Im Rückblick schrumpft Ken Nortons Box-Karriere beinahe auf einen Kampf zusammen, eigentlich sogar nur auf einen Moment: Als Norton am 31. März 1973 „den Größten“ in einem Aufbaukampf in San Diego in den Ringstaub schickte und besiegte, wurde aus dem „schwarzen Herkules“ für alle Welt und alle Zeiten der „Mann, der Muhammad Ali den Kiefer brach“.
40 Jahre später starb Ken Norton im Alter von 70 Jahren in einem Pflegeheim an Herzversagen – auf der Internet-Homepage des früheren Champions aber prangte weiter der Banner „Ken Norton – Jawbreaker (Kieferbrecher)“.
„Ich bin sicher, dass er jetzt mit allen anderen großen Kämpfern im Himmel zusammen ist“, sagte Nortons Ex-Manager George Kilroy in einer ersten Reaktion. „Diese Unterhaltungen würde ich nur allzu gerne hören.“
Magische Nacht
Norton hatte allerdings schon zu Lebzeiten viel zu erzählen. Natürlich immer wieder von dieser magischen Nacht in San Diego, als Norton mit 2:1 Kampfrichterstimmen als erst zweiter Gegner nach Joe Frazier 1971 Ali bezwingen konnte – und von seinem anschließenden Besuch am Krankenbett des „Größten“. „Ali dachte vor dem Kampf, es würde leicht werden. Aber im Krankenhaus sagte Ali zu Ken: „Ich will nie wieder gegen dich boxen“, berichtete Kilroy. Tatsächlich jedoch geriet „Ali vs. Norton“ zum spektakulären Dreiteiler.
Noch im gleichen Jahr revanchierte sich Ali zunächst in Los Angeles ebenfalls mit einem Sieg durch Split Decision (2:1-Mehrheitsentscheidung) und siegte 1976 in einem Titelkampf im New Yorker Yankee Stadium einstimmig. Wie schon nach Los Angeles glaubten auch nach dem dritten Duell viele Experten an ein Fehlurteil, selbst Ali bezeichnete seinen „Angstgegner“ nach einem seiner umstrittensten Erfolge als wahren Sieger.
Umso schwerer war für Norton die zweite verpasste Titelchance nach seiner K.o.-Niederlage 1974, in Venezuela gegen George Foreman zu verkraften. „Nach New York war ich nie mehr der Boxer, der ich vorher war“, gestand der frühere Soldat des U.S. Marine Corps später: „Ich war an diesem Abend in der Form meines Lebens. Ich habe nie wieder so hart trainieren und so viel Leidenschaft in einem Kampf legen können.“
Weltmeister am grünen Tisch
Sein WM-Traum erfüllte sich dennoch – am grünen Tisch: Weil Leon Spinks 1978 seinen von Ali gewonnenen Titel lieber in einem Rückkampf als gegen den offiziellen Herausforderer Norton verteidigen wollte, setzte der Weltverband WBC den amtierenden Champion ab und Norton als neuen Weltmeister aller Klassen ein. Doch hatte der bis heute einzige Schwergewichts-Champion, der den wichtigsten Gürtel im Profi-Boxsport nicht im Ring gewann, keine lange Freude an seiner Krone: Norton musste sich Larry Holmes schon bei seiner ersten Titelverteidigung in Las Vegas nach einer ebenso brutalen wie hochklassigen Ringschlacht über 15 Runden geschlagen geben – durch Split Decision.
Schon während seiner laufenden Profi-Karriere agierte Norton als Schauspieler in mehreren Filmen und sollte nach seinem Rücktritt 1981 – nach 42 Siegen inklusive 33 K.o. Erfolgen, einem Unentschieden und sieben Niederlagen – im ersten Teil des Hollywood-Epos „Rocky“ die Rolle des großmäuligen Champions Apollo Creed spielen, verzichtete aber kurz vor Beginn der Dreharbeiten. Zuletzt lebte Norton zurückgezogen mit seiner Familie, kämpfte aber auch schon mit gesundheitlichen Problemen und erlitt, zuletzt auch 2012, mehrere Herz- und Schlaganfälle.
„Er war der fairste Boxer unserer Zeit“, erinnert sich Foreman bei der Nachricht von Nortons Tod an seinen einstigen Herausforderer. „Sein Tod macht mein Herz schwer. Ken war ein großer Mann“, kondolierte Holmes: „Die Boxwelt wird ihn vermissen.“
Und in Erinnerung behalten, als den Mann, der Ali den Kiefer brach.
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