„Luxemburger Boxnacht“ in West Ham

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Die Boxwelt steht kopf, und Luxemburg mittendrin: Der britische Skandalboxer Dereck Chisora erhält eine Luxemburger Lizenz und wird am 14. Juli bei einem Kampfabend in London, der unter der Autorität des Luxemburger Verbandes FLB stattfindet, gegen seinen Landsmann, aber vor allem verhassten Intimfeind, David Haye antreten.

Die Vorgeschichte ist bekannt: Wegen der blutigen Prügeleinlage gegen Haye bei einer Pressekonferenz in München vor drei Monaten sowie Ohrfeigen und Spuckattacken gegen die Klitschko-Brüder ist Chisora vom britischen Verband auf unbestimmte Zeit die Lizenz entzogen worden.

Das ist auch der (juristische) Haken, der das Ganze völlig legal möglich macht: Chisora wurde nie gesperrt, von niemandem. Auch nicht vom Weltverband WBC, unter dessen Autorität der Klitschko-Titelfight in München stattfand: Hier hieß es einfach, dass er lebenslänglich nicht mehr in einem WBC-Ranking geführt werde. Es liegt demnach keine offizielle Sperre vor. Selbst schuld, ist man da geneigt zu sagen …

„Bösewichte“

Beim Luxemburger Verband sieht man das Ganze denn auch recht pragmatisch. FLB-Generalsekretär Toni Tiberi sagt: „Es liegt keine Sperre gegen Chisora vor. Beantragt ein Profiboxer bei uns eine Lizenz, wäre das der einzige mögliche Grund, diese zu verweigern. Tun wir das ‚einfach so‘, zieht Chisora vor ein Gericht – Stichwort Berufsverbot, er ist Profiboxer – und wird Recht bekommen. Wenn nicht wir ihm eine Lizenz geben, geht er zum nächsten Verband und bekommt dort eine.“

„Dann doch lieber wir“, so die Meinung der FLB. „Natürlich ist das nicht schön und nicht sportlich, was er getan hat, und auch nicht zu entschuldigen. Aber in anderen Sportarten treten ‚Bösewichte‘ nach Ablauf von Sperren auch wieder an“, so Tiberi weiter.

In die Wege geleitet wurde der Deal im Übrigen von Bruce Baker, Vorsitzender der Profibox-Kommission des britischen Verbandes. Der selbst gegen diesen Kampf ist. Baker wird denn auch zurücktreten und ebenfalls eine Luxemburger Lizenz annehmen. Die definitive Anfrage für die Chisora-Lizenz – es fehlt noch ein sportmedizinisches Attest – kam von dessen Manager Frank Warren, der am Dienstag die Pressekonferenz veranstaltete, bei der der Fight angekündigt wurde.

Intimfeind Haye hatte übrigens auch eine Luxemburger Lizenz beantragt – er war im Herbst 2011 zurückgetreten und ist derzeit ohne Lizenz –, laut Informationen von Tiberi wird er diese aber nun bei einem anderen Landesverband beantragen. Die juristische Einschätzung des Falls ist derweil auch beim europäischen Verband EBU die gleiche: „Der britische Verband könnte mit einer einstweiligen Verfügung dagegen vorgehen. Dann würde Warren aber vor das europäische Arbeitsgericht in Straßburg ziehen“, sagte Jean-Marcel Nartz, Vorstandsmitglied der EBU. Die EBU habe keine Möglichkeit, Sanktionen gegen die FLB zu verhängen, so Nartz.

Zwei Titelkämpfe

Der Kampf im Schwergewicht dürfte derweil auch ein Titelkampf werden: „Sicher nach Version des Weltverbandes WBF“, so Tiberi, „und nach meinen Informationen wird auch mit der WBA verhandelt.“

Im Rahmen der „Luxemburger Boxnacht“ im Fußballstadion von West Ham United trifft übrigens der russische WBA-Schwergewichtsweltmeister Alexander Powetkin auf den US-Pflichtherausforderer Hasim Rahman. Dem Sieger könnte dann durchaus der Sieger des britischen Hass-Duells winken.

Von „sich kaufen lassen“ oder ähnlichen Vorwürfen kann man übrigens nicht reden: Chisora wird die in den Regeln vorgesehene Lizenzgebühr an die FLB zahlen und sein Manager Warren die ebenfalls vorgesehene Veranstaltungsgebühr. Die bei zwei Titelkämpfen allerdings nicht unbedeutend sein wird. Einen Präzedenzfall gibt es auch schon: Am vergangenen 20. April fand ein Kampfabend mit u.a. einer Frauen-WM in Dortmund unter der Oberhoheit des Luxemburger Verbandes statt.

Abschließend sieht Toni Tiberi die Aktion trotzdem als einmalig an: „Die wollen wohl nur ihre Wut im Ring aneinander auslassen.“ Womit er wohl recht hat. Und es ist letztendlich wohl auch genau das, was die (britische) Öffentlichkeit sehen will, und weshalb dieser Kampf veranstaltet wird: Wer von den beiden britischen Box-Großmäulern ist denn nun der bessere im Ring?