Radsport / Saison 2009: Andy Schleck: Auf eigene Rechnung

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Am Samstag wird Andy Schleck mit der Kalifornien-Rundfahrt in die Saison 2009 einsteigen. Ein Jahr, für das ihm die Auguren wieder einmal Großes voraussagen. Die Frage scheint nicht zu sein, ob, sondern wann der 23-Jährige die Erwartungen bestätigen wird. Kim Hermes

Am Samstag wird Andy Schleck mit der Kalifornien-Rundfahrt in die Saison 2009 einsteigen. Ein Jahr, für das ihm die Auguren wieder einmal Großes voraussagen. Die Frage scheint nicht zu sein, ob, sondern wann der 23-Jährige die Erwartungen bestätigen wird.

Kim Hermes

Schon im Vorjahr wurde Schleck, der Jüngere, als Toursieger gehandelt. „Schuld“ daran waren ein zweiter Platz im Giro 2007 und ein Talent, das von allen Seiten beschrien wird. Als er dann auch noch bei Liège-Bastogne-Liège und der Tour de Suisse sein Können aufblitzen ließ und das französische „Vélo Magazine“ ihn mit dem Gelben Trikot um den Hals ablichtete, war der Status als Tour-Anwärter amtlich.
Doch auch davor war Andy Schleck alles andere als ein Geheimtipp. Cyrille Guimard, der schon aus Bernard Hinault, Laurent Fignon, Greg Lemond und Lucien Van Impe Toursieger gemacht hat, erzählt schon seit Jahren jedem, der es hören will, vom großen Talent des Andy Schleck. „Du konntest sofort sagen, dass er ein geborener Sieger ist. Das habe ich bei Fignon, Lemond und Hinault gesehen, und ich habe es bei Schleck sofort gesehen,“ erinnerte er sich nach dem Giro 2007 an die frühen Jahre von Andy Schleck beim U23-Team vom VC Roubaix.
Schleck ist inzwischen vom Hoffnungsträger zum Sieganwärter geworden. Bei Eintagesrennen und bei großen Rundfahrten. Mit Giro und Tour de France hat er zwei davon bestritten. In Italien landete er 2007 als bester Jungfahrer auf dem zweiten Platz, bei der Tour letztes Jahr wurde er – wieder als bester Jungprofi – 12. Starke Leistungen bei Liège-Bastogne-Liège (4.), dem olympischen Straßenrennen (5.) und der Tour de Suisse (6.) runden das Ganze ab. Aber noch fehlt der große Wurf. Zu einem Sieg in einem bedeutenden Rennen reichte es noch nicht. Ein Hungerast auf der Tour-Etappe nach Hautacam machte die Chancen auf einen Podiumsplatz zunichte, auch wenn Schleck danach – vor allem auf der Etappe nach Alpe d’Huez – teilweise der stärkste Fahrer im Peloton zu sein schien. Er fuhr aber nicht mehr auf eigene Rechnung, sondern für die Mannschaft. Erst für seinen Bruder Frank und dann für Carlos Sastre.
Das wird in diesem Jahr anders sein. Toursieger Sastre ist zum Cervelo-Team gewechselt, die Kapitäne bei Saxo Bank für die großen Klassiker und die Tour de France heißen beide Schleck, Frank und Andy. Und dessen Chancen auf den ersten großen Sieg steigen mit dem Maß an Freiheit, das er in den Rennen genießen wird. Aber Druck hat er immer noch keinen. Schleck ist 23 und damit noch eine ganze Ecke vom besten Radsport-Alter entfernt. Dennoch: „Ich hätte die eine oder andere Etappe gewinnen können, aber ich habe mich dann geopfert“, erinnerte er sich gegenüber cyclingnews an die Tour 2008. Und natürlich ist er im Rückblick „etwas traurig“, dass es nicht zu einem Sieg gereicht hat. Aber das ist nicht ganz so leicht, wenn man sich Klassiker, Tour de France und Olympia als Ziele setzt. Die bleiben, bis eben auf Olympia, die gleichen. Mit dem kleinen Unterschied, dass das Team Saxo Bank ganz auf die Schlecks ausgerichtet sein wird, vor allem für die Tour de France. Und Andy Schleck hat neben dem Team auch ein Plus an Erfahrung im Rücken. Und so schnell wird er auch sicher nicht mehr vergessen, zu essen, wie in Hautacam.
Die Erfahrung von zwei großen Rundfahrten und der großen Klassiker im Rücken, eine starke Mannschaft, die bei der Tour im Prinzip für ihn (und seinen Bruder Frank) fahren dürfte, unbestrittenes Talent, die nötige Ruhe im Rennen, ein „großer Motor“ und gute Erholungswerte bei längeren Rundfahrten. Alles, was Sieger auszeichnet, scheint er zu haben.
Aber wie steht es mit Schwächen? Ein 23-Jähriger kann im Prinzip in allen Bereichen zulegen und Andy Schleck wird nie ein starker Sprinter – aber das war es im Experten-Urteil schon. Schwerwiegende Defizite, wie etwa die seines älteren Bruders im Zeitfahren, hat noch keiner bei ihm ausgemacht. Nicht dass keiner danach gesucht oder gefragt hätte. Nach dem Giro etwa, doch Kim Andersen, sportlicher Leiter beim Team Saxo Bank, meinte auf die Frage gegenüber dem Magazin Procycling nur: „Er hat keine (…) Wirklich, ich glaube nicht, dass er irgendwelche Schwächen hat.“
Auch den Umgang mit den Medien meistert er relativ souverän. Er ist ein gefragter Interviewpartner, jeder will ein Stück von ihm. Neuerdings schreibt er sogar Tagebuch auf cyclingnews.com und bezieht dort artig Stellung zu der ganzen Problematik, die den Radsport umgibt: „Ich weiß, dass der Radsport Probleme hat und dass wir Radfahrer niemand anders dafür die Schuld geben können als uns selbst. Aber manchmal ist es schon hart.“ Schleck eignet sich zum Liebling der Massen und er gibt auch noch als neues Gesicht des Radsports etwas her. Er steht für eine neue, noch unbelastete Generation. Und so wird er immer eindringlicher zum kommenden Sieger hochgeschrieben und geschrien.
Außer eben, dass er noch nichts gewonnen hat. Doch er bleibt ruhig. Der Druck kommt von selbst, dafür muss er nichts tun. Die Tour de France muss er nicht sofort gewinnen, er kann irgendwann „als einer der großen Anwärter in das Rennen gehen. Vielleicht nicht nächstes Jahr, vielleicht nicht in zwei Jahren, aber eines Tages werde ich antreten, um zu gewinnen“, gab er unlängst zu Protokoll.
Ein Polterer und Lautsprecher war er nie, auch wenn er ziemlich genau weiß, wozu er fähig ist. Die Chancen stehen nicht so schlecht, dass er es in diesem Jahr richtig zeigen kann.
 

