48 Milliarden in Briefkastenfirmen

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60 Prozent der 100 reichsten Belgier legen Geld über Luxemburg an.

Laut einer Untersuchung der belgischen Tageszeitungen „De Tijd“ und „Le Soir“ haben die 100 reichsten Belgier 48 Milliarden Euro in Luxemburger Briefkastenfirmen geparkt.

„Luxemburg ist das Steuerparadies der Belgier“, werde immer gesagt, schreibt der Soir in seiner Dienstagausgabe. Und das würden die gefundenen Daten bestätigen, so die Zeitung.

Untersucht haben die beiden Medien Daten aus dem Luxemburger Unternehmensregister. Dabei kommen sie zu der Schlussfolgerung, dass Belgien eine „massive“ Präsenz in Luxemburg hat. Immerhin liefere eine Suche nach dem Wort „Belgique“ innerhalb der 1,5 Millionen Dokumente satte 78.000 Ergebnisse, so die Zeitung.

Gleich im ersten Abschnitt auf der Aufschlagseite der Zeitung wird dann jedoch auch ein belgischer Steuerexperte zitiert, der erklärt, dass diese belgische Präsenz in Luxemburg an sich nicht illegal ist. Die Grenzen zwischen legal und illegal seien unklar und Interpretationssache.

60 Belgier haben eine Firma in Luxemburg 

Aus den untersuchten Dokumenten (die rezentesten aus dem Jahr 2016) gehe hervor, dass 60 Prozent der 100 reichsten Belgier wenigstens eine Firma in Luxemburg gegründet hätten, so Le Soir weiter.

Zwei Drittel von ihnen hätten dabei auf Briefkastenfirmen gesetzt, die nichts anderes tun, als Unternehmensbeteiligungen zu halten. Im Normalfall gäbe es weder Personal noch ein Büro. Auch wirtschaftliche Verbindungen zu Luxemburg gäbe es kaum. Verwaltet würden diese Gesellschaften meist von lokalen Finanz-Dienstleistern wie etwa Alter Domus.

Manche würden über ihren Luxemburger Briefkasten gar Beteiligungen an Gesellschaften in Finanzparadiesen wie Panama oder den Britischen Jungferninseln halten, so Le Soir. Somit sei Luxemburg manchmal nur eine Art „Transit-Zone“, um Gelder in Steuerparadiese zu schleusen.

Das erste Unternehmen, das die belgische Zeitung im Artikel dann zitiert, ist die Gesellschaft Jan de Nul. Diese Gruppe ist jedoch mit rund 200 Mitarbeitern in Luxemburg vertreten – und kann somit kaum als Briefkastenfirma gelten. Auch die AB-InBev-Familien kommen in den Dokumenten vor. Doch auch ihr Unternehmen ist – mit Mitarbeitern – in Luxemburg präsent.

Zudem würden diese Briefkastenfirmen kaum Steuern auf den Gesellschaften bezahlen, schreibt die belgische Zeitung weiter. Für Belgien bedeutet das, dass dem Staat mögliche Steuereinnahmen entgehen.

Schweigen in Luxemburg

Luxemburg hingegen profitiere, trotz der niedrigen Besteuerung, da es etwas mehr als 50.000 Finanzierungsgesellschaften (siehe Kasten unten über Soparfis) hierzulande gebe, wird ein Steuerexperte zitiert. Zudem lebe eine ganze Anzahl Finanzdienstleister von Dienstleistungen für diese Gesellschaften. Sie kümmern sich um Versammlungen, Verwaltung und was sonst noch so anfällt.

Der Beobachter aus Luxemburg darf sich jedoch wundern. Immerhin freut man sich hierzulande, wenn Gelder aus dem Ausland über Luxemburg investiert werden. Es ist ja auch ein Geschäftsmodell des Landes, eine gute Positionierung anzubieten, um weltweit effizient investieren zu können. Das Wirtschaftsministerium verschickt Pressemitteilungen, wenn neue Unternehmen ihre Firmenzentralen nach Luxemburg bringen.

Zudem sind Belgien und Luxemburg Nachbarländer, die enge wirtschaftliche Verflechtungen haben – und in einem gemeinsamen wirtschaftlichen Binnenmarkt leben. Dementsprechend ist es normal, dass in Luxemburger Unternehmensregister viele belgische Namen auftauchen.

Offizielle Reaktionen aus Luxemburg sind jedoch Mangelware. Bei der Promotionsagentur des Finanzplatzes LFF hieß es, es sei besser, sich an das Finanzministerium zu wenden. Das Finanzministerium jedoch erklärte: „Derzeit geben wir keinen Kommentar ab.“ Man beobachte die Lage weiter.

