Tennis/„Meine Chancen eiskalt ausgenutzt“/AUDIO/

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„Gilles Muller is back“: in den Top 100 der Weltrangliste (63.) und seit Samstag auch wieder in Luxemburg. Am ersten Tag nach seiner Rückkehr von den US Open stand erst mal viel schlafen auf dem Programm, kurz unterbrochen vom Fußball-Spiel Luxemburg gegen Griechenland im TV./ Claude Clemens /AUDIO/

Der Viertelfinalist des letzten Grand Slams des Jahres hat aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt, „und deshalb hielt ich mich zunächst komplett aus der Öffentlichkeit raus, um das Ganze erst mal für mich selbst zu verarbeiten.“
Gestern trat der ehemalige Junioren-Weltmeister (2001) und bereits einmal an Nr. 59 im Weltranking (August 2005) geführte Tennisprofi in Anwesenheit seines Beraters Jacques Radoux bei seinen langjährigen Unterstützern „Interassurances Pauly et Lamby“ (seit 2000) vor die Presse, um Einblick in sein Gefühlsleben und seine Zukunftspläne zu geben.

Wie bestätigen?

„Es ist von Vorteil, dass ich so eine Situation schon mal gehabt habe (nach seinem Sieg gegen den Weltranglisten-3. Andy Roddick bei den US Open 2005, d.Red.). Da habe ich Fehler gemacht, weiß also, wie ich diese jetzt vermeiden kann. Damals habe ich gedacht, es würde einfach so weitergehen. Dann verlierst du ein paar Mal, es geht im Ranking nach unten, dann gehst du auf die Challenger-Tour, verlierst auch dort – und irgendwann ist das Selbstvertrauen bei Null. Ich weiß, dass ich Talent habe, und habe viel an mir gearbeitet. Entscheidungen alleine getroffen, dann weiß ich auch, bei wem die Schuld liegt, wenn etwas nicht klappt. Ich weiß, was ich falsch gemacht habe, und habe mich in Frage gestellt.“

Die „Kopfsache“…

„Der Rummel nach dem Sieg gegen Roddick hatte mich 2005 sehr viel Energie gekostet, und in Runde zwei flog ich raus. Jetzt habe ich nur das gemacht, was ich musste, auch mal nein gesagt und zuerst nach mir gesehen. Dabei hätte es in der 1. Runde der Qualifikation schon vorbei sein können, meinem Gegner fehlten teilweise nur zwei Punkte zum Sieg. Meine Vorbereitung auf dieses Spiel war nicht optimal, da musste ich akzeptieren, dass ich schlecht spielte. Aber irgendwie habe ich da schon was gespürt, dass es weit gehen könnte. Es lief immer besser, dazu kam eine verhältnismäßig leichte 1. Runde im Hauptfeld. Gegen Tommy Haas war ich dann zu Beginn sehr nervös und angespannt. Bei 0:2 Sätzen sagte ich mir dann ‚du hast nichts mehr zu verlieren, gib noch mal alles‘. Du brauchst auch manchmal etwas Glück, und das hatte ich dann. Es ist alles eine Kopfsache: Wenn du gewinnst, kommt das Vertrauen in dich wieder, du spielst freier auf. Ich hatte noch nie einen 0:2-Satzrückstand gedreht, und nun gleich zweimal! Ich hatte meine Chancen, und habe sie diesmal eiskalt ausgenutzt.“

… und die Müdigkeit

„Müde war ich gegen Roger Federer schon, aber auch das ist Kopfsache. Jeden Tag hat etwas anderes ein bisschen mehr weh getan. Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich so was schaffen könnte. Aber großer Wille und großes Vertrauen in sich selbst können Berge versetzen. Auch das gibt mir Zuversicht für die Zukunft.“

Die Kritiker

„Normalerweise gebe ich nicht viel auf das, was andere über mich sagen. Aber immer und immer wieder nur Negatives zu hören, das setzt sich auf Dauer doch irgendwie im Kopf fest. Nur sind negative Gedanken fatal für Sportler.“

Vom Sieg geträumt?

