Wenn eine Nationalsportart zur Randsportart wird

Wenn eine Nationalsportart zur Randsportart wird
Foto: Isabella Finzi

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Seit dem Jahr 2006 ist das Team Differdingen als Kontinentalmannschaft unterwegs. Nachdem Gründungsvater Gab. Gatti vor einem Jahr in seinen wohlverdienten Ruhestand trat, erklärte sich Gilles Kockelmann zusammen mit seiner Frau Isabelle Origer bereit, das Team zu übernehmen. Nach nur einer Saison mussten beide jetzt, schweren Herzens, das Handtuch werfen.

Mario Nothum

Dabei ist die Familie Kockelmann die Herausforderung hochmotiviert angegangen. Nachdem sich kein Nachfolger für Gab. Gatti (unser Kopf des Tages) fand, trat Gilles Kockelmann, dessen drei Kinder Elisa, Mathieu und Raphaël allesamt das Trikot des Differdinger Vereins tragen, in die Fußstapfen seines Mentors: „Ich bin seit drei Jahren dabei und habe mich bislang hauptsächlich um den Juniorenbereich gekümmert. Es tat mir leid, zu sehen, dass die lange Geschichte zu Ende gehen sollte. Zusammen mit meiner Frau waren wir die Einzigen, die übrig geblieben sind. Also haben wir beschlossen, es zu probieren. Am Anfang der Saison habe ich mir in meiner ganzen Naivität vorgestellt, dass in Luxemburg ein gewisses Interesse bestehen würde. Das ist aber absolut nicht der Fall. Das sieht man schon alleine daran, dass sich kein einziger Luxemburger Fahrer bei uns gemeldet hat. Dem gegenüber hatten wir mehr als 180 Anfragen aus dem Ausland erhalten. Bei den Helfern ist es ähnlich. Ich musste fast ausschließlich auf Mitarbeiter aus Belgien und den Niederlanden zurückgreifen.

Radsport: eine Randsportart

Schnell musste ich feststellen, dass der Radsport hierzulande eine Randsportart ist. Dementsprechend schwierig ist es mit den Sponsoren. Von 75 schriftlichen Anfragen sprang letztlich nicht ein einziger Euro heraus. Den einzigen Zuschuss bekam ich von Leuten, die ich kenne und die mir einen Gefallen tun wollten. Dieser Mangel an Interesse hat mich etwas frustriert. So bekam ich beispielsweise 25.000 Euro von Leuten versprochen. Als es dann darum ging, den Sponsorenvertrag zu unterschreiben, war plötzlich keiner mehr da. Diese Summe, mit der ich gerechnet hatte, musste ich dann gleich aus meiner Tasche bezahlen“, schilderte der Teammanager die finanziellen Schwierigkeiten des Teams Differdingen-GeBa.

Hinzu komme ein mangelndes Verständnis innerhalb der Radsportszene: „Der Stellenwert eines Kontinentalteams hier in Luxemburg ist gleich null. Die Leute kennen nicht einmal den Unterschied zwischen dem Differdinger Verein und der Konti-Mannschaft. Das Ganze wird zudem nach außen falsch verkauft. Es wird gesagt, die Teams Leopard und Differdingen würden in der dritten Division fahren, was jedoch nicht stimmt. Keiner würde auf die Idee kommen, zu sagen, der F91 spielt in der dritten Division. Wir fahren die Europe-Tour, genauso wie der F91 in der Europa League spielt. Im Ausland ist das Interesse an unserem Team weitaus größer. Wir sind internationale Rennen der Kategorie gleich unter der WorldTour gefahren und konnten dort auch UCI-Punkte einfahren“, so der Nachfolger von Gab. Gatti, vor dem er mehr denn je seinen Hut zieht: „Ich habe einen unwahrscheinlichen Respekt vor Gab., dass er all das so lange an sich hat abperlen lassen. Er brachte fast schon einen gewissen Fanatismus gegenüber dem Radsport mit.“

Das Umfeld wird immer schwieriger

Gab. Gatti, der Präsident des CCI Differdingen, war schon einige Zeit vor der offiziellen Mitteilung über das Aus „seiner“ Mannschaft informiert: „Nach dreizehn Jahren tut einem diese Nachricht natürlich weh. Wir waren als eine der ersten Kontinentalmannschaften überhaupt unterwegs. Im Laufe der Jahre habe ich viele Teams gesehen, die nach ein bis zwei Jahren aufgegeben haben. Der Radsport ist kein einfaches Geschäft. Einige Fahrer sind sogar zu mir gekommen und wollten, dass ich weitermache. Meine Nachfolger haben sicherlich ihr Bestes gegeben. Wenn es am nötigen Geld und am Personal mangelt, muss man die Auflösung unserer Kontinentalmannschaft jetzt einfach akzeptieren. Im Gegensatz zum Team Leopard haben wir keinen Becca im Rücken. Zudem wird das Umfeld immer schwieriger. Auch das Team Roompot wird es kommende Saison nicht mehr geben. Mittlerweile fahren viele ehemalige Profis unter ihrem eigentlichen Leistungsniveau. Dadurch wird es für unsere Fahrer immer schwieriger, gute Ergebnisse zu erzielen.“

Auch nach seiner aktiven Zeit nimmt der mittlerweile 78-Jährige kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, Missstände anzuprangern: „Der Teamchef von BMC hat mir gesagt, dass sie ihre Konti-Mannschaft aufgelöst haben, da die guten Fahrer alle zu Sky abgewandert sind. Das Problem liegt bei der UCI, der solche Probleme schnurzegal sind. Im Gegensatz zum Fußball werden die Radsportmannschaften nicht für die Ausbildung der späteren Profis entschädigt. So haben wir für Jempy Drucker, der bei uns gefahren ist und dem wir es ermöglicht haben, internationale Rennen zu bestreiten, nicht einen Cent bekommen. Die großen Mannschaften stecken das Geld jetzt in den Aufbau eines Damenteams, das ist weitaus profitabler.

Fünf luxemburgische Radfahrer ohne Team

Der internationale Verband ist zufrieden, wenn die Mannschaften der sogenannten dritten Division eine Garantie von 20.000 Euro hinterlegt haben und ihre jährliche Taxe von 6.000 Euro zahlen. Hinzu kommt eine Taxe von 2.000 Euro für die FSCL. Für dieses Geld würde man viel Material bekommen. Mit einer solchen Politik schießen sich letztendlich alle selbst ins Knie. Unseren Verband scheint es nicht zu kümmern, dass es immer weniger Fahrer gibt. Die regionalen Rennen hierzulande kann man mittlerweile auch an einer Hand abzählen. Was uns betrifft, so ist es jetzt jedenfalls zu spät und jammern bringt auch nichts mehr“, so Gab. Gatti, der dennoch mit einer positiven Note abschloss: „Immerhin sieht mich meine Frau jetzt öfter und auch in besserer Laune.“

Am Donnerstag (10.10.) nimmt das Team Differdingen-GeBa die 69. Auflage des Eintagesrennens Paris-Bourges (F/1.1) mit sieben Mann in Angriff. Danach verbleiben den insgesamt 16 Fahrern nur noch drei Rennen, um die Aufmerksamkeit mit guten Platzierungen auf sich zu lenken. Mit Ivan Centrone, Tiago Da Silva, Raphaël Kockelmann, Jan Petelin und Tom Thill müssen sich auch fünf Luxemburger für kommende Saison nach einer neuen Mannschaft umschauen.