RadsportKevin Geniets über seine erste Grand-Tour-Teilnahme: „Werde versuchen, möglichst viel zu lernen“

Radsport / Kevin Geniets über seine erste Grand-Tour-Teilnahme: „Werde versuchen, möglichst viel zu lernen“
Kevin Geniets will bei seiner ersten Grand-Tour-Teilnahme möglichst viel lernen Archivbild: Editpress/Anouk Flesch

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Seit Kevin Geniets für das französische Team Groupama-FDJ unterwegs ist, hat sich der 1,92-m-Schlaks zu einem der Aushängeschilder im einheimischen Radsport entwickelt. Nach der erfolgreichen Verteidigung seines Landesmeistertitels sprang für den 24-Jährigen Platz 35 beim Straßenrennen in Tokio heraus. Vor der Vuelta, seiner ersten Grand Tour, hat sich das Tageblatt mit dem ambitionierten Profi unterhalten.

Tageblatt: Welche Eindrücke haben Sie vom Straßenrennen in Tokio mitgenommen?

Kevin Geniets: Es war ein extrem schweres Rennen, sowohl vom Parcours her als auch von den äußeren Bedingungen. Mit meinem Resultat bin ich auch zufrieden. Ich habe alles rausgeholt, was möglich war. Mehr als Rang 35 war für mich auf einer Strecke mit fast 5.000 Höhenmetern nicht drin. Ansonsten war es wegen Corona ein ganz spezielles Erlebnis. Wir Radfahrer waren abgeschottet und in einem Hotel und nicht im olympischen Dorf untergebracht. Vom olympischen Flair haben wir nichts mitbekommen. Die Trainingsmöglichkeiten vor Ort hingegen waren ausgezeichnet, besonders in der Gegend um den Mount Fuji. Ich hatte nicht gedacht, dass es im Umland von Tokio landschaftlich so schön wäre. Beim Rennen waren sehr viele Zuschauer vor Ort, besonders auf den ersten Kilometern, gleich nach dem Start in Tokio. Der Tag des Rennens war ein rundum gelungener Tag.

Wenige Tage nach dem Olympia-Rennen haben Sie gleich die Vuelta a Burgos als Vorbereitung auf die Vuelta in Angriff genommen. Kam die Erholung dabei nicht zu kurz?

Es war schon etwas kompliziert, auch wegen der langen Reise und der Zeitumstellung. Während ein paar Tagen war ich sehr müde. Zu Beginn des Rennens lief es dann schon besser. Über einen Mangel an Rennen kann ich mich in diesem Jahr nicht beklagen. Bei der Vuelta a Burgos ging es darum, weiter zu meinem Rennrhythmus zu finden. Ich hatte gute Beine. Auf der zweiten oder dritten Etappe wäre ich fast durchgekommen. Nach einer Attacke sieben Kilometer vor dem Ziel bin ich erst auf den letzten 500 Metern gestellt worden. In dieser aggressiven Art und Weise will ich weiterhin meine Rennen bestreiten, um dann irgendwann den ersten Sieg einzufahren.

Galten die letzten Tage ausschließlich der Erholung?

Ich war jetzt genau drei Tage zu Hause. Ich habe diese Pause genutzt, um Zeit mit meiner Freundin zu verbringen. Es ist wichtig, sich auch mental zu erholen.

Welches Zwischenfazit können Sie zu diesem Zeitpunkt ziehen?

Die Saison hat sehr gut begonnen. Beim Omloop Het Nieuwsblad konnte ich meine erste Top-10-Platzierung bei einem Rennen der WorldTour herausfahren. Anschließend kam ich bei der Strade Bianche als 16. ins Ziel. Am Ende der Klassiker-Rennen hatte ich dann erstmals mit Asthma-Problemen zu kämpfen. Beim Critérium du Dauphiné war ich erneut sehr gut unterwegs. In den Bergen konnte ich meinen Teamkollegen lange zur Seite stehen. Bei der Landesmeisterschaft konnte ich meinen Titel verteidigen. Allgemein kann ich demnach mit dem bisherigen Saisonverlauf zufrieden sein.

Mittlerweile sind Sie kein Unbekannter mehr im Peloton. Kommt Ihnen das zugute oder ist es eher eine Last?

