Tennis: Gilles Muller weiter auf Wolke sieben?

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Siebter Sieg im siebten Spiel in Folge: Zu Gilles Mullers (ATP 130) Märchen bei den US Open steuerte der Russe Nikolai Dawydenko (5) am Dienstag „unfreiwillig“ ein weiteres Kapitel bei (siehe „T“ von gestern). Ob der Luxemburger weiter auf Wolke sieben schweben kann, hängt nun u.a. von der Nummer 2 der Welt ab, dem Schweizer...

In allererster Linie hängt es aber natürlich von Gilles Muller selbst ab, der als zweiter Qualifikant nach dem Franzosen Nicolas Escudé 1999 den Einzug ins Viertelfinale der US Open schaffte (Escudé unterlag damals Andre Agassi). Kann Muller weiter auf solch einem hohen Niveau spielen wie bisher? „Hält“ der Körper? Bleibt Muller auch mental auf der Höhe?
Zuerst zum Körper: Während des Spiels gegen Dawydenko ließ sich Gilles Muller unterhalb des linken Knies einen Tape-Verband anlegen. „Das war eine reine Vorsichtsmaßnahme“, so Muller-Berater Jacques Radoux, „in New York wird auf Beton gespielt, und das beansprucht Sehnen und Gelenke natürlich stärker. Und schließlich war es das siebte Spiel, ‚taufrisch‘ ist Gilles nicht gerade mehr.“ Insgesamt 18.30 Stunden (gegen Dawydenko 3.07 Stunden) stand Muller bisher in den sieben Spielen (Qualifikation und Hauptfeld) innerhalb von 14 Tagen auf dem Platz. Da kam der gestrige Ruhetag sehr gelegen.
Zum Spielerischen: Gegen Dawydenko gelangen Muller erneut 20 Asse (bei 5 Doppelfehlern), 60 direkten Gewinnschlägen (Dawydenko 37) standen allerdings 45 (22) ungezwungene Fehler gegenüber. Von 85 ersten Aufschlägen im Feld setzte Muller 71 (85 Prozent) in einen Punktgewinn um. Bei den Angriffen am Netz steht diese Quote bei 35 von 47 (74 Prozent). Das sind Top-Werte, und wenn der 25-Jährige diese gegen Federer wiederholen kann, ist auch der Schweizer durchaus schlagbar.
Zum Mentalen: Muller hatte gegen Dawydenko schon nichts mehr zu verlieren, und auch heute (das Viertelfinal-Spiel war bei Redaktionsschluss noch nicht terminiert) wird der weitaus größere Druck auf seinem Gegner lasten (Muller: „Ich habe nichts zu verlieren, aber viel zu gewinnen. Ich bin hungrig, möchte noch weiterkommen“). Und wenn man erst auf der Erfolgswelle reitet, geht bekanntlich vieles wie von selbst.
Das stellte Muller auch am Dienstag unter Beweis. Im zweiten Satz lag er 4:1 vorne, musste ihn mit 4:6 abgeben, knickte trotz fünf verlorenen Spielen in Folge nicht ein und entschied das Match für sich. Dawydenko hatte insgesamt 15 Breakchancen, von denen er nur zwei (13 Prozent) verwerten konnte, oder anders formuliert: Mehr ließ Muller nicht zu, auch bei Rückstand blieb er konzentriert und zog sein Tennis durch. Er selbst hatte „nur“ sechs Breakchancen, wandelte aber deren drei in bare Münze um, d.h. die Hälfte.
Alleine der vierte Satz und sein Tiebreak sprechen für Mullers augenblicklich kolossales Selbstvertrauen: Sieben Satzbälle abgewehrt, und mit 12:10 den Sack zum Matchgewinn zugemacht. „Der verrückteste Tiebreak meiner Karriere“, wird Muller nach dem Spiel sagen.
Und letztendlich zum Gegner. Dass Roger Federer in diesem Jahr 2008 nicht mehr unantastbar ist, weiß inzwischen „jedes Kind“. Noch kein Grand-Slam-Erfolg, nicht mehr Nummer 1 der Weltrangliste, vorzeitiges Aus bei Olympia. Das Uhrwerk des Schweizers läuft nicht mehr rund.
Und das tat es auch im Achtelfinale gegen den Russen Igor Andrejew nicht. 3.32 Stunden und fünf Sätze brauchte Federer, um den Weltranglisten-23. niederzuhalten. Beim 31. Sieg in Folge in New York war dies eine Premiere für den Champion der vier vergangenen Jahre: Noch nie musste er über die volle Distanz gehen. „Ich konnte noch nicht mein bestes Tennis zeigen. Ich hoffe, das kann ich am Ende dieser Veranstaltung“, meinte Federer. Und über seinen nächsten Gegner sagte er: „Muller ist unglaublich gut drauf. Er zeigt: Wenn man an sich glaubt, ist Alles möglich.“
Nach dem bisherigen Parcours von Gilles Muller wird er diesen „mit Sicherheit nicht unterschätzen“. Ob er verhindern kann, dass der Luxemburger als erster Qualifikant in der Geschichte der US Open ins Halbfinale einzieht?


Muller vs. Federer: 0-2
Viertelfinale Bangkok 2005: 4-6, 3-6
3. Runde Indian Wells 2005: 3-6, 2-6
Muller vs. Top-3-Spieler
der Weltrangliste: 2-3
 2. Runde Australian Open 2007 gegen Nikolai Dawydenko (Nr. 3): 4-6, 0-6, 3-6
 Viertelfinale Bangkok 2005 gegen Roger Federer (Nr. 1): 4-6, 3-6
 1. Runde US Open 2005 gegen Andy Roddick (Nr. 3): 7-6 (7-4), 7-6 (10-8), 7-6 (7-1)
 2. Runde Wimbledon 2005 gegen Rafael Nadal (Nr. 3): 6-4, 4-6, 6-3, 6-4
 3. Runde Indian Wells 2005 gegen Roger Federer (Nr. 1): 3-6, 2-6