RADSPORT / Mailand – San Remo: Oscar „das Gespenst“ foppte Boonen und Petacchi

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Der dreifache Weltmeister Oscar Freire gewann zum dritten Mal Mailand - San Remo und zog im Palmarès mit Fausto Coppi und Roger De Vlaeminck gleich. Kim Kirchen leistete wertvolle Helferdienste für Filippo Pozzato, steckte dann aber genau wie vor ihm Andy Schleck auf. / Petz Lahure

Wenn man am wenigsten mit ihm rechnet, hüpft er wie von Geisterhand gelenkt aus der Kiste und gewinnt. Zum ersten Mal passierte das im Herbst 1999 bei der Weltmeisterschaft in Verona, zum vorläufig letzten Mal am Samstag bei der 101. „Classicissima“ in San Remo.

Die Rede ist von Oscar Freire, dem 34-jährigen Spanier (geb. am 15.2.1976), der aus Torrelavega stammt, seit Jahren aber schon in Coldrerio im Schweizer Tessin wohnt. Zwischen Freires Gewinn des Regenbogentrikots von 1999 und seinem „Primavera“-Erfolg vom Samstag liegen zwei weitere WM-Titel (2001, 2004), auch zwei zusätzliche Siege bei Mailand – San Remo (2004, 2007), dazu Erfolge bei Tirreno-Adriatico (2005), den „Vattenfall Cyclassics“ (2006 ), der „Flèche Brabançonne“ (2005, 2006, 2007) oder Gent-Wevelgem (2008), Etappensiege bei den verschiedensten Rundfahrten (außer dem Giro) und der Gewinn des „Maillot Vert“ bei der Tour de France 2008.

„Il Fantasma“ (das Phantom, das Gespenst) nennen ihn die Italiener seit Samstag. Vor elf Jahren in Verona hatten sie ihm den Namen „La Volpe“ (der Fuchs) verpasst. Freire ist beides. Während des Rennens sieht man ihn nicht, und am Schluss huscht er schlau wie ein Fuchs gespenstisch nach vorn, um den andern zu zeigen, wer Herr im Hause ist.

Auf der Fahrt von Mailand nach San Remo machten die Katusha-Fahrer um Filippo Pozzato, Sergei Ivanov, Alexandr Kolobnev, Luca Mazzanti, Eduard Vorganov und Kim Kirchen zwar Tempo in den Steigungen des Turchino und des Maniè, doch konnten sie das Feld nur momentweise entzweien. In der Cipressa mussten immerhin der von Magenkrämpfen geplagte Edvald Boasson Hagen und Vorjahressieger Mark Cavendish lockerlassen, doch weiß niemand, ob der Brite nicht vielleicht mit in den Sprint geschleppt worden wäre, wenn er (laut eigenen Aussagen) nicht Probleme an seiner Maschine gehabt hätte.

Als die Favoriten im Poggio noch immer zusammen waren, probierte es Pozzato zuerst mit Philippe Gilbert, dann wie mit seinem Team abgemacht noch einmal auf eigene Faust in der Abfahrt nach San Remo. „Zweieinhalb Kilometer vor dem Ziel aber musste ich im Gegenwind einsehen, dass das alles keinen Zweck mehr hatte“, sagte Pozzato am Ende des Klassikers, den er im Leerlauf beendete, als er vom Feld aufgesogen war (29. auf 18″). Der Rest war reine Formsache für Oscar Freire. Er verhielt sich taktisch richtig und bog hinter der Liquigas-Lokomotive Daniel Oss und deren Leader Daniele Bennati auf Platz drei in die Zielgerade ein. Im Hinterrad des Spaniers konnte Tom Boonen nur noch die schnelleren Beine seines Gegners bewundern. „Ich habe alles versucht“, so der belgische Meister, doch gegen diesen Freire war nichts zu machen.“

Schleck krank

Der strahlende Sieger, der in seiner Karriere oft mit schweren Verletzungen geplagt war (u.a. Rückenprobleme 2005, Rippenbrüche letztes Jahr in der Kalifornienrundfahrt beim Sturz mit Kim Kirchen), wollte das Rennrad eigentlich schon an den Nagel hängen. „Nun aber mache ich weiter, wahrscheinlich bis Ende 2011“, sagte Oscar Freire bei der Pressekonferenz. Seinem Team Rabobank, für das er seit 2003 fährt, will er bis zum Schluss seiner Karriere treu bleiben. Freire ist eigentlich ein „self-made sprinter“. Nie stellte ihm seine Mannschaft eine sogenannte „Lokomotive“ oder gar einen ganzen „Zug“ zur Verfügung. „Ich bin ein Individualist“, so Freire. „Ich beobachte immer die Gegner und richte mich nach ihnen aus.“

Von den beiden Luxemburgern, die in Mailand am Start waren, sah keiner das Ziel. Kim Kirchen leistete lange Zeit Helferdienste für Pozzato und verließ das Rennen erst am Fuße des Poggio, als er im zweiten Teil des Pelotons figurierte und seinem Leader nicht mehr von Nutzen sein konnte. „Für mich war es eine gute Prüfung“, so Kirchen. „Ich fühlte mich ausgezeichnet und habe alles für meinen Kapitän gegeben. Schade nur, dass wir nicht mit einem Erfolg abschließen konnten. Was nicht ist, kann in den nächsten Wochen aber bei den Rennen in Belgien noch werden.“

Auch Andy Schleck, der nach rund 200 km vom Rad stieg, hofft auf bessere Zeiten. „Die Knieschmerzen sind nur noch eine böse Erinnerung“, so der Saxo-Bank-Fahrer, „doch hatte ich mit einer Erkältung zu kämpfen. Ich war krank und nicht im Vollbesitz meiner Kräfte. Natürlich wirft mich das in meiner Vorbereitung etwas zurück, doch die Saison ist noch lang.“

Die Ergebnisse

Mailand – San Remo (298 km):
1. Oscar Freire (Spanien/Rabobank 6:57:28 Std.; 2. Tom Boonen (Belgien/Quick Step; 3. Alessandro Petacchi (Italien/Lampre); 4. Sacha Modolo (Italien/CSF Inox); 5. Daniele Bennati (Italien/Liquigas); 6. Thor Hushovd (Norwegen/Cervelo); 7. Francesco Ginanni (Italien/Androni Giocattoli); 8. Maxim Iglinskiy (Kasachstan/Astana); 9. Philippe Gilbert (Belgien/Omega Pharma-Lotto); 10. Luca Paolini (Italien/Acqua Sapone); 11. Matti Breschel (Dänemark/Saxo Bank), 12. Anthony Geslin (Frankreich/FdJeux), 13. Enrico Gasparotto (Italien/Astana), 14. Geoffroy Lequatre (Frankreich/RadioShack), 15. Paul Martens (Deutschland/Rabobank), 16. Yoann Ofredo (Frankreich/FdJeux), 17. Fabian Cancellara (Schweiz/Saxo Bank), 18. Juan Antonio Flecha (Spanien/Sky), 19. Linus Gerdemann (Deutschland/Milram), 20. Pablo Lastras (Spanien/Caisse d’Epargne) alle gleiche Zeit

Aufgegeben: u.a. Andy Schleck (Luxemburg/Saxo Bank), Kim Kirchen (Luxemburg/Katusha)