„Monsieur 60 Prozent“ wird 50

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RADSPORT - „Monsieur 60 Prozent“ wird 50: am Donnerstag (03.04.14) feiert der Däne Bjarne Riis runden Geburtstag. Der ehemalige Tour-de-France-Sieger ist eine der belasteten Figuren im Radsport – mit sehr viel Bezug zu Luxemburg (siehe Kasten).

Es gibt gewiss so einiges, was Bjarne Riis vor seinem 50. Geburtstag gewünscht wird – Zeit zur Besinnung gehört dazu. Einmal raus aus dem Profizirkus, in sich gehen, die Welt des Radsports sich einfach mal ohne ihn weiterdrehen lassen.

Der Adler aus Steinsel

Bjarne Riis zog 1985 nach Luxemburg und lebte bis zum Ende seiner sportlichen Laufbahn 1998 ins Steinsel. Er schloss sich dem ACC Contern von Marcel Gilles an und fuhr sogleich 15 Siege für das Team ein, bevor er 1988 ins Profilager wechselte. Zu seinen Ehren wurde 1996, dem Jahr, in dem er die Tour de France gewann, zum ersten Mal die „Gala Tour de France“ organisiert. Die Erstauflage fand noch in Steinsel statt und hieß „Gala Bjarne Riis“.

Doch auch nach seiner aktiven Laufbahn blieb eine gewisse Beziehung zu Luxemburg bestehen. Denn 2003 heuerte Frank Schleck bei Riis’ CSC-Team an. Riis war nicht nur einer der großen Förderer des älteren der beiden Schleck-Brüder: 2005 nahm er auch Andy Schleck im Alter von 19 Jahren unter seine Fittiche. Mit den beiden Brüdern feierte der Däne große Erolge, wie z.B. den Sieg beim Amstel Gold Race 2006 durch Frank Schleck oder bei Liège-Bastogne-Liège 2009 durch Andy, sowie beim Tour de France-Sieg 2010. Als das Projekt Leopard ins Leben gerufen wurde, endete die Zusammenarbeit. Lediglich Laurent Didier (von 2008 bis 2011) blieb noch ein Jahr beim CSC-Nachfolgeteam Saxo Bank.

„Eine zwei- bis vierjährige Reflexion wäre nicht schlecht für jemanden wie Bjarne Riis“, sagte schon im vergangenen Sommer Ex-Profi Jörg Jaksche, denn der einzige dänische Tour-de-France-Sieger schleppt nach wie vor Vergangenheitsballast mit sich herum.

Mit den Vorwürfen um von Riis gelenktes Doping im einstigen CSC-Team hat dieser bis heute nicht reinen Tisch gemacht, die Ergebnisse der Ermittlungen dazu in seiner dänischen Heimat sind bis dato nicht öffentlich bekannt.

Ramponiertes Image

Dem „Adler von Herning“ werden aufgrund verstrichener Verjährungsfristen wohl keine Sanktionen mehr drohen, sein Image bleibt vor dem runden Ehrentag ham Donnerstag (03.04.14) dennoch außerordentlich ramponiert. „Er ist kein schlechter Mensch, aber auch einer von denen, die denken, ihnen gehört der Radsport, nur weil sie ein Profiteam haben“, sagte Jaksche. Riis’ Team gehört inzwischen einem anderen, dem Russen Oleg Tinkow.

Es heißt jetzt Tinkoff-Saxo, doch die sportlichen Geschicke lenkt Riis immer noch selbst. Gerade plant er mit seinem Kapitän Alberto Contador den Großangriff auf Christopher Froome und die britische Equipe Sky bei der Tour de France im Juli. Akribisch verfolgt Riis dieses Ziel, und mit leidenschaftlicher Hingabe. Der Däne ist jemand, der vom Radsport nicht lassen kann.

„Sein Lebenswerk“

Vielleicht fehlt ihm auch daher die Einsicht, wenigstens für einige Zeit aus dem Rampenlicht zu treten. Er beschrieb seine Situation im vergangenen Juli während der Tour de France einmal so: „Die Leute haben das Recht, zu sagen, dass ich nicht mehr Teil des Radsports sein soll. Aber ich habe in den vergangenen Jahren eine Menge für den Sport getan. Ich denke, ich habe das Recht, bei der Tour zu sein.“

Er wolle dem Radsport Gutes tun und habe die richtige Philosophie. Es heißt, Riis habe große Befreiung verspürt, als Tinkow ihm die geschäftliche Verantwortung mit dem Abkauf der Lizenz abnahm. Schon nach der Dopingsperre gegen Contador im Februar 2012 hatte ihn die damit verbundene Sorge um sein Team gesundheitlich schwer belastet. „Ich stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Wenn man uns die Lizenz entzogen hätte, wäre mein Lebenswerk zerstört gewesen“, sagte Riis damals dem dänischen Sender TV2. Zu diesem Lebenswerk gehört aber eben auch seine unrühmliche Episode als notorischer Doper.

„Monsieur 60 Prozent“

Von den Enthüllungen des ehemaligen Telekom-Masseurs Jef D’hont war er 2007 praktisch zu einem Geständnis gezwungen worden, seinen Tour-Titel durfte Riis behalten – Vergehen verjährt. Der Radsport-Weltverband UCI verzichtete letztlich auf Maßnahmen wie bei Lance Armstrong, dessen Resultate aus den Annalen radiert wurden.

Riis bekam damals auch den wenig schmeichelhaften Beinamen „Monsieur 60 Prozent“, weil sein Blut des Öfteren einen solch hohen Hämatokritwert aufwies – was er stets bestritt. Für D’hont war Riis sogar „Monsieur 64 Prozent“.

Zu der Erkenntnis, dass es im Radsport so nicht weitergeht, will Riis nach der Tour 1998 und dem Festina-Skandal gelangt sein. Ihm das zu glauben, ist mit dem heutigen Wissen beinahe unmöglich. „Die Vergangenheit kann man nicht mehr ändern“, sagte Riis einmal. Aber man kann zumindest mit ihr aufräumen.