KarateKimberly Nelting: Das Goldmädchen schlägt zurück

Karate / Kimberly Nelting: Das Goldmädchen schlägt zurück
Kimberly Nelting verabschiedet sich mit einer Goldmedaille aus den Kinderschuhen Foto: FLAM

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Mit Wut im Bauch kämpfte sich Kimberly Nelting zurück an die europäische Karate-Spitze – trotz Verletzungspech und einem Schicksalsschlag. Bei ihrer allerletzten Teilnahme an einem U21-Turnier gelang es der Niederanvenerin, zu beweisen, dass der Weltmeistertitel bei den Juniorinnen (2017) kein Produkt des Zufalls war. 

Unvergessen sind die Bilder des jungen Mädchens, das 2017 mit Tränen in den Augen auf dem Podium stand, als bei der U18-Weltmeisterschaft in Santa Cruz de Tenerife die „Heemecht“ ertönte. „Diesmal war es ein bisschen anders. Ich war selbstsicherer.“ Kimberly Nelting ist kurz nach der offiziellen Medaillenzeremonie gefasst, aber vor allem im Reinen mit sich selbst. Nach komplizierten Monaten, Rückschlägen, einer Corona-Pause und einem Bänderriss im Fuß hat sich die Luxemburger Athletin genau zum richtigen Zeitpunkt mit einem Feuerwerk zurückgemeldet. In ihrem allerletzten U21-Wettkampf (-61 kg) krönte sich die 20-Jährige zur Europameisterin.

Es war insgesamt ruhiger um sie geworden – und vielleicht war es genau das, was Nelting für ihr zweites, großes Karrierehighlight gebraucht hatte: „Ich wäre unabhängig des Ausgangs zufrieden gewesen, aber dieses Resultat ist natürlich perfekt. Es ist einfach eine riesige Freude.“

Dieser zweite internationale Titel ist dabei kein Produkt des Zufalls – keine Überraschung, wie man es vor vier Jahren noch hätte einstufen können. Der EM-Triumph ist eine Bestätigung für eine Athletin, die sich in den vergangenen zwei Monaten hart auf diesen Tag vorbereitet hat. Während andere bereits im Juni pausierten, verschob Nelting Urlaub und Saisonende auf September. An ihrer Seite stets zwei Männer: „Ich widme die Medaille zwei Personen. Die eine ist mein Klubtrainer Leo Salvatore und die zweite mein Vater. Er war immer für mich da, auch in schweren Zeiten.“ Gemeint waren nicht unbedingt Resultate auf dem Tatami, sondern auch private Schicksalsschläge. Vor einem Monat wurden die Neltings Opfer der Überschwemmungen. „Es war irgendwie schwer, sich unter diesen Bedingungen zu motivieren“, meinte die Karateka. 

„Viel Frust aufgestaut“

Davon merkte man der Niederanvenerin im finnischen Tampere aber nichts an. Im Gegenteil. Die FLAM-Karateka feierte drei Siege, im Halbfinale wurde es noch einmal richtig spannend. Da der Luxemburgerin beim 4:4 aber der erste Treffer gelungen war, durfte sie ins Finale einziehen. Dort wartete die Französin Jennifer Zameto Hillary. „Ich kannte ihren Namen, aber wir haben noch nie gegeneinander gekämpft“, erklärte Nelting. „Wir haben sie aufgrund der Bilder vom Turniertag analysiert. Aber mein Trainer sagte mir ohnehin, ich sollte genauso weitermachen, wie ich es während des ganzen Vormittags gemacht hätte. Es gibt diese Tage, an denen man spürt, dass man einfach gut drauf ist. Ich war ‚zen‘ und habe mich auf meine Leistung konzentriert. Ich hatte keine Zweifel.“

Es entwickelte sich ein sehr taktischer Kampf, bei dem beide Athletinnen einen frühen Fehler vermeiden wollten. Die Angriffe ließen auf sich warten, sodass beide nach 35 Sekunden erstmals verwarnt wurden. Es dauerte über zweieinhalb Minuten, ehe Nelting der wichtige Punkt gelang. 22 Sekunden vor Schluss traf sie zum 1:0. Den knappen Vorsprung verwaltete die 20-Jährige über die Zeit. „In den vergangenen Wochen hatte sich viel Frust aufgestaut, den ich hier unbedingt loswerden wollte. Ich war in Rage und wollte dies während den Kämpfen nutzen.“

Die anschließenden Livebilder zeigten nicht mehr, wem Nelting danach in die Arme lief: „Es war Leo Salvatore. Dass er dort stand, macht mich sehr glücklich, da er mich sozusagen großgezogen hat“, lachte sie. Bei der WM wartete an gleicher Stelle Michaël Lecaplain, um die Athletin in Empfang zu nehmen: „Letztes Mal war es mein damaliger Nationaltrainer. Da uns diesmal zwei Trainer begleitet hatten, konnten wir Athleten selbst wählen, wer uns coachen sollte. Ich habe mit keinem der beiden ein Problem, aber Leo kennt mich halt besser.“ 

Sehr viel beibringen kann der Niederanvener Coach ihr wohl nicht mehr. Vor allem da Nelting ganz genau weiß, was sie in Zukunft erwartet. Mit dem Ende der Jugend-Wettkämpfe will das Goldmädchen ihre Erfolge jetzt bei den Seniorinnen feiern. „Das ist auch möglich. Es ist alles eine Sache des Selbstvertrauens. Ich habe das Zeug dazu, es zu schaffen. Heute habe ich mich stark gefühlt und es hat geklappt. Das muss ich jetzt auch bei den Senioren zeigen.“ 

Die Ergebnisse

Cadets: 
Mia Reding (Kata) Platz 13
Anne Steinmetz (Kata) Platz 21
Tomas Teixeira (Kumite, -52 kg) 9. Platz nach einem Sieg
Clement Moens (Kumite, -63 kg) Erstrundenaus
Junioren: 
Rosaria Cinardo (Kumite, -59 kg) nicht platziert, 1 Sieg
Chiara Schumann (Kumite, +59 kg) Erstrundenaus
Victor Couturier (Kumite, -68 kg) Erstrundenaus
U21:
Kimberly Nelting (Kumite, -61 kg) Europameisterin
Johnny Da Luz (Kumite, -67 kg) Erstrundenaus
Gil da Nazare (Kumite, -75 kg) Erstrundenaus
David Marques (Kumite, -84 kg) nicht platziert, 1 Sieg