Triathlon / Dirk Bockel vor dem Ironman Hawaii: „Der Marathon wird eine einzige Tortur sein“

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Bisher konnte Dirk Bockel so ziemlich alles realisieren, was er sich vorgenommen hatte. Nach jahrelanger Erfahrung auf der olympischen Distanz und dem Höhepunkt bei den Olympischen Spielen 2008 wechselte der Triathlet Anfang des Jahres auf die Ironman-Strecke. / Marc Biwer

Jetzt macht er sich kurz vor seinem 33. Geburtstag (18. Oktober) selbst ein schönes Geburtstagsgeschenk: am Samstag startet er beim Ironman Hawaii, im Mekka des Triathlons.
Bockel hat sich für dieses Rennen hohe Ziele gesteckt. Ob sie realisierbar sind? Fakt ist, dass der klassische Ironman mit 3,8 km Schwimmen, 180 km Rad und dem Marathonlauf über die doppelte Distanz der 70.3-Serie geht.
Etwas Erfahrung konnte der Luxemburger allerdings bei der EM über die langen Distanzen (4/120/30) sammeln, als er am 8. August in Prag die Vizemeisterschaft feierte. Wie Dirk Bockel zu seinem Auftritt steht, wie er den Mythos Hawaii sieht und wie er sein Rennen angeht, darüber gab der Triathlet des Celtic Diekirch aus Hawaii dem Tageblatt ein ausführliches Interview.DIRK BOCKEL STECKBRIEF

o Geboren am 18. Oktober 1976 in Waiblingen (D)

o Palmarès: 2008, Olympische Spiele in Peking: Platz 25; 2009: Vize-Europameister auf der Langdistanz in Prag, Platz 1 beim Halb-Ironman 70.3 in Orlando, Platz 3 beim Ironman in Neuseeland, Platz 4 beim Halb-Ironman 70.3 in St. Croix (USA)

o Internet:
www.liveandlettri.com

Tageblatt: Dirk, wie hast du dich nach dem Vize-EM-Titel Anfang August auf den Hawaii-Ironman vorbereitet?
Dirk Bockel: Zunächst benötigte ich eine Woche zum Ausspannen. Danach ging es für zwei Wochen zu einem ‚Pre-Stage‘ nach La Rochelle. Oder besser bei La Rochelle, rund 45 Minuten im Landesinneren, wo ich mit zwei anderen Athleten trainierte. Nach einem zweitägigen Abstecher nach Luxemburg zum Abschiednehmen ging es für drei Wochen zu einem intensiven Lehrgang nach Lanzarote. Zusammen mit der dänischen Nationalmannschaft und meinem Coach, der halb Deutscher, halb Däne ist, ging es dort sehr intensiv zur Sache. Anschließend wechselten wir nach Hawaii über. Um den langen Flug und den Jetlag angenehmer zu gestalten, schoben wir einen Zwischenstopp in Las Vegas ein. Nach einem Tag dann die Landung in Kona und sogleich der erste Schock: Die Temperaturen und die Feuchtigkeit haben mich fast umgehauen (siehe auch Tageblatt vom 1. Oktober). Zum Glück blieben mir zweieinhalb Wochen zum Akklimatisieren.“

„T“: Und wie ist die Vorbereitung vor Ort verlaufen?
D.B.: „Eigentlich sehr zufriedenstellend. Natürlich wurde so kurz vor dem Ironman nicht mehr so auf Intensität geachtet. Vorrangig ging es darum, sich auf die schwierige Wetterlage einzustimmen. Das Training lief wettkampfspezifisch ab, mit vielen Koppeleinheiten. Zudem haben wir Schwimmen im offenen Gewässer trainiert. Die Vorbereitung klappte jedenfalls so gut wie nie zuvor in meiner Karriere, ich hatte überhaupt keine Probleme. Dadurch ist die Stimmung hervorragend. Und das ist auch wichtig vor meinem größten Wettkampf.“

„T“: Der Hawaii Ironman weist quasi die doppelte Distanz gegenüber den Ironman-70.3-Rennen auf, wo du gute Platzierungen hattest. Wirst du keine Probleme haben, die Strecke zu meistern?
D.B.: „Nein, dass ich es packe, ist für mich keine Frage. Die EM über die langen Distanzen in Prag war nur unwesentlich kürzer. Ich werde, sofern keine Pannen auftreten, das Ziel erreichen. Die Frage ist nicht, ob, sondern wie schnell. Das Rennen auf Hawaii kann mitunter sehr extrem sein. Vor allem der Wind wird eine tragende Rolle spielen. Es kann windstill sein, so wie in dem Jahr, als der Weltrekord (1996) aufgestellt wurde. Ich habe im Training aber auch einen Wind erlebt, der mich bergab bei nur 25 km/h fast umgeworfen hätte. Dementsprechend schwer ist es, sich eine Endzeit vorzunehmen.“

„T“: Wie sieht du denn die Strecke, konntest du dir schon ein Bild davon machen?
D.B.: „Natürlich kenne ich die Strecke, wir haben sie schon ganz gemeistert. Allerdings nicht am Stück. Lediglich mit dem Auto sind wir sie ganz abgefahren. Aber streckenweise haben wir den Parcours durchtrainiert. Und das wird nicht einfach. Die Gegend ist mit ihren Lavafeldern nicht die schönste. Neben einer Hitze von möglichen 40° C kommen noch die Reflexionen vom schwarzen Teer und den Lavaresten erschwerend hinzu. Die Radstrecke ist alles andere als flach, es ist ein ständiges Bergauf und -ab, aber zu meistern. Zumal der Wind auch erfrischend sein kann. Richtig schwer wird der Marathonlauf. Das macht auf diesem Parcours keinen Spaß, das wird eine einzige Tortur.“

„T“: Wo liegen die Schwierigkeiten?
D.B.: „Das Rennen an sich ist die Schwierigkeit. Es ist eine Kombination aus Tempo, Taktik und Wetter. Hinzu kommt, dass man viel Wert auf Verpflegung legen muss. Ausreichend zu essen und trinken, ist enorm wichtig. Ich habe jedenfalls enormen Respekt vor diesem Rennen. Der Hawaii Ironman ist nicht umsonst ein Mythos.“

„T“: Was wird für dich gegenüber dem Ironman 70.3 anders sein?
D.B.: „Eigentlich alles. Nicht zuletzt weil auf Hawaii die doppelte Distanz ansteht. Aber ich weiß jetzt, dass die langen Distanzen zu mir passen. Natürlich wäre ein Podiumsplatz bei einer Olympiade ein traumhaftes Ziel. Aber wenig realistisch. Der Hawaii Ironman ist das Größte, was man im Triathlon erleben kann. Für mich geht ein Traum in Erfüllung, den ich schon mit 15 Jahren hegte. Im Vergleich dazu hat der 70.3 keinen hohen Stellenwert.“

„T“: Das Rennen der Professionellen zählt 158 Teilnehmer. Ein quantitativ und qualitativ starkes Feld demnach. Mit welchen Ambitionen gehst du den Ironman an?
D.B.: „Diese 158 Pros mussten sich alle qualifizieren, das allein zeugt schon von der Qualität des Rennens. Das erleichtert die Aufgabe nicht, sich etwas vorzunehmen. Aber ein Rang in den Top Ten ist ein mögliches Ziel. Natürlich träume ich davon, noch weiter vorne zu landen, aber das wird bei diesem Teilnehmerfeld eine fast unmögliche Aufgabe. Man muss die Kirche im Dorf lassen und nicht vergessen, dass es mein erster Ironman auf Hawaii sein wird.“

„T“: Hast du dir eine Taktik zurechtgelegt, wie du dieses Ziel erreichen kannst?
D.B.: „Die Taktik wird sich im Rennen finden. Vorher Pläne zu schmieden, hat keinen Sinn, da es zu viele Unbekannte gibt. Wenn z.B. ein kräftigerer Wind weht, dann wäre es auf dem Rad besser, in einer Gruppe zu fahren. Dadurch erhöht sich aber das Risiko einer Strafe, da Drafting nicht erlaubt ist. Nach den letzten Trainingserfahrungen hoffe ich nach dem Schwimmen vorne dabei zu sein. Auf dem Rad liegen meine Ambitionen aber wahrlich nicht darin, dass ich mich nur für eine Minute vorne zeigen kann. Ich will schon so lange wie möglich beim Geschehen dabei sein. Natürlich wird es nicht einfach, dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen, zumal viele gute Radfahrer dabei sind, wie Norman Stadler, der 2004 und 2006 den Ironman gewinnen konnte. Aber ich werde versuchen, so lange wie möglich mein Tempo zu halten. Zu was das reicht, muss man dann im Ziel sehen.“

Im Kopf beschäftigen

„T“: Vorausgesetzt es kommt nicht zum Peloton, dann wirst du lange auf dich allein gestellt sein. Wie beschäftigt man sich mit all den Leiden?
D.B.: „Man muss sich im Kopf beschäftigen, das ist sehr wichtig. Dabei darf man die Verpflegung nicht vergessen. Man muss in regelmäßigen Abständen Flüssigkeit und Nahrung zu sich nehmen. Wenn du nämlich einmal im roten Bereich drin bist, dann wird es sehr schwer, wieder herauszukommen. Dazu kommen Unmengen von Daten, mit denen ich mein Rennen überwache, vornehmlich Puls und Chrono. Ein bisschen ist also für Abwechslung gesorgt. Im Großen und Ganzen wird es aber schwer, die richtigen Gedanken zu finden und den Kopf zu beschäftigen.“

„T“: Wer ist für dich Favorit auf den Sieg?
D.B.: „Das ist sehr schwer zu sagen, weil auch das Glück ein bisschen mitspielt. Aber Craig Alexander und Chris McCormack erwarte ich ganz vorne. Zum Favoritenkreis ist aber auch die deutsche Armada zu zählen, die geschichtlich auf Hawaii immer eine große Rolle gespielt hat, allen voran Norman Stadler. Terenzo Bozzone zähle ich ebenfalls zu den Siegkandidaten. Keiner der Teilnehmer wird eine Schwäche offenbaren. Alle, die gemeldet sind, werden 100% in Form sein. Deshalb rechne ich auch nicht mit einem Überraschungserfolg.“