/ Tageblatt-Exklusiv-Interview mit Jelena Dementjewa: „Die Zuschauer wollen Drama sehen“
David Thinnes
Am vergangenen Samstag – zwei Tage nach ihrem Drittrunden-Aus in Peking – stand die Goldmedaillengewinnerin bei Olympia 2008 und Siegerin auf Kockelscheuer im selben Jahr dem Tageblatt am Telefon zum Exklusiv-Interview bereit.
Tageblatt: Sie sind seit zwölf Jahren Profi. Haben Sie daran gedacht, wie Kim Clijsters oder Justine Henin eine Pause einzulegen und wieder zurückzukommen?
Jelena Dementjewa: „(lacht) Sehen sie sich mein Alter an. Als Kim eine Pause machte, war sie 24, 25. Ich spiele auf der Profitour seit ich 18 bin. Und ich habe es geschafft, all die Jahre in den Top 10 zu sein.“
„T“: Sie fehlten in Wimbledon 2010 wegen einer Wadenverletzung zum ersten Mal bei einem Grand Slam, nach 46 Teilnahmen in Folge. Die WTA versucht seit Jahren, die Saison zu verkürzen, um die Spielerinnen vor Verletzungen zu schützen. Dennoch scheint dies bei den zahlreichen Ausfällen von Top-Spielerinnen nicht zu gelingen.
J.D.: „Das Thema wird bereits lange diskutiert. Ich denke aber, dass Verletzungen zum Geschäft dazugehören. Ich hatte mir wegen der Verletzung eine Auszeit genommen und konnte zum ersten Mal in meiner Karriere nicht in Wimbledon spielen. Aber ich hatte das Gefühl, dass die Pause notwendig war, um für die Hartplatz-Saison fit zu sein. Jetzt ist wieder alles in Ordnung.“JELENA DEMENTJEWA Steckbrief
o Geboren am 15. Oktober 1981 in Moskau (RUS)
o Wohnhaft in Moskau und Monte Carlo
o Größe: 1,80 m, 64 kg
o Profi seit August 1998
o Rechtshänderin mit beidhändiger Rückhand
o Größte Erfolge: 16 WTA-Turniertitel im Einzel, Goldmedaille bei den Olympischen Sommerspielen 2008 in Peking, Finale 2004 in Roland Garros und bei den US Open
o Aktuelles Ranking: 9
o Bestes Ranking: 3 (6. April 2009)
o Bilanz in Luxemburg: 2006: Viertelfinale (Niederlage gegen A. Radwanska), 2008: Turniersieg (im Finale gegen A. Ivanovic)
o Internet:
www.dementieva.ru
„T“: Wie ist die Form momentan?
J.D.: „Die Form stimmt. Ich hatte eine gute Woche in Tokio, wo ich im Endspiel gegen Caroline Wozniacki spielte (6:1, 2:6, 3:6, d. Red.). Auf dem Weg ins Finale hatte ich gute Spielerinnen besiegt. In Peking (Drittrunden-Aus gegen Ivanovic, d. Red) fehlte dann etwas die Kraft.“
„T“: Was sind Ihre Erinnerungen an Ihren Sieg in Luxemburg vor zwei Jahren?
J.D.: „Das war eine großartige Woche und ein umkämpftes Finale gegen Caroline. Nach 2008 wollte ich wieder nach Luxemburg zurückkehren. Die Stimmung dort ist hervorragend.“
„T“: Sie haben 2008 die Olympische Goldmedaille in Peking gewonnen. Welche Träume haben Sie noch in Ihrem Sportlerleben?
J.D: „Das größte Ziel meiner Karriere war die Olympische Goldmedaille. Das war sehr speziell für mich. Aber natürlich träume ich auch davon, einen Grand Slam zu gewinnen. Ich war zweimal bereits sehr nahe dran mit den Finalteilnahmen (2004 Roland Garros gegen Anastasia Myskina und US Open gegen Swetlana Kuznesowa, d. Red.). Ich bedaure dennoch nichts in meiner Karriere. Ich war sehr erfolgreich. Aber es ist großartig, die Motivation zu haben, einen Grand Slam gewinnen zu wollen. Die Nummer eins zu sein ist vielleicht das größte aller Ziele. Du arbeitest nicht all die Jahre, um Nummer zwei zu werden. Es ist sehr speziell.“
„T“: Der bekannte australische Tennis-Coach Darren Cahill (u.a. Andre Agassi, Lleyton Hewitt) hat in einem Interview gesagt, ‚ich glaube Sie kämpft in den großen Momenten mit Ihren eigenen Gefühlen‘. Hat Cahill recht?