Warten auf die nächsten Veröffentlichungen

Das Ministerium will wohl erst sehen, was in den kommenden paar Tagen von den belgischen Zeitungen weiter veröffentlicht werden wird. Le Soir hat im gestrigen Artikel versprochen, dass dieser der Auftakt einer fünfteiligen Serie sei.

Auch von der Gesellschaft Alter Domus, die mehrfach in den vier Seiten des Le Soir erwähnt wird, und deren Sitz sogar als Illustrationsbild des Artikels dient, rief auf eine Tageblatt-Anfrage hin niemand zurück.

So bleiben viele Fragen offen – und das obwohl die nun öffentlich gemachten Geschichten wahrscheinlich legal sind. Immerhin basiert das Gesetz der Soparfi auf einer EU-Direktive.

Jedoch gilt es noch zu bemerken, dass der Stern der Soparfis am Sinken zu sein scheint. Seit 2015 wurden jährlich mehr dieser Finanzierungsgesellschaften aufgelöst als neue gegründet. Einer der Hintergründe sind wohl die fortschreitenden Beps-Diskussionen, die unter anderem mehr Substanz in Unternehmen vorsieht. Die sogenannte Holding 29 wurde bereits vor Jahren abgeschafft.

Der überraschendste Name in den „Luxfiles“ genannten Dokumenten ist der des ehemaligen belgischen Premierministers Yves Leterme. Er war im Verwaltungsrat der Luxemburger „Briefkastenfirma“ Tele Columbus Holdings, die inzwischen geschlossen wurde. Gegenüber Le Soir erklärte er, dass die Luxemburger Struktur als Übergang benutzt wurde, um die in Schwierigkeiten geratene deutsche Firma zu sanieren und an die Börse zu bringen – was dann auch geschah.

Was ist eine Soparfi?

Eine Soparfi („Société de participations financières“) ist keine spezielle Rechtsform, sondern eine gewöhnliche Handelsgesellschaft, die dem Gemeinrecht unterliegt, schreibt Luxembourg for Finance (LFF) auf seiner Webseite.

Die Soparfi kommt nicht in den Genuss besonderer Steuervorteile, sondern ist voll steuerpflichtig.

Sie kann jedoch ihre Steuerlast stark reduzieren, indem sie ihre Geschäftstätigkeit auf das Halten von Beteiligungen beschränkt und diese so strukturiert, dass sie von den steuerlichen Regelungen der Mutter-Tochter-EU-Direktive profitiert, so LFF weiter. Unter bestimmten Voraussetzungen kommt sie in den Genuss einer Steuerbefreiung einerseits der von ihren Tochterunternehmen ausgeschütteten Dividenden und andererseits der bei einem Verkauf von Beteiligungen erzielten Veräußerungsgewinne, so LFF.

Interessantes Vehikel
Hingegen unterliege jede andere Geschäftstätigkeit einer Soparfi der Einkommens- und Mehrwertsteuer.

Eine Soparfi unterliege der gleichen Besteuerung wie alle anderen Handelsgesellschaften und sie profitiere auch von den Vorteilen der von Luxemburg abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen, so LFF weiter. Die Soparfi unterliege keiner spezifischen Reglementierung und keiner Überwachung durch die Bankenaufsicht.

„Aufgrund dieser Eigenschaften ist die Soparfi ein interessantes Vehikel zur Verwaltung von Konzernbeteiligungen“, wirbt LFF für die Struktur. Und genau dies haben die in den Artikeln genannten belgischen Unternehmer wohl auch getan.

Woher kommen die Daten?

Bei ihren Untersuchungen berufen sich die beiden belgischen Tageszeitungen auf Daten aus dem Luxemburger Unternehmensregister. Diese Daten sind im Prinzip übers Internet frei zugänglich. Jedoch ermöglicht die offizielle Webseite keine Suche nach Schüsselwörtern.
Dementsprechend haben die Journalisten aus Belgien die Daten der Webseite auf eine andere Art und Weise untersucht.

Insgesamt hätten sie – dank einer Zusammenarbeit mit Le Monde und Mediapart – Zugang zu insgesamt 1,5 Millionen Dokumenten gehabt. Diese haben sie dann während einigen Monaten nach 10.000 Namen durchsucht.

Die Journalisten schreiben von einem „Leak“ – also jemandem, der Daten weitergeleitet hat. Jedoch setzen sie das Wort „Leak“ jeweils zwischen Anführungszeichen.

Es stellt sich also die Frage, ob es wirklich ein Leak war. Oder vielleicht haben die Journalisten die Daten einfach mit einem Programm von der Webseite heruntergeladen. Auf der Webseite des Luxemburger Parlaments war das ja bekanntlich möglich.