/ Kanu/Kajak: Zwei in einem Boot
Das war nicht immer so. Zwar wechseln beide ungefähr zeitgleich 1991 durch einen begeisterten Onkel zum Kanusport, anfangs nur als Hobby. Doch von ihrer Statur her eignen sich beide gut für diese kraftintensive Ausdauersportart und vor allem Marc, der ein Jahr Ältere der beiden, findet Gefallen am harten Training. Noch als Wildwasserabfahrer wird er bereits früh zum COSL-Kaderathleten. Da diese Disziplin in Luxemburg jedoch schlecht trainiert werden kann, wechselt er etwas später auf die olympischen Flachwasserdistanzen. Als vorbildlicher Karriereathlet erzielt Marc regelmäßig sehr gute Resultate bei den internationalen Meisterschaften, konnte im Vorfeld von Peking mit einem Olympiavertrag noch öfter und härter trainieren und sich weiter verbessern.
Die Laufbahn von Chris kennt dagegen Brüche, verläuft weniger geradlinig. Auf die intensiven, umfangreichen Trainingspläne hatte er nicht immer Lust. Doch von mehreren sehr erfahrenen Trainern, die beide in ihrer langen Laufbahn kennen lernten, schaut er sich so manchen Kniff ab, adaptierte daraus sein persönliches Trainingsprogramm. „Eine Zeit lang hatte ich weniger Lust, probierte aus dem Minimum ein Maximum herauszuholen und konnte dennoch die ersten 300, 400 m mit meinem Bruder mithalten. Meine Pläne waren also nicht so schlecht.“ Als Chris dann auch seinem Bruder ein passendes, umfangreiches Programm aufstellt, paddelt der seine beste Saison. Seither bestimmt der Jüngere im Team, „wann wir was trainieren.“
13 