Vivendi, lautete die Begründung.

„Kein Druck aus der Politik“

Der Konzern wies auch alle Versuche aus der Politik, Druck auszuüben, zurück. Vorstandsvorsitzender Jean René Fourtou, der zu einem Gespräch in den Elysée Palast mit dem Generalsekretär des französischen Staatspräsidenten und Minister Montebourg gerufen wurde, erschien nicht zu dem Gespräch.

Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg drohte Numericable mit einer Steuerprüfung und scheute sich auch nicht vor seltsamen Äußerungen. Er sah es als nicht akzeptabel an, dass SFR an eine Gruppe verkauft würde, die ihren Sitz in Luxemburg habe, in Amsterdam an der Börse notiert würde, deren Besitzer in der Schweiz lebe und der schließlich seinen Besitz über eine Beteiligungsgesellschaft in Guernsey verwalte. Als störend empfindet der Minister auch, dass dieses Unternehmen und dieser Unternehmer etwa 99 Prozent des französischen Kabelmarktes besitzen.

Störversuche

Um doch noch zum Ziel zu kommen, hatte Martin Bouygues während der vergangenen drei Wochen die exclusiven Verhandlungen zwischen Vivendi und Altice durch die kontinuierliche Erhöhung des eigenen Angebotes zu stören versucht. Die Folge dieser Störung war offensichtlich, dass Altice seinerseits in den Verhandlungen gezwungen wurde, das eigene Angebot von 14,7 auf 17 Milliarden zu erhöhen.

Vivendi hat einen plausiblen Grund, sich mit Altice einzulassen. Der Kaufpreis wird erst fällig, wenn das Kartellverfahren abgeschlossen ist. Ein Zusammenschluss zweier Mobilfunk-Unternehmen hätte langfristige Prüfungen zur Folge gehabt. Nach dem Beschluss des Europaparlamentes, die Landesgrenzen für den Mobilfunkt aufzuheben und in der gesamten Europäischen Union die Roaming-Gebühren abzuschaffen, musste Vivendi auch damit rechnen, dass die europäische Kommission sich mit einem Kartellverfahren um eine Fusion Bouygues/SFR gekümmert hätte. In diesem, üblicherweise langen Zeitraum, wäre eine Hängepartie für SFR entstanden. Vivendi hätte möglicherweise einen Wertverfall von SFR hinnehmen müssen.

Die Folgen für Frankreich

Die Entscheidung zu Gunsten Altice hat für Frankreich vier Folgen: Die Zahl der Anbieter im Mobilfunk Markt wird nicht reduziert. Numericable/SFR werden einen umfassenden Kommunikationskonzern bilden können. Vivendi wird mit einer Einnahme von 17 Milliarden Euro sich einerseits erheblich entschulden können, andererseits über fast unbegrenzte Mittel zur Gründung seines Medienkonzerns verfügen. Die drei verbleibenden Mobilfunk-Unternehmen aber müssen sehen, wie sie sich konsolidieren. Eine Fusion von Bouygues und Free erscheint möglich, wenn die Kartellbehörden mitspielen.

Auf die Entscheidung des Europäischen Parlamentes zur Abschaffung der Roaming Gebühren reagierte Orange am vergangenen Freitag bereits mit neuen internationalen Tarifen.

Nur Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg nimmt die Europäisierung und Globalisierung der Wirtschaftswelt nicht zur Kenntnis. Er drohte, dass er die Auswirkungen auf die Arbeitsplätze sehr genau prüfen werde. Von Altice Besitzer Patrick Drahi forderte er, dass die Aufträge in Höhe von zwei Milliarden, die Drahi in Frankreich investieren will, patriotisch – sprich an französische Unternehmen – vergeben werden sollten. Und der Generalsekretär der radikalen Gewerkschaft Force Ouvrière befürchtete, dass mit dieser Entwicklung nun eines Tage ein Ausländer ein französisches Mobilfunk Unternehmen kaufen könnte.