„Wir kommen an Russland nicht vorbei“

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OLYMPIA - "Alles, was aus Russland kommt und mit Putin zusammenhängt, ist negativ. Aber das ist ja völliger Wahnsinn" – das ist eine Aussage aus dem Interview mit Professor Peter W. Schulze, Russland-Experte von der Universität Göttingen.

Das Tageblatt hat sich im Vorfeld der Olympischen Spiele in Sotschi, die morgen beginnen, mit Professor Schulze über den mächtigen russischen Präsidenten Wladimir Putin, die Terror-Angst in Russland, nackte Oberkörper und die industrielle Zukunft dieses riesigen Landes unterhalten.

Größere Macht

Tageblatt: Ist Wladimir Putin das Gesicht der Spiele? Sind oder werden es Putin-Spiele?

Peter Schulze: „Das glaube ich nicht. Die Spiele haben ihre eigene Prägung. Aber dennoch sind die Spiele sehr stark mit dem Namen des damaligen und jetzigen Präsidenten verbunden. Putin hat die Spiele nach Russland geholt, wie auch die Fußball-WM. Das war ein großer Gag, den er geleistet hat. Jetzt geht es in erster Linie darum, der Weltöffentlichkeit zu beweisen, dass Russland solche Spiele ordnungsgemäß und mit Sicherheit durchführen kann. Allein das wäre schon ein großer Verdienst und ein Imagegewinn.“

Was will Putin beweisen?

„Russland ist keine Großmacht, es ist eine größere Macht. Das wissen die Herrschaftsgruppen. Putin ist eine Figur, die diese Herrschaftsgruppen in Bewegung, im Dialog und im Konsens hält. Russland weiß sehr genau, dass es mit den USA oder dem aufkommenden China nicht auf einer Ebene Rugby oder Golf spielen kann. Das geht nicht mehr. Von daher gibt es keine imperiale Großmannssucht oder ähnliches. Aber: Putin will der Welt beweisen, dass Russland ein normales, effektives und tüchtiges Land ist, das in der Tat auch eine solche Leistung vollbringen kann: d.h. diese Winterspiele gut über die Bühne bringen, ohne dass es zu Katastrophen kommt. Dass solche Katastrophen auftauchen können, wissen wir von München 1972. Das ist unvorhersehbar. Die Lage von Sotschi am Rande des Kaukasus mit den Unruheprovinzen im nördlichen Teil, dem russischen Teil, und auch im georgischen Teil: Das ist nicht einfach zu handhaben. Gegen Terror kann man sich nicht schützen. Das erklärt auch die ungeheure Sicherheitsorientierung bei den Spielen. Wolgograd mit den drei Bombenattentaten: Das war ein Auftakt und ein Weckruf: ‚Hier muss mehr gemacht werden als bei Olympischen Spielen oder sportlichen Großveranstaltungen.‘ Parallel zu den Spielen läuft eine Anti-Terror-Kampagne. Da läuft eine andere Realität mit. Das ist in anderen Ländern nicht so klar gewesen wie hier in Russland. Ich hatte große Zweifel daran, dass es gelingt, diese Spiele einigermaßen ruhig auf die Schiene zu bringen. Und der Tag ist ja noch nicht vorbei.“

Warum waren Sie sich nicht sicher?

„Tschetschenien läuft seit 1991. Es gab eine De-facto-Unabhängigkeit, weil der russische Staat zusammengebrochen war. Und der Krieg von 1994 bis 1996, mit einem Waffenstillstandsvertrag, der Tschetschenien praktisch freiließ. Bis 1999 entwickelte sich Tschetschenien zu einer Geiselrepublik, mit 15.000 Geiseln, die verkauft wurden und über die Gelder hereinkamen. Es wurde ein Umschlagplatz für Drogen, Waffen und Prostitution, Menschenhandel. 1999 bis 2004 gab es den zweiten Krieg. Und seitdem ist es auf einem Mindestmaß von ‚low war intensity‘. Die Konflikte sind da. Und sie sind nicht alleine auf Tschetschenien begrenzt. Die gesamte Gegend um Sotschi ist ein Pulverfass. Und dann kommt die Unwägbarkeit des Kaukasus hinzu. Und es kommt die Schlamperei der Bürokratie hinzu, die bestochen und korrumpiert werden kann. Das sind alles Faktoren, die in eine Sicherheitsgleichung hineingehen müssen. Ich glaube kaum, dass die normalen Maßnahmen in Bezug auf Sicherheit ausgereicht hätten. Es muss eine Überbetonung an Sicherheit präsent sein. Das wirft ein grelles Licht auf die russische Regierung.“

Das ganze Interview mit Professor Peter W. Schulze lesen Sie in der Tageblatt-Donnerstagausgabe (6. Februar 2014) sowie als ePaper.