Leichtathletik / WM in Berlin: Sanya Richards, endlich

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Den am längsten erwarteten Titel dieser 12. Leichtathletik-WM sicherte sich gestern Abend im Berliner Olympiastadion die US-Amerikanerin Sanya Richards. Sie gewann endlich einen großen Titel über die Stadionrunde, mit einem Anlauf von vier Jahren. / Aus Berlin berichtet „T“-Redakteur Claude Clemens

Seit 2005 hieß die Welt-Jahresbeste vor dem Saisonhöhepunkt stets Richards – die Ausbeute waren aber „nur“ WM-Silber 2005 und Olympia-Bronze 2008. Aus den unterschiedlichsten Gründen – bei den beiden erwähnten Medaillengewinnen war sie stets zu schnell angegangen – klappte es nie mit dem großen Wurf für die 24-Jährige, gestern hatte die gebürtige Jamaikanerin alles im Griff. Die an der seltenen Gefäßkrankheit Morbus Behcet (nicht heilbar, aber kontrollierbar) leidende Athletin siegte in 49,00 Sekunden klar vor der Olympia-Zweiten Shericka Williams (Jamaika/49,32).
Den Rückwärts-Salto, den sie vor der WM im Fall eines Sieges angekündigt hatte, brachte Sanya Richards nicht, dafür bedankte sich die Weltmeisterin aber in der Landessprache beim Publikum: „Ihr seid Spitze“, sagte sie nach der Ehrenrunde und rief damit Begeisterungsstürme hervor. Recht hat sie, nur waren es leider wieder nicht sehr viele Zuschauer, noch weniger als die schon für eine WM ungenügenden offiziellen 30.496 vom Vortag. Nämlich genau 29.897.
Die Britin Christine Ohuruogu, die nach abgesessener Dopingsperre 2007 Weltmeisterin und 2008 Olympiasiegerin geworden war, hatte diesmal nichts mit dem Ausgang des Rennens zu tun (Fünfte in 50,21).
Doping aktuell gab es gestern auch erstmals bei dieser WM, leider. Der marokkanische Verband bestätigte, kurz bevor er im Finale an den Start gehen sollte, dass 3.000-m-Hindernisläufer Jamal Chatbi bei einer Trainingskontrolle vom 15. August (1. WM-Tag) positiv auf das anabole Mittel Clenbuterol getestet wurde. Der Fall der fünf jamaikanischen Sprinter (das „T“ berichtete) ist derweil noch immer nicht abgeschlossen. Das Berufungsgericht in Jamaika tagte am Montag nicht, und somit könnten alle fünf in erster Instanz Freigesprochenen theoretisch am Wochenende in den Staffeln eingesetzt werden. Anwesend in Berlin sind sie bisher aber nicht.
Im Hindernis-Rennen wehrten sich dann die kenianischen Spezialisten als Team gegen Europarekordler Bob Tahri aus Frankreich. Mit Erfolg, Gold holte der Olympiasieger von 2004, Ezekiel Kemboi (8.00,43), vor Landsmann Richard Mateelong (8.00,89). Dem Dritten im Bunde, Paul Kipsiele Koech, schnappte Tahri aber noch Bronze vor der Nase weg, dank des hohen Tempos mit seinem zweiten Europarekord in diesem Jahr (8.01,18, vorher 8.02,19). Der vierte Kenianer, immerhin Titelverteidiger und Olympiasieger Brimin Kipruto, wurde nur Siebter (8.12,61).

Nerius, nicht Obergföll

Ganz am Ende des Abends durfte das Publikum noch einmal alles aus sich herausholen und die erste Goldmedaille für Deutschland feiern. Dies im Speerwerfen der Damen, aber nicht durch die erhoffte Christina Obergföll (5.), sondern durch die sich auf „Abschiedstour“ (Karriereende nach der Saison) befindende Steffi Nerius. Die 37-jährige Europameisterin schockte mit 67,30 m im ersten Versuch die Konkurrenz so sehr, dass es Olympiasiegerin und Weltrekordlerin Barbora Spotakova (Tschechien/66,42) nur noch auf Rang zwei schaffte, und die Olympia-Zweite Maria Abakumova (Russland/66,06) nur noch auf Rang drei. „Einfach nur geil“, sagte Nerius, besser kann man wohl nicht in „Rente“ gehen!
Zuvor hatten noch bei den Herren Kerron Clement (USA) in 47,91 Sekunden seinen Titel über 400 m Hürden verteidigt und der britische Dreispringer Philipps Idowu (17,73 m) seinen 5-cm-Bezwinger von Olympia, den Portugiesen Nelson Evora (17,55), geschlagen.
Nach dem Halbfinal-Aus von 800-m-Olympiasiegerin Pamela Jelimo am Vortag gibt es auch von den gestrigen Vorentscheidungen Aufsehenerregendes zu berichten. Nicht von Usain Bolt, der noch etwas müde durch die beiden ersten 200-m-Runden spazierte, dafür aber von Hochspringerin Blanka Vlasic. Die Kroatin zog sich bei einem Sturz am Morgen im Hotel eine Kopfwunde zu, die mit sechs Stichen genäht werden musste. Die Qualifikation einige Stunden später überstand sie dennoch problemlos, ebenso Lokalmatadorin Ariane Friedrich, so dass dem zweiten heiß herbeigesehnten Duell dieser WM morgen Abend nichts im Wege steht.

