EschSpannung vor dem Urnengang. Die Frage lautet: „Stop ou encore?“

Esch / Spannung vor dem Urnengang. Die Frage lautet: „Stop ou encore?“
Die große Kirmes war eins der Wahlversprechen der Koalition unter Bürgermeister Georges Mischo. Wie es nun im Parteienkarussell des Gemeinderats weitergeht, entscheiden die Escher am Sonntag. Foto: Editpress/Tania Feller

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Spannend versprechen sie zu werden, die Gemeindewahlen in Esch. Grund hierfür ist das politische Erdbeben von 2017, das der „Minettmetropole“ erstmals seit 1920 einen konservativen Bürgermeister bescherte. Nach sechs Jahren Schwarz-Grün-Blau steht der Wähler vor der Entscheidung: Weiter so oder zurück zu den (roten) Wurzeln. „Stop ou encore?“  

Lange hat man bei der Escher LSAP die Wunden geleckt. Die Wähler hatten die Sozialisten 2017 regelrecht abgestraft. Über 10 Prozent büßte die Partei von Bürgermeisterin Vera Spautz ein und kassierte somit die Quittung für ihre Zerstrittenheit und wohl auch für eine Prise Überheblichkeit. Zumindest waren das die Punkte, die der damalige Spitzenkandidat der CSV, Georges Mischo, im Wahlkampf hervorhob. Zusammen mit dem Vorwurf, in Esch würden die Dinge nicht schnell genug vorankommen.

Die CSV war der große Triumphator der Wahl, konnte sie doch über 11 Prozent hinzugewinnen. Ebenso viele verlor die LSAP, die damit drei Sitze im Gemeinderat einbüßte und mit sechs Mandaten gleichauf mit der CSV lag. Die Grünen gewannen ein Prozent hinzu, was zu einem dritten Sitz reichte. Auch die DP legte 1,5% zu und holte damit einen zweiten Sitz, genauso viele wie die doch ein wenig überraschend stagnierenden Linken. Demnach kam den Grünen die Rolle des Königsmachers zu. Sie wechselten das Lager, eine schwarz-grün-blaue Mehrheit hatte sich gefunden. In der die grüne Note freilich etwas zu kurz kam. Das zumindest prangerte vor seinem Austritt aus dem Gemeinderat der Grünen-Politiker Luc Majerus an.

 Tageblatt-Grafik

Im Laufe der Legislaturperiode schieden gleich eine ganze Reihe Räte aus dem kommunalen Gremium aus, was vor allem der Neuaufstellung der LSAP geschuldet war. Mit Henri Hinterscheid, Dan Codello und Vera Spautz verabschiedeten sich sukzessive gleich drei Protagonisten der Wahlschlappe und machten den Weg frei für eine Neuaufstellung der sozialistischen Partei. Die will nun mit einer runderneuerten Mannschaft die Niederlage von 2017 vergessen machen. An der Spitze steht dabei mit Steve Faltz ein Neuling, der unbelastet in die Wahlen gehen kann. „Wir wollen zurück in die Verantwortung. Und natürlich tritt man als Spitzenkandidat der Escher LSAP an, um Bürgermeister zu werden. Alles andere wäre nicht ehrlich. Ich möchte zusammen mit unserem starken Team die Gestaltung der Stadt bestimmen können. Es geht darum, unnötige Polarisierung, politische Ränkespiele und Egotrips zu beenden und Esch zu einer modernen, sozialen und nachhaltigen Modellstadt zu machen“, fasst Faltz zusammen.

Auf den Wahlkampf blickt der 50-jährige Straßenbauingenieur, der zwölf Jahre für die Gemeinde arbeitete, mit Genugtuung zurück: „Wir haben als Mannschaft genau das gemacht, was wir uns vorgenommen hatten. Und ich bin stolz, nicht auf die eine oder andere Aggression eingegangen zu sein.“ In der Tat trat sein Konkurrent im Rennen um den Bürgermeisterposten mitunter recht forsch auf, wie zum Beispiel im Fernsehduell. Allerdings ließ sich der medienunerfahrene Faltz auch ein wenig aufs Glatteis führen, als es um potenzielle Koalitionspartner ging. Fakt ist, dass ein Bündnis mit der CSV schwierig wird, denn für Faltz war Georges Mischos Politik in den vergangenen sechs Jahren „reaktionär und rückwärtsgewandt“. Dagegen wolle die LSAP eine klar fortschrittliche Richtung vorgeben.

