Knöpfchen-Tuning für die Formel 1

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Selten waren F1-Testarbeiten schwieriger als in diesem Winter. Und notwendiger.

In vier mehrtägigen Probefahrt-Blöcken drehten die Piloten so viele Runden wie möglich und die Ingenieure sammelten Unmengen Informationen, um sie im Wettlauf gegen die Zeit für Verbesserungen zu nützen.

Wenn auch Ferrari, Red Bull, McLaren und Mercedes erneut das Tempo vorgaben, lassen sich Prognosen kaum stellen. Denn 2011 ist vieles neu.

Der Große Preis von Australien (27. März) verspricht knisternde Spannung, „denn wir werden komplizierte Strategien sehen“, prophezeit James Key, Technikdirektor beim Sauber F1 Team. „Es wird mehr Boxenstopps geben und die Mannschaften stehen unter höherem Druck.“

Vermehrte Besuche der Piloten beim „Bodenpersonal“ – voraussichtlich bis zu vier, auf manchen Strecken sogar fünf – sind in erster Linie auf die Reifen zurückzuführen. Der Wechsel vom bisherigen „Hof-Lieferanten“ Bridgestone zum neuen Monopolisten Pirelli gestaltet sich als Herkules-Aufgabe. Champion Sebastian Vettel: „Da wird ganz schön was los sein in Melbourne.“

Bessere Chancen

Manchmal innerhalb von nur fünf Runden gaben die Gummiwalzen ihren Geist auf. „Die Eigenschaften weichen stark von dem ab, was wir gewohnt waren“, erläutert Key. „Über längere Distanzen erfordern die Reifen ein umsichtiges Management, und das wird unter Rennbedingungen entscheiden.“ So rechnen sich auch „kleine“ Teams wie zum Beispiel Virgin bessere Chancen aus. Insbesondere zu Saisonstart, wenn technische Zipperlein den Arrivierten vielleicht noch einen Strich durch die Rechnung machen.

Rund 2.500 Kilometer brannte jeder Pilot auf den Asphalt von Barcelona, Valencia und Jerez, die Ferrari-Fahrer Felipe Massa und Fernando Alonso sogar 3.500. Pirelli sammelte erste Erfahrungen und will im Lauf des Jahres weitere Reifenmischungen anbieten. Die erste Abrechnung aber erfolgt in wenigen Tagen und als Erfolgskomponenten rücken weitere Parameter in den Blickpunkt.

An der Aerodynamik dokterten die FIA-Oberen herum, Getriebe müssen länger (fünf statt vier Rennen) halten. Die Stallorder ist nicht mehr verboten.

Durch das um 20 Kilogramm auf 640 kg heraufgesetzte Fahrzeuggewicht ist nun genügend „Masse“ vorhanden, um KERS (kinetic energy recovery system) einzusetzen. Die Rückgewinnung elektrischer Energie aus Bremsreibung wurde 2009 eingeführt, aufgrund des Zusatzgewichts der Generatoren, technischer Probleme sowie Kosten aber wieder verbannt. Jetzt ist man ohne die Extra-Power von 80 PS, die der Fahrer per Knopfdruck abruft, chancenlos.

„Wir Piloten spielen nach wie vor eine große Rolle“, sagt Vettel mit Blick auf das von Knöpfchen und Drehschaltern überfrachtete Mini-Lenkrad. Zumal jetzt auch der Heckflügel per Daumendruck flacher gestellt und so das Tempo erhöht werden kann, um zu überholen.

Pianist im Vorteil?

Zusätzliche Schwierigkeit: ein grünes Licht signalisiert dem „Angreifer“ im Windschatten, wann er den Schalter überhaupt erst umlegen darf. Beim Anbremsen muss der Flügel wieder auf „normal“ gestellt werden, sonst droht der Fahrer die Bodenhaftung zu verlieren.

Vettel: „Bisher zeichnete ein schönes Überholmanöver den Fahrer aus, nun wirkt das leider eher künstlich.“ Nick Heidfeld (Lotus Renault GP) vergleicht den Fingertanz im Cockpit mit einem schwierigen Klavierspiel. Das müsste Adrian Sutil, der auch ein begabter Pianist ist, gefallen. Doch auch der Force-India-Pilot findet das Knöpfchen-Tuning schlicht „lächerlich“.