Leichtathletik / News vor der zwölften WM in Berlin: Diack, Fehlstarts und Doping

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Das spannendste Thema steht nicht auf der Agenda des IAAF-Kongresses in Berlin: Wer wird in zwei Jahren Nachfolger von Leichtathletik-Weltverbandspräsident Lamine Diack? Dabei gelten die einstigen Weltklasseathleten Sebastian Coe und Sergej Bubka als Anwärter Nummer eins. Sie werden das Gipfeltreffen der Funktionäre heute und morgen nutzen, um hinter den Kulissen auf Stimmenfang zu gehen.

Der Senegalese Diack, seit November 1999 IAAF-Präsident, legt sich öffentlich nicht auf einen Nachfolger fest, favorisiert wohl aber den Stabhochsprung-Weltrekordler Bubka. Dass der 46 Jahre alte Ukrainer vor zwei Jahren zum Senior-Vizepräsidenten der IAAF aufgestiegen ist, verdankt er auch der Einflussnahme Diacks. Handicap für den einstigen britischen Mittelstrecken-Weltklasseläufer Sebastian Coe könnte sein, dass er bis 2012 als Cheforganisator der Olympischen Spiele in London stark eingespannt ist.„Geheimsache Doping“ 

Die WM in Berlin könnte eine große Bühne für Betrüger werden. In dem ARD-Film „Geheimsache Doping“, der heute gegen Mitternacht ausgestrahlt wird, berichten hochkarätige Insider vor der Kamera, was sich hinter der schillernden Fassade der olympischen Kernsportart und in der vermeintlich
effektiven Dopingbekämpfung wirklich abspielt: Wie sie Athleten bis zur Perfektion dopen, Dopingkontrolleure austricksen, kriminelle Netzwerke spinnen, das große Geld machen – und dabei jahrelang nicht erwischt werden. 
Der Nachfolger Diacks muss die olympische Kernsportart für die Zukunft fit machen. Ein kleiner Schritt dazu soll bereits beim IAAF-Kongress durch die Einführung einer neuen Fehlstart- Regel in den Laufdisziplinen gemacht werden: Künftig soll jedes vorzeitige Vorschnellen aus dem Startblock mit der sofortigen Disqualifikation geahndet werden, um Zeitverzögerungen und psychologische Tricksereien zu verhindern.
Entscheiden werden die Delegierten aus 212 Mitgliedsländer auch darüber, ob die Cross-Weltmeisterschaften zukünftig statt jährlich alle zwei Jahre stattfinden und der pazifische Inselstaat Tuvalu als 213. Land in die IAAF-Familie aufgenommen wird.
Unterdessen hat die IAAF bestätigt, dass in Afrika in diesem Jahr keine einzige unangemeldete Blutkontrolle vorgenommen wurde. Das bestätigte Chris Butler, Anti-Doping-Sprecher der IAAF, auf Anfrage dem in Berlin erscheinenden Tagesspiegel (gestrige Ausgabe). „Das ist sehr überraschend und absolut inakzeptabel“, sagte der schwedische Doping-Experte Bengt Saltin der Zeitung.
Die IAAF begründet die Kontroll-Lücke in Afrika mit dem Fehlen von akkreditierten Doping-Labors und den Schwierigkeiten beim Transport der Blutproben: Sie müssen nach Entnahme bei vier Grad plus gekühlt werden und dürfen nicht länger als 36 Stunden unterwegs sein.

Ohne 15

Nur acht Titelverteidiger von Osaka 2007 und sieben Olympiasieger von Peking 2008 fehlen in Berlin. Angeführt wird die Gruppe von Chinas tragischem Olympiahelden Liu Xiang, der seinen WM-Titel verletzungsbedingt nicht verteidigen kann. Die WM-Qualifikation verpasste Marathon-Weltmeister Luke Kibet (Kenia), wegen Dopings gesperrt ist Hammerwurf-Titelverteidiger Iwan Tichon (Weißrussland). Seine Karriere beendet hat 20-km-Weltmeister Jefferson Perez (Ecuador), verletzt zuschauen muss 50-km-Sieger Nathan Deakes (Australien), genau wie seine Landsfrau Jana Rawlinson über 400 m Hürden. Wegen Formschwäche verzichtet Marathon-Titelverteidigerin Catherine Ndereba (Kenia) auf ihre Teilnahme. Und Siebenkämpferin Carolina Klüft, die in Osaka den Titel-Hattrick geschafft hatte, springt mittlerweile weit, meldete sich aber verletzt ab.Von den Peking-Olympiasiegern fehlen die junge Mutter Tia Hellebaut (Belgien/Hochsprung), Marathonläuferin Cristina Dita-Tomescu (Rumänien), 800-m-Läufer Wilfred Bungei (Kenia/beide verletzt), Hochspringer Andrej Silnow (Russland/nach Operation noch nicht fit), Zehnkämpfer Bryan Clay (USA/nicht fit) sowie Marathonläufer Samuel Wanjiru (Kenia), der stattdessen in Chicago starten will.Ein Sonderfall ist 1500-m-Olympiasieger Rashid Ramzi, der bei Nachkontrollen positiv auf Doping getestet worden ist und nun vor dem Verlust seiner Goldmedaille steht.
Weiter Aufregung gibt es um Jamaikas WM-Team. Der ehemalige 100-m-Weltrekordler Asafa Powell, die 100-m-Olympiasiegerin Shelly-Ann Fraser und Melaine Walker reisten nicht zum vorgeschriebenen Vorbereitungs-Trainingslager in Herzogenaurach an, berichten übereinstimmend jamaikanische Medien. Powell-Manager Paul Doyle bestätigte der Nachrichtenagentur Reuters, von Jamaikas Verbandspräsidenten Howard Aris kontaktiert worden zu sein: „Er hat mir gesagt, er sei sehr enttäuscht und verstehe das Fernbleiben, als wenn die Athleten nicht an der WM teilnehmen wollten.“