Ich habe schon bemerkt, dass immer mehr Leute mich kennen. Bei der Vuelta a Burgos war ich doch überrascht darüber, dass spanische Zuschauer in den Bergen meinen Namen gerufen haben. Natürlich trägt das Landesmeister-Trikot zur Bekanntheit bei. Es ist sicherlich einfacher, eine Attacke zu fahren, wenn dich keiner kennt. Mittlerweile ist ein solches Unterfangen komplizierter geworden.

Die Vuelta ist Ihre erste Teilnahme an einer Grand Tour. Mit welcher Einstellung und mit welchen persönlichen Erwartungen nehmen Sie die dreiwöchige Rundfahrt in Angriff?

Es ist schon komisch, nach so vielen Jahren, die ich jetzt schon im Rennsattel sitze, etwas Neues zu erleben, bei dem ich keine Anhaltspunkte habe. Ich werde von Tag zu Tag sehen, wie es läuft und dabei versuchen, möglichst viel hinzuzulernen. Natürlich geht es auch darum, Arnaud (Démare) besonders auf den ersten flachen Etappen zu einem Sieg zu verhelfen. Persönlich werde ich sicherlich die eine oder andere Freiheit bekommen. Meine Beine werden mir dann sagen, ob ich einen Fluchtversuch wagen kann oder nicht. Wenn sich die Gelegenheit bietet, werde ich sie beim Schopf packen.

Haben Sie Bedenken, was Ihre Erholung über eine solch lange Distanz anbelangt?

Bei meinen Anhaltspunkten, dem Critérium du Dauphiné und der Tour de Suisse beispielsweise, hatte ich in der Hinsicht keine Probleme. Im Gegenteil, auf den letzten Tagesabschnitten dieser Rundfahrten brachte ich meine besten Leistungen. Wie es bei längeren Rundfahrten wie der Vuelta aussehen wird, wissen wir in drei Wochen (lacht).

Streben Ihr Team, oder vielleicht auch Sie selbst, eine gute Platzierung in der Gesamtwertung an?

Die Gesamtwertung spielt für mich absolut keine Rolle. Ich ziehe es vor, meine Beine an einem Tag etwas zu schonen, um dann auf der folgenden Etappe den Sprung in die Ausreißergruppe zu schaffen. Für keinen unserer Fahrer ist die Gesamtwertung das erklärte Ziel. Mit von der Partie ist Rudy Molard, der schon einmal für ein paar Tage das rote Trikot getragen hat. Unser Ziel als Mannschaft ist es, aggressiv aufzutreten, bei den Angriffen dabei zu sein, um dann idealerweise den ein oder anderen Sieg einzufahren.

Welche Rennen stehen danach auf dem Programm? Sind Sie bei der Tour de Luxembourg am Start?

Bei der Tour de Luxembourg werde ich nicht dabei sein. Was die Weltmeisterschaft anbelangt, so gilt es, die Selektion des Verbandes abzuwarten. Luxemburg hat nur einen Startplatz zur Verfügung. Natürlich hoffe ich dabei zu sein, zumal mir der Parcours entgegenkommt. Zuvor steht noch Paris-Tours und eventuell die Teilnahme an der Europameisterschaft auf meinem Programm.

Vor drei Jahren stand Ihr Bestreben, Radprofi zu werden, auf der Kippe. Jetzt wollen sie bei der Vuelta um den Etappensieg mitfahren. Ein wahrlich steiler Karriereverlauf …

Seit meiner Zeit bei den Junioren habe ich mich jedes Jahr steigern können, mit Ausnahme meines dritten Jahres bei den U23, das komplett danebenging. Das hatte mehrere Gründe, auch außersportliche. Zu dem Zeitpunkt hatte ich mir Gedanken gemacht, ob ich mit dem Radsport weitermachen soll. Ich habe mich dazu entschieden, meiner Karriere einen neuen Anstoß zu geben. Seit der Aufnahme in der Kontinentalformation von Groupama-FDJ ging es stetig bergauf. Ich bin sicherlich kein Überflieger. Für mich gilt es weiter in diesem Rhythmus Fortschritte zu machen.