Mit kalkuliertem Risiko weiter nach vorne

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Die Luxemburger Nationalelf hat ihr Punktekonto der WM-Qualifikation am Dienstag in Belfast eröffnet. Schöne Moment-Aufnahme: Die Mannschaft von Luc Holtz steht nach dem zweiten Spieltag auf dem dritten Tabellenplatz der Gruppe F.

Tageblatt: Zwei WM-Qualifikationsspiele binnen fünf Tagen, und ein Punkt. Ist dies der gerechte Lohn für beide Einsätze?

Ben Payal und Co.: Punkt gegen Portugal verdient, in Nordirland abgeholt. (Bild: Gerry Schmit)

Luc Holtz: „Ja, auf jeden Fall. Nach dem Spiel am Freitag wurden wir kritisiert, da unsere Leistung keine Punkte gebracht hat. Wir haben uns diesen Zähler unter ganz schweren Bedingungen in Nordirland abgeholt.“

Es ist lange her, dass Luxemburg im Ausland punktete. Was hat gestern (am Dienstag) den Ausschlag für dieses Remis gegeben?

„Wir haben das Spiel eigentlich ziemlich gut begonnen. Das Tor kassieren wir in Unterzahl (Tom Schnell wurde zu diesem Zeitpunkt wegen seiner Verletzung unter dem Auge behandelt, d.Red.). Die letzten 20 Minuten vor der Pause hatten wir Probleme mit dem Druck, der physische Aufwand war groß. In der Pause habe ich einige taktische Verbesserungen vorgenommen. Die zweite Halbzeit war ganz gut, der defensive Block stand höher als vorher. Wir haben es fertiggebracht, den Gegner von unserem Tor fernzuhalten. Wenn wir im Ballbesitz waren, strahlten wir mehr Sicherheit aus. Im Bereich des Abschlusses gibt es allerdings noch Verbesserungspotenzial.“

In der ersten Periode lief es wahrlich nicht gut. Woran lag das?

„Einerseits kamen wir gut ins Spiel rein, nach dem Tor hat die Moral dann aber etwas gelitten. Die Nordiren haben dadurch Selbstbewusstsein getankt und Druck auf uns ausgeübt. Sie haben die Räume gut zugesetzt und ihre athletische Masse ausgenutzt. Wir haben es verpasst, die Duelle anzunehmen, und haben zu viel hohe Bälle gespielt. Einzelne Stellungsfehler wurden in der Pause behoben.“

Die Mannschaft bot eine komplett andere zweite Halbzeit, mit dem entscheidenden Tor. War die Risikobereitschaft größer als noch vor der Pause?

„Nicht unbedingt. Es lag hauptsächlich daran, dass wir defensiv kompakter standen. Wir haben die Zweikämpfe angenommen, und die nötigen Kopfballduelle gewonnen. Im Ballbesitz lief es besser, wir haben den Aufbau mehr gesichert. Auf physischer Ebene hat man gesehen, dass die Nordiren etwas nachgelassen haben. ‚Wat de Match méi laang ginn ass, wat mir méi iwwerleeë waren‘.“

Ist dies auch das Risiko, das die luxemburgische Nationalmannschaft in Zukunft eingehen muss?

„Das hängt natürlich vom Gegner ab. Am Dienstag war es ein enorm schweres Auswärtsmatch, da das Publikum enthusiastisch war und dauernd pushte. Da ist es schwer, dagegenzuhalten. Wenn Druck hinzukommt, wird es nicht einfacher. Das wurde besser, als wir im Aufbau ruhiger geworden sind.“

Es liegen zwei intensive Spiele hinter Ihnen. Welches war das wichtigste?