J.D: „Ich bin eine emotionale Spielerin. Egal bei welchem Turnier ich spiele, ich will immer ein gutes Resultat zeigen. Die Zuschauer schätzen Spieler, die sich auf dem Platz investieren und Gefühle zeigen. Sie kommen nicht nur wegen des Tennis, sondern auch wegen des Dramas. Ich habe viele Turniere und eine Goldmedaille bei Olympia gewonnen: Ich denke, dass ich mit Druck gut umgehen kann. Ohne Selbstbeherrschung wäre das nicht möglich gewesen. Ich glaube nicht, dass das Emotionale auf dem Platz bei mir Oberhand gewinnt. Nervosität ist normal. Aber ich genieße den Wettkampf.“
Russische Konkurrenz
„T“: Sie sehen auf dem Platz immer sehr gelassen aus. Wie steht es um Ihr Innenleben während der Matches?
J.D.: „Ich bin eigentlich eine ausgeglichene Person. Vor dem Spiel benötige ich einen Moment, um die nötige Aggressivität aufzubauen. Diese Nachricht musst du deinem Gegner auf dem Platz vermitteln.“
„T“: Wie erklären Sie sich den Erfolg der russischen Spielerinnen. Momentan stehen zwei in den Top 10, insgesamt 16 in den Top 100.
J.D.: „Die einzige Erklärung ist die Konkurrenz zwischen den Spielerinnen. Wir kommen aus unterschiedlichen Teilen Russlands und trainieren nicht unbedingt zusammen. Die Konkurrenz treibt uns voran. Ich glaube, ich war die einzige, die in Moskau trainierte und große Erfolge feierte. Ich wollte nicht ins Ausland. Moskau ist meine Geburtsstadt. Meine Familie und Freunde wohnen in Moskau und ich kann in meinem Verein trainieren. Es ist ein gutes Beispiel für die jungen Spieler: du kannst Erfolg haben, wenn du in Russland bleibst.“
„T“: Welchen Einfluss hatten Ihre Eltern in jungen Jahren?
J.D.: „Ich habe durch meine Eltern mit dem Tennis angefangen. Sie liebten den Tennissport. Meine Mutter wollte meinem Bruder und mir immer die Chance geben, zu trainieren. Die Unterstützung von meiner Familie – speziell von meiner Mutter – war immer sehr präsent. Sie hat mich trainiert und ist mit mir gereist. Ich bin ihr sehr dankbar dafür. Für mich ist es sehr wichtig, jemanden aus der Familie dabeizuhaben, der einem hilft.“
„T“: Wie Sie erwähnten, begleitet Sie Ihre Mutter immer auf den Reisen zu den Turnieren. Kommt da nicht manchmal Lagerkoller auf?
J.D.: „Es ist wie bei jedem anderen auch: Wir haben gute Tage, wir haben schlechte Tage. Aber meine Mutter ist eine weise Frau. Sie brachte es fertig, neben dem Platz meine Mutter zu sein und auf dem Platz mein Coach. Sie ist nicht nur meine Mutter, sondern meine beste Freundin. Dass sie mit mir auf der Tour ist, war das Beste was ich mir vorstellen konnte. Ich bin mir aber auch bewusst, dass es für sie ein großes Opfer war, all die Jahre mit mir zu reisen. Aber ich denke, es hat sich ja gelohnt.“
„T“: Wie lange wollen Sie den Sport ausüben? Haben Sie sich beriets Gedanken über die Karriere nach der Karriere gemacht?
J.D.: „Ich habe mir kein Alter gesetzt für den Schluss meiner Karriere. Ich will nicht zu sehr in die Zukunft schauen. Tennis wird immer ein Teil meines Lebens bleiben. Momentan bin ich an der Universität Moskau für Journalismus eingeschrieben. Ich liebe es, Tennis zu spielen, aber ich schaue auch gerne zu.“
„T“: Sie haben in der Schule die französische Sprache gelernt. Wie gut beherrschen Sie die Sprache?
J.D. „Wenn ich in Frankreich bin, nutze ich die Gelegenheit meine wenigen Kenntnisse anzuwenden. Ich liebe die Sprache, es war mein bevorzugtes Fach in der Schule. Aber du musst die Sprache öfter sprechen, um die Übung nicht zu verlieren. Ich bin da etwas schüchtern. Ich versuche aber die Sprache zu lernen, indem ich französische Filme schaue oder Musik höre.“
„T“: Ihre Siegesrede am 24. Oktober 2010 auf Kockelscheuer könnten Sie also in Französisch halten?
J.D.: (lacht) „Das ist noch ein langer Weg. Aber das wäre schon großartig.“
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