Mischo vs. Faltz

Dazu gehören auch neue Ideen, die auf Basis vieler Gespräche mit den Bürgern entstanden. Auf das eigene Programm mit Akzenten im Urbanismus, in der Mobilität und im Sozialen habe man sich im Wahlkampf konzentriert, weniger auf die Kritik der Arbeit des Schöffenrats. Obwohl es reichlich dazu Anlass gab, so Faltz, der vor allem die Ankündigungspolitik (Neugestaltung Alzettestraße, lokaler Sicherheitsplan, lokaler Mobilitätsplan, Schaffung erschwinglichen Wohnraums) damit meint. Unter dem Strich komme immer heraus, dass Georges Mischo angetreten sei, damit in Esch alles schneller vorangehen solle. Von seinen großen Projekten sei jedoch kein einziges eingeweiht worden, so der gebürtige Escher.

Herausforderer Steve Faltz (LSAP)
Herausforderer Steve Faltz (LSAP) Foto: Editpress/Julien Garroy

Das sieht der amtierende Bürgermeister anders. Er stellt der Dreierkoalition ein gutes Arbeitszeugnis aus. 120 Projekte seien realisiert worden, sagt Georges Mischo, der zudem auf schwierige Zeiten durch die Pandemie und den Ukraine-Krieg verweist. Esch2022 wertet er als großen Erfolg. Sechs Sitze + X strebt man bei der Escher CSV diesmal an. Von der Opposition muss sich Mischo allerdings Kritik an seiner Finanzpolitik gefallen lassen. Das Projekt Erweiterung der Lallinger Sporthalle wird wohl mindestens so teuer werden wie das nationale Fußballstadion auf Kockelscheuer (76 Millionen Euro). „Das ist nicht allein mit der Inflation, dem Index, Corona oder dem Krieg in der Ukraine zu erklären“, sagte LSAP-Fraktionssprecher Stéphane Biwer bei der damaligen Debatte im Gemeinderat im Oktober 2022, „da ist ganz einfach zu groß geplant worden“. Zudem zog sich Mischo, gleichzeitig Mobilitätsschöffe, durch die Riesenbaustelle und das Verkehrs- und Parkchaos im Lallinger Viertel den Zorn vieler Bewohner zu. 

Der amtierende Bürgermeister würde am liebsten die aktuelle Koalition fortführen. „Wir haben gut im gegenseitigen Respekt miteinander gearbeitet“, so der „Député-maire“, dem Ambitionen auf einen Ministerposten im Falle einer Regierungsbeteiligung der CSV nach den Chamberwahlen im Oktober nachgesagt werden. Im Gegensatz zur LSAP war die Wahlkampagne der CSV hauptsächlich auf seine Person ausgelegt. Ausschließen tut Mischo außer einer Koalition mit der ADR nichts. Schlussendlich aber entscheidet der Wähler über den Arbeitsnachweis und das Schicksal der schwarz-grün-blauen Koalition.

Die Grünen als Königsmacher

Drittstärkste Kraft waren bei den letzten Gemeindewahlen die Grünen, die mit einem Spitzenquartett antreten. Zu den drei Mitgliedern im Gemeinderat (Kox, Ragni, Pastoret) gesellte sich mit Meris Sehovic immerhin der Co-Parteipräsident der Grünen. „Wir wollen aus Esch die Hauptstadt der Transition machen“, sagt Sehovic selbstbewusst. Esch könne Vorbildcharakter nicht nur für ganz Luxemburg haben. „Wir sind stolz auf die Ideen, die wir entwickelt haben“. Visionär nennt er das Programm seiner Partei.