DIE WM-ENTSCHEIDUNGEN VOM DIENSTAG

Männer
400 m Hürden: Gold: Kerron Clement (USA) 47,91 Sekunden; Silber: Javier Culson (Puerto Rico) 48,09; Bronze: Bershawn Jackson (USA) 48,23
4. Jehue Gordon (Trinidad und Tobago) 48,26, 5. Periklis Iakovakis (Griechenland) 48,42, 6. Danny McFarlane (Jamaika) 48,65, 7. David Greene (Großbritannien) 48,68, 8. Felix Sanchez (Dominikanische Republik) 50,11.
3.000 m Hindernis: Gold: Ezekiel Kemboi 8:00,43 Minuten; Silber: Richard Kipkemboi Mateelong (beide Kenia) 8:00,89; Bronze: Bouabdellah Tahri (Frankreich) 8:01,18
4. Paul Kipsiele Koech (Kenia) 8:01,26, 5. Yacob Jarso 8:12, 13, 6. Roba Gary (beide Äthiopien) 8:12,40, 7. Brimin Kiprop Kipruto (Kenia/TV) 8:12,61, 8. Jukka Keskisalo (Finnland) 8:14,47, 9. Eliseo Martin (Spanien) 8:16,51, 10. Tareq Mubarak Taher (Bahrain) 8:17,08
Dreisprung: Gold: Phillips Idowu (Großbritannien) 17,73 m; Silber: Nelson Evora (Portugal) 17,55; Bronze: Alexis Copello (Kuba) 17,36
4. Leevan Sands (Bahamas) 17,32, 5. Arnie David Girat (Kuba) 17,26, 6. Li Yanxi (China) 17,23, 7. Igor Spassowchodski (Russland) 16,91, 8. Jadel Gregorio (Brasilien) 16,89.

Frauen
400 m: Gold: Sanya Richards (USA) 49,00 Sekunden; Silber: Shericka Williams (Jamaika) 49,32; Bronze: Antonina Kriwoschapka (Russland) 49,71
4. Novlene Williams-Mills (Jamaika) 49,77, 5. Christine Ohuruogu (Großbritannien) 50,21, 6. Debbie Dunn (USA) 50,35, 7. Anastassia Kapatschinskaja (Russland) 50,53, 8. Amantle Montsho (Botswana) 50,65.
Speerwerfen: Gold: Steffi Nerius (Deutschland) 67,30 m; Silber: Barbora Spotakova (Tschechien) 66,42; Bronze: Maria Abakumowa (Russland) 66,06
4. Monica Stoian (Rumänien) 64,51, 5. Christina Obergföll (Deutschland) 64,34, 6. Linda Stahl (Deutschland) 63,23, 7. Olisdeilys Menendez (Kuba) 63,11, 8. Savva Lika (Griechenland) 60,29

WM HEUTE

Männer
1.500 m (20.25 Uhr): WR: 3:26,00 Hicham El Guerrouj (Marokko)14.7.1998; JWB: 3:29,47 Augustine Kiprono Choge (Kenia); OS: 3:32,94 Rashid Ramzi (Bahrain); WM: 3:34,77 Bernard Lagat (USA); Fav.: 3:29,47 A. Kiprono Choge (Kenia) 3:31,20 Asbel Kiprop (Kenia) 3:32,56 B. Lagat (USA)
Diskuswurf (20.10): WR: 74,08 Jürgen Schult (Deutschland) 6.6.1986; JWB: 71,64 Gerd Kanter (Estland); OS: 68,82 Kanter; WM: 68,94 Kanter; Fav.: 71,64 Kanter

Frauen
800 m (21.35): WR: 1:53,28 Jarmila Kratochvilova (Tschechoslowakei) 26.7.1983; JWB: 1:56,72 Caster Semenya (Südafrika); OS: 1:54,87 Pamela Jelimo (Kenia); WM: 1:56,04 Janeth Jepkosgei (Kenia); Fav.: 1:56,72 Semenya, 1:59,31 Jepkosgei
100 m Hürden (21.15): WR: 12,21 Jordanka Donkowa (Bulgarien) 20.8.1988; JWB: 12,47 Lolo Jones (USA); OS: 12,54 Dawn Harper (USA); WM: 12,46 Michelle Perry (USA); Fav.: 12,50 Sally McLellan (Australien) 12,51 Priscilla Lopes-Schliep (Kanada) 12,53 Dawn Harper (USA)