/ Der Stahlarbeiter mit dem Besen

Helmut Wyrwich (Text), ArcelorMittal (Fotos)
Die Allee, auf der unser Bus fährt, ist einige Kilometer lang. Sie könnte auch eine der brasilianischen Autobahnen sein. Rechts und links dieser Allee gibt es Stahlfabriken, die an sich nicht sichtbar sind, weil sie von Bäumen und Büschen umgeben sind. Die Gesamtfläche dieses Stahlwerks beträgt 13,5 Millionen Quadratmeter. Nur die Hälfte davon wird genutzt. Der Rest ist Natur mit einem eigenen Tier-Reservat und einer eigenen biologischen Station.
In Tubarão stehen drei Hochöfen mit einer Gesamtkapazität von 7,5 Millionen Tonnen. Der kleinste mit einer Kapazität von 1,2 Millionen Tonnen ist derzeit abgeschaltet. Die beiden anderen arbeiten etwas unterhalb ihrer Kapazität.
Das Stahlwerk stellt Flachstahl her, der für Haushaltsgeräte, Autos oder beispielsweise für Getränkedosen genutzt wird. Derzeit werden etwa 6,5 Millionen Tonnen Flachstahl pro Jahr hergestellt. In Tubarão arbeiten 4.500 Mitarbeiter und noch einmal etwa 3.000 externe Mitarbeiter von Subunternehmern.
Ein eigenesTierreservat
Das Stahlwerk hat bereits ein technisches Problem, das in die Zukunft hineinwirken wird. Es besitzt zwei Kokereien. Hochofen Nummer zwei, derzeit abgeschaltet, arbeitet bereits mit einer Technologie, die sich auch in Europa immer weiter durchsetzt. Hier wird Kohle direkt in den Hochofen eingeblasen. Vergleichbar ist dies mit der Einspritzung von Dieselöl in Dieselmotoren, die auch als CDI oder HDI-Technologie von den Automobil-Herstellern bezeichnet wird. Die Frage ist, ob solche CDI-Hochöfen die Energieversorgungs-Technik so weit verändern, dass man zukünftig den Koks und damit auch die Kokereien zurückfahren oder ganz ersetzen kann.
Die Reise durch Brasilien hat gezeigt, dass aus der Investition des Jahres 1921 ein Konzern geworden ist, der seine eigene Rohstoff-Versorgung konsequent angegangen ist, auf dem Kontinent Südamerika quasi Selbstversorger ist und außerdem noch Rohstoffe in andere Werke – zum Beispiel in Europa – exportiert. Südamerika ist heutzutage Zentrum des Konzerns. Das Stahlwerk Tubarão ist in gewisser Weise der Ort, der alle Einzelheiten in Südamerika nutzt. Hier wird das Eisenerz verarbeitet, das an anderen Stellen extrahiert wird. Hier wird Kohle für die Hochöfen angeliefert. Hier werden Umweltschutz und Sauberkeit so groß geschrieben, dass in der Warmwalzstraße kontinuierlich ein Arbeiter mit einem Besen unterwegs ist, der den Staub auf dem Boden zusammenfegt und entfernt.
6,5 MillionenTonnen Flachstahl
In Tubarão entsteht Halbzeug in Form von Stahlplatten, die bis zu 11,5 Meter lang, bis zu 250 Millimeter dick und zwischen 700 Millimeter und 2.100 Millimeter breit sind. Außerdem werden in der Warmwalzstraße Coils hergestellt. Dazu werden die kalten Platten zunächst wieder auf 1.200 Grad Celsius aufgeheizt und dann je nach Bedarf auf 2,7 bis 0,9 Millimeter heruntergewalzt.
Die ursprünglich 11,5 Meter lange Platte erreicht dabei eine Länge von bis zu zwei Kilometern. Am Ende wird das lange Band aufgerollt und verschifft. Die außerordentliche Dünne des Bandes erhält ihre Bedeutung, wenn man eine Getränkedose in die Hand nimmt. Sie ist so dünn aus einer Platte von 25 Zentimetern Dicke gewalzt worden.
ArcelorMittal verfügt für den Flachstahlbereich, der ohne Zweifel der kleinere in Brasilien ist, im Süden des Landes – Vega – über ein zweites Werk. Es ist im Jahre 2003 aus einer Kooperation von Arbed und Usinor entstanden. Als die Planung für das Werk und die Kooperation begann, trugen beide Unternehmen noch ihre eigenen Namen. Bei der Einweihung des Werkes hießen beide Unternehmen bereits Arcelor.
Südamerika ist Zentrum des Konzerns
Die Ausweitung erfolgt unter dem Namen ArcelorMittal. Die warmgewalzten Stahlbänder aus Vitoria werden auf Küstenmotorschiffe verladen. In Vega werden sie kalt gewalzt und galvanisiert.
Die Frage, ob es wirtschaftlich Sinn macht, eine Flachstahl-Einheit in Vitoria zu haben und die Produkte aus Tubarão auf eine dreitägige Schiffsreise nach Vega in den Süden des Landes zu schicken, beantwortet Benjamin Baptista Filho, Vorstandsvorsitzender des Flachstahlbereiches und Vorstandsvorsitzender ArcelorMittal Südamerika, so: „Wir sind nahe bei der Automobilindustrie und das Werk ist eine Goldgrube.“ Zu den Kunden von ArcelorMittal gehören Fiat, GM, Ford, VW, PSA oder auch Renault. Volkswagen wiederum stellt mit dem Gol, eine abgewandelte Version des Golf, das erfolgreichste Auto Südamerikas her.
„Das Werk ist eine Goldgrube“
„Wir möchten in Vega“, sagt Filho, „die Kapazität von jetzt 1,4 Millionen Tonnen auf zwei Millionen Tonnen ausweiten.“ Der Markt für das Halbzeug, jene Platten, die hinter der Stahlfabrik im Freien liegen und auf ihre Verarbeitung warten, liegt im Ausland. 93 Prozent der Platten werden exportiert: nach Asien (z.B. Korea oder Taiwan), nach Chile oder Peru, sagt Filho.
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