ANDY SCHLECK PROGRAMM DER 1. SAISONHÄLFTE

o Februar: Kalifornien-Rundfahrt (15.-22.)

o März: Paris – Nice (8.-15.), Critérium International (28.-29.)

o April: Tour des Flandres (5.), Baskenland-Rundfahrt (6.-11.), Amstel Gold Race (19.), Flèche Wallonne (22.),Liège-Bastogne-Liège (26.)

o Mai: Keine größeren Rennen programmiert

o Juni: Tour de Luxembourg (3.-7.), Tour de Suisse (13.-21.), Landesmeisterschaften (28.)

o Juli: Tour de France (4.-26.)   

STECKBRIEF ANDY SCHLECK 

o Geboren: 10. Juni 1985

o Größe: 1,86 m

o Gewicht: 67 kg

o Profi: seit 2005

o Palmarès: 2004: 1. Platz Flèche du Sud (Gesamtwertung), 2005: Luxemburger Meister Zeitfahren, 2006: Siege bei der 3. und 5. Etappe der Sachsen-Tour, 2007: Zweiter Platz Giro d’Italia und Sieger der Nachwuchswertung (3×3 Etappenplätze), 4. Platz Lombardei-Rundfahrt, 2008: 4. Platz Liège-Bastogne-Liège, 6. Platz Tour de Suisse, 12. Platz Tour de France und Sieger der Nachwuchswertung. 5. Platz im Olympischen Straßenrennen.