„Alle beide. Portugal war, was die Vorstellung anbelangt, etwas ganz Außergewöhnliches. Es wird schwer werden, diese Leistung noch einmal zu toppen – gegen einen solchen Gegner von Format. Es war die Herausforderung, diese Vorstellung in Nordirland zu bestätigen. Wir müssen realistisch bleiben. Hut ab vor den Jungs, die diesen Punkt hier in Belfast geholt haben. Man muss bedenken, dass Luxemburg nach zwei Spieltagen den dritten Tabellenplatz belegt – dies mit zwei Toren, die aus dem Spiel heraus fielen. Das sagt eigentlich genug über die Leistung aus.“

Wo liegen derzeit noch die größten Defizite?

„Die körperliche Verfassung spielt gegen solche Gegner immer eine wichtige Rolle. Da müssen wir uns kontinuierlich weiterentwickeln. Wir haben nun mal verschiedene Spieler, die von ihrer Statur her nicht die Größten sind – da muss man ruhig bleiben. Den Ball im Aufbau in den Reihen zu haben, ist immer mit Risiko verbunden. Ich muss sagen, dass sich die Mannschaft in diesem Bereich sehr verbessert hat, das wurde gestern (am Dienstag) unter den schwierigen Bedingungen deutlich.“

Der Grundstein

Das Team war teilweise über zwei Wochen zusammen in den Lehrgängen unterwegs. Der Schlüssel zum Erfolg?

„Ja. Ich habe mich schon immer darauf behauptet und werde dies auch in Zukunft tun, alleine schon der Physis wegen. Den Grundstein für diesen Punkt haben wir bereits beim Spiel gegen Charleroi gelegt. Es wird zur Gewohnheit – die Spieler müssen von Beginn an in der Partie präsent sein. Von Spiel zu Spiel wurde das intensiver.“

Die anstehende Challenge heißt zweimal Israel. Was erwartet uns dort?

„’Ech ginn de Leit Rendez-vous den 12. Oktober am Stade Josy Barthel.‘ Das hier (der Punkt in Nordirland) hat Appetit auf mehr gemacht. Es ist wichtig für die Moral, dass wir diesen Punkt nun haben, die Null steht nicht mehr. Im Hinspiel treten wir auf unserem Platz gegen einen fußballerisch stärkeren Gegner an. Ab morgen (heute) werde ich mich mit der Vorbereitung beschäftigen und den Gegner analysieren. Wir wollen den Zuschauern noch einmal diesen Abend, wie wir ihn am Freitag erlebt haben, bieten.“

Fünf Punkte in dieser Kampagne zu holen, scheint gar nicht mal so utopisch zu sein, oder?

„Jeder Punkt ist für uns ein Erfolg. Das darf man nicht aus den Augen verlieren. Unser Kollektiv funktioniert mittlerweile sehr gut zusammen. Natürlich setzt man sich Ziele, ich möchte aber keine genaue Zahl nennen, die es zu erreichen gilt. Gegen den Gegner von gestern (Dienstag) und Aserbaidschan zu Hause müssen wir um Punkte spielen. Aber das hängt von vielen Faktoren ab, von den Verletzungen bis zur Tagesform der Spieler. Da muss man jedes Mal neu entscheiden, wie viel Risiko man bereit ist, einzugehen. Fest steht, dass die Möglichkeit besteht, weitere Punkte einzufahren.“

Neue Möglichkeiten

Kann man Ihre Idee, weiter den Weg nach vorne zu suchen, als Leitsatz für die laufende Qualifikationskampagne definieren?

„Ja. Es gibt mit Sicherheit Spiele, zum Beispiel gegen Portugal und Russland, wo wir eine gute defensive Basis brauchen. Wir dürfen in solchen Begegnungen nicht zu viel Risiken eingehen, weil wir sonst die Räume zu sehr öffnen würden. Solche Gegner können sehr schnell umschalten. Gegen alle andern ist es unser Ziel, unsere Phasen im Ballbesitz zu verbessern und uns weiterzuentwickeln. Dass wir zwei Tore in zwei Spielen geschossen haben, spricht für sich. Wir werden versuchen, diesen Weg weiterzugehen, da wir sehen, dass wir im offensiven Bereich neue Möglichkeiten haben.“

(Christelle Diederich/Tageblatt.lu)