Amtsinhaber Georges Mischo (CSV)
Amtsinhaber Georges Mischo (CSV) Foto: Editpress/Tania Feller

Es sei ein Fehler gewesen, die Mobilitätspolitik in den letzten Legislaturperioden anderen überlassen zu haben, sagt Sehovic auch. Kämen die Grünen wieder in eine Mehrheit, würden sie auf das Ressort pochen. Allzu viel in die Vergangenheit schauen möchte er aber nicht, vielmehr will er in die Zukunft blicken. Für die Escher Grünen geht es am Sonntag in allererster Linie um die Konsolidierung ihrer drei Sitze, selbst „wenn es natürlich schön wäre, bei vier Spitzenkandidaten vier Sitze zu bekommen“, wie Sehovic betont. Wer dann mit wem koaliere, das hänge von den Kräfteverhältnissen ab. Die Grünen hätten keine Berührungsängste zu den fünf Parteien, die im Gemeinderat sitzen. „Die anderen drei schließe ich allerdings aus“, so Sehovic. Fakt ist, dass die Grünen am Sonntagabend wie in den letzten Jahren zum Königsmacher in Esch werden könnten. 

Zu den Gewinnern der letzten Wahl gehörte auch die DP, die mit 9,1% zu einem zweiten Sitz kam. Schöffe Pim Knaff und Gemeinderätin Daliah Scholl führen die Liste der Liberalen an, die vor allem auf die Bilanz im kulturellen Bereich verweisen. „Durch das Kulturjahr hat Esch einen Riesenschritt in der Kulturentwicklung gemacht“, sagt Pim Knaff. Prinzipiell sei die DP „ein zuverlässiger Partner, der nicht ideologisch gebunden ist, sondern einen pragmatischen Weg geht“. Ein Seitenhieb auch in Richtung seines Lieblingsgegners im Gemeinderat, „déi Lénk“. Mit deren Vertreter lieferte sich Knaff gleich mehrere Scharmützel.

Linke gegen den Stillstand

Dabei fiel die Linke in den letzten sechs Jahren durch eine konsequente Oppositionsarbeit auf. Sie geht mit einer Doppelspitze aus Line Wies und Samuel Baum in die Wahl, unterstützt von den erfahrenen Marc Baum und Laurent Biltgen, und einer paritätisch besetzten Liste mit einem niedrigen Durchschnittsalter (38 Jahre). „Nach sechs Jahren Stillstand wollen wir, dass es den Eschern wieder besser geht“, sagt Samuel Baum. Ganz oben auf der Liste der Linken steht ein sozialer Maßnahmenkatalog, gefolgt von Initiativen zur Bekämpfung der Wohnungsnot, gegen die der aktuelle Schöffenrat nichts unternommen habe, wie es von den Linken heißt. Weitere Schwerpunkte der Partei sind das Bildungswesen und die Mobilität. Nach der doch enttäuschenden Stagnation bei den letzten Gemeindewahlen liebäugelt man klammheimlich mit einem dritten Sitz. Wobei man sich durchaus bewusst ist, dass es dazu einen kräftigen Stimmenzuwachs braucht.

Einen Sitz gibt es je nach Konstellation in Esch ab 5% des Stimmenanteils, was für die kleineren Parteien das Ziel sein wird. Die Piraten stellen sich erstmals mit einer kompletten Liste den Escher Wählern, traten im Wahlkampf jedoch kaum in Erscheinung. Ganz im Gegensatz zur ADR: „Wir wollen unser Resultat von 2017 verbessern, das ist unser Minimalziel“, sagt Bernard Schmit, der mit Kevin Serafini die ADR-Doppelspitze bildet. Vorhersagen will auch er keine treffen, allerdings sei man mit dem Wahlkampf sehr zufrieden. „Wir haben viel innoviert“, sagt er. Die mögliche Spanne des Resultats seiner Partei am Sonntag sieht er zwischen dem Minimalziel und maximal zwei Sitzen.

Da ist man bei der KPL bescheidener. „Wir haben unser erstes Wahlziel in Esch bereits erreicht“, sagt Parteipräsident Ali Ruckert. Er meint damit, dass man auch ohne die Zugpferde Gilbert Simonelli (verstorben) und Zénon Bernard (umgezogen) eine Kandidatenliste zusammenstellen konnte.