Romanheftchen als Zukunftsmodell

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Der Verlag Bastei Lübbe mit Heftchen-Helden wie Jerry Cotton & Co. wagt den Sprung an die Börse. Mit den Millionen-Einnahmen will der Verlag vor allem sein Geschäft mit selbst produzierten Serien im Internet ausbauen. Auch China ist ein Markt.

Spezial-Agent Jerry Cotton im Einsatz: Von den eisigen Straßenschluchten New Yorks wechselt der Ermittler aufs ungewohnte Finanzparkett. Beim Börsengang des Kölner Verlagshauses Bastei Lübbe spielen Heftchen-Helden wie der FBI-Mann die Hauptrolle: Denn mit den digitalen Erben von Cotton, Lassiter, Bergdoktor & Co will der Börsenneuling in die Zukunft starten. „Wir sind an unsere Ursprünge zurückgekehrt“, beschreibt Vorstandschef Thomas Schierack die Strategie.

Dabei schaffte Bastei Lübbe den Gang an die Börse nur mit Mühe. Die Kölner wurden weniger Aktien los als geplant und mussten diese zu einem geringeren Preis abgeben als gedacht. Insgesamt seien die Papiere zu 7,50 Euro das Stück platziert worden, teilte der Verlag am Donnerstag mit. Ursprünglich wollte Bastei Lübbe 9 bis 11 Euro pro Aktie bekommen. Für 4 Millionen Papiere fanden sich Interessenten, eigentlich sollten 5,3 Millionen Aktien verkauft werden. Entsprechend niedriger fällt der Erlös aus: Statt der angepeilten bis zu 58,3 Millionen Euro erhalten die Kölner 30 Millionen Euro.

Verleger und Mehrheitsaktionär Stefan Lübbe sprach von einem „erfolgreichen Börsengang“. Die Familie will die Mehrheit mit rund 60 Prozent der Anteile behalten. Die Aktie soll erstmals am nächsten Dienstag (8. Oktober) und damit vor Beginn der Frankfurter Buchmesse notiert werden.

Jährlich verkauft der Verlag rund 12 Millionen der Hefte mit den bunten Titelbildern und dem typischen grauen Papier. Neben den Endlos-Serien im Stil des unermüdlichen FBI-Ermittlers mit mittlerweile fast 3000 Folgen hat der Kölner Verlag längst auch Romane internationaler Bestseller-Autoren wie Dan Brown (Inferno) oder Ken Follett (Die Spur der Füchse) sowie Sach- und Kinderbücher im Programm.

Ziel: Den chinesischen Markt erobern

Wenn es um die neue Strategie geht, haben jedoch die Serien-Lieblinge die Nase vorn. „Hauptziele sind eine Internationalisierung und weitere Digitalisierung“, sagt Schierack. Dabei sollen Serien-Helden aus deutscher Produktion auch den chinesischen Markt erobern.

Einen erfolgreichen Start in der chinesischen Hochsprache Mandarin habe etwa die in Berlin spielende Serie „Coffeeshop“ hingelegt. Die ausschließlich digital angebotenen Inhalte sollen die Kunden regelmäßig auf Smartphones oder Tablet-Pcs mitverfolgen können.

Überschaubares Risiko

„So sehen wir die Zukunft“, sagt Schierack. Die Mischung aus Text, Hörbuch, Spielen und Zusatz-Inhalten wie etwa Kochrezepten wird vor dem Angebot in internationalen Märkten von Fachleuten auf ihre „kulturelle Durchsetzbarkeit“ etwa auch in China geprüft, sagt Schierack. Auch der FBI-Mann könne sich nach Fernost aufmachen. „Das Risiko ist überschaubar.“ Auch in weiteren Ländern soll das digitale Serien-Angebot weiter ausgebaut werden.

„Jerry Cotton ist unsere Vergangenheit und ist durchaus geeignet ein Teil der Zukunft zu sein“, sagt Schierack. Bei seinen Präsentationen vor internationalen Finanzinvestoren hat der Bastei Lübbe-Chef auch einen Stapel der schmalen Heftchen im Aktenkoffer. „Wir haben die jetzt immer dabei, in Paris und in Genf, und die bekommen große Augen wenn sie die Romanhefte sehen, weil sie so etwas nicht kennen“, berichtet er.

Nur geringe Kosten

„Keine Druckkosten, keine Lagerung, kein Transport“, so beschreibt Schierack das digitale Geschäftsmodell. Autoren für die selbst produzierten Serien sollen in einer eigenen Akademie ausgebildet werden. Und der Bedarf ist groß: So schreiben allein fünf Autoren gleichzeitig für die Jerry Cotton-Serie.

Und Nutzer sind auch bereit, für das schnelle digitale Lesevergnügen zu bezahlen, ist sich Schierack sicher. „Das ist keine Information, das ist Unterhaltung, die gibt es nicht kostenlos im Netz“, sagt er. Für das gedruckte Buch sieht der Bastei Lübbe-Chef allerdings auch Zukunftschancen: „Das Buch ist immer noch das wichtigste Geschenk“, ist er sich sicher. „Ich glaube nicht, dass das drastisch heruntergeht“.