„Lieber Etappensieg“

„Lieber Etappensieg“
(Tageblatt/Julien Garoy)

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RADSPORT - Im kleinen, familiären Kreis nahm sich Frank Schleck am Dienstag in Ornans lange Zeit, um mit der Presse über die Tour 2014 zu reden.

Ehe die Fragerunde losging, erfüllte der 34-Jährige aber noch einem kleinen radsportbegeistertem Burschen einen Traum, indem er sein Autogramm auf dessen Miniaturausgabe des „Maillot jaune“ setzte.

Frank, zehn Etappen dieser Tour haben wir hinter uns, wie sieht deine Zwischenbilanz aus?

Frank Schleck: „Die Bilanz dieser Tour ist natürlich nicht sehr rosig, es gab sehr viele Stürze, bedingt durch den Regen, die Nervosität. Die Stürze dürfen wir nicht als normal ansehen. Zehnmal am Tag schauen wir dem Tod in die Augen. Man kann sich denken: ‚Frank wird alt‘. Okay, kann man, aber ich sehe diese Stürze nicht als normal an. Ansonsten hatte ich eine Woche, wie ich sie erwartet hatte. Ich habe ganz klar zu viel Zeit auf der Etappe nach Roubaix verloren. Das ist nun mal so, das nehme ich auch auf meine Kappe. Nach einem Plattfuß findest du dich dann in einer vierten Gruppe wieder, das ist halt so. Ansonsten bin ich ohne größeren Sturz durchgekommen. Am Montag fehlte mir nur ein klein wenig, um ganz vorne mitzufahren. Wenn man bedenkt, dass ich bei der Tour de Suisse gestürzt bin und eine Gehirnerschütterung hatte, und nachdem ich anderthalb Jahre nicht fahren konnte, kann ich recht zufrieden sein.“

Betreffend die Etappen wurde für diese Ausgabe viel geändert: Viele kurze, steile Anstiege und weniger reine Bergetappen in den Alpen und Pyrenäen. Wie sehr haben diese Etappen an eurer Substanz gezehrt?

„Dass es auch noch regnete, kann man niemandem vorwerfen. Das Profil in den Vogesen war wunderschön, für sehr viele Fahrer – auch für mich – war die Etappe nach La Planche des Belles Filles die schwerste in dieser ganzen Tour. Keine Berge, die zwölf Kilometer lang sind, aber Berge von sechs, sieben Kilometern, wo niemand loslässt und es kein Gruppetto gibt. Die Jungs hinten fühlen sich fürchterlich. Daher ist es wichtig, ein gutes Team um sich zu haben. Ich hatte das Glück, Fabian (Cancellara) an meiner Seite zu haben.“

Dir ist wichtig, dass du dir selbst auch Freude bereitest; wie sehr haben die Etappen in England mit dieser unglaublichen Menschenmasse auf euch Fahrer gewirkt?

„Das Ganze hat Vor- und Nachteile. Einerseits all diese Leute, die sich für den Radsport begeistern, auch wenn sie noch nie zuvor ein Radrennen gesehen haben. Das war Begeisterung pur. Andererseits, sage ich oft: ‚Passt auf, passt auf eure Kinder auf.‘ Dass Andy gefallen ist, war nur den Zuschauern geschuldet.“

Nach der Aufgabe von Fabian Cancellara seid ihr jetzt allerdings nur noch zu sechst im Team. Keine ideale Situation vor den Alpen.

„Nein, das Team versteht, dass Fabian aufgehört hat. Er fuhr sehr gut im Frühjahr (der Schweizer hat bereits 59 Renntage in den Beinen, d.Red.) und war einer unserer Allerbesten. Ich weiß auch, dass Jens (Voigt) oder Markel (Irizar) uns nicht sehr viel in den Bergen helfen können, doch uns bleibt ja auch noch Haimar (Zubeldia). Wir werden versuchen, das Beste aus dieser Situation zu machen.“

Wenn du dir wünschen könntest: entweder eine Top-10-Platzierung oder ein Etappensieg, wie würdest du dich entscheiden?

„Nimmt man die acht Minuten weg, die ich nach Roubaix verlor, und nehmen wir an, ich hätte dort nur vier Minuten verloren, dann wäre ich heute nicht weit weg von den Top 10. Aber klar würde ich lieber eine Etappe gewinnen als am Ende Zehnter zu werden.“

Anfangs sagtest du, die Tage aus der Tour de Suisse würden dir fehlen. Kann dir dieser Fakt jetzt für die zweite Hälfte der Tour entgegenkommen?
F.S.: „Ja, ich hoffe auch, dass es so sein wird. Aber das ist Theorie, ich muss das in die Praxis umsetzen und hoffen, dass ich mich weiter steigern kann.“

Was erwartest du noch von den letzten fast zwei Wochen?

„Ich denke, dass es ein langweiliges Rennen wird, da niemand Vincenzo Nibali wird schlagen können. Es wird – meiner Meinung nach – nur noch ein Rennen um Platz 2 geben. Da Astana alles kontrollieren wird, werden sich wohl noch einige gute Möglichkeiten bieten. Ich darf diese dann natürlich nicht verpassen.“

Ein Etappensieg würde es für dich auch leichter in den Verhandlungen bezüglich einer Vertragsverlängerung machen?
F.S.: „Darüber mache ich mir jetzt keine Gedanken.“