„Bei den US Open selbst nicht, da habe ich nur von Spiel zu Spiel geschaut. Aber im Nachhinein, doch, schon. Gegen Federer fehlte nicht viel, er war schlagbar. Und dann wären es ’nur‘ noch zwei Spiele gewesen.“

Die Ziele

„Ich mache mir zwar sicher Druck, wenn ich das sage, aber ich weiß jetzt, dass ich die Besten schlagen kann. Und deshalb ist das Erreichen der 2. Woche eines Grand-Slam-Turniers (gleichbedeutend mit dem Achtelfinale, d.Red.) in Zukunft ein realistisches Ziel, außer vielleicht in Paris auf Sand. Kurzfristig will ich mich jetzt für 2008 in den Top 100 halten. Ich spiele noch fünf bis sechs Turniere, habe noch 150 Punkte zu verteidigen. Das dürfte kein Problem sein. Damit bin ich dann sicher, Anfang 2009 in den großen Turnieren überall im Hauptfeld zu stehen. Die ersten Weltranglisten-Punkte, die ich zu verteidigen habe, kommen 2009 erst im April. Bis dahin kann viel passieren, es kann sehr schnell gehen. Top 50, dann vielleicht mehr. Ich setze mir keine Grenzen mehr, es ist viel möglich.“

Mit welchem Trainer?

„Ich habe mich nach Wimbledon von Rodrigo Nascimento getrennt. Wir waren eine Gruppe von drei Spielern, das senkte die Kosten und war auch okay. Aber nach einem Jahr habe ich gemerkt, dass das nicht reicht. Und er auch: Ich kam nicht voran, und er schaffte es nicht, mich voranzubringen. Wir haben darüber gesprochen, und uns getrennt. Das ist halt so im Tennis. Dann blieb ich bewusst mal alleine, wollte sehen, wie das ist ohne Trainer. Dass Horacio Rearte mich in New York ‚trainierte‘ – eher betreute –, entsprang einer zufälligen Begegnung. Ich werde mir das aber zuerst gut überlegen, ob und wie und mit wem ich vielleicht zusammenarbeite. Bis Ende Oktober werde ich wohl eine Entscheidung treffen.“

Das beste Spiel

„Das Sechzehntelfinale gegen Nicolas Almagro. Ich spielte konstant gut über fünf Sätze. Er übrigens auch, es war ein Spiel auf hohem Niveau. Und auch sehr emotional. Bei 0:2 sagte ich mir ‚das wäre ja unglaublich, wenn ich es noch einmal schaffen würde, einen Zu-Null-Satzrückstand aufzuholen‘.“

Die Reaktionen der Gegner

„Federer gratulierte mir nach dem Spiel zu meinem Turnier-Verlauf und meinte, er wäre froh, dass ich wieder dort sei, wo ich schon mal war. Und dass ich jetzt dort bleiben solle. Die unterlegenen Top-Spieler begegnen einem in der Regel mit Respekt. Sie wissen, dass so was vorkommen kann, und sie können damit umgehen.“

Schweiz vs. Luxemburg

„Ein Schweizer Journalist sagte mir bei den US Open: ‚Das wird ja eine große Woche mit Schweiz – Luxemburg. Zuerst du gegen Federer, dann das Fußball-Länderspiel.‘ Ich sagte ihm: ‚Luxemburg wird eines der beiden Spiele gewinnen.‘ Deshalb mein Dank an die Fußballer, so hatte ich doch noch recht!“

 So gehts weiter

Gilles Muller hat eine Wildcard für das ATP-Turnier in Metz (370.000 Dollar) ab dem 29. September beantragt, sie aber nicht bekommen („die Veranstalter benötigen diese für französische Spieler“). Deshalb wird er ab dem 22. September beim Challenger in Grenoble (42.500+H) spielen, wo er bereits angemeldet war. Für die Woche vom 29.9. hat er sich dann das Challenger-Turnier in Mons (106.500+H) ausgesucht, da es mit Metz eben nicht funktionierte.
In der Woche vom 6. Oktober finden dann gleich drei ATP-Turniere statt: Moskau (1.049.000), Stockholm (713.000) und Wien (674.000). Muller hat an alle drei eine Wildcard-Anfrage gerichtet, die Antworten stehen noch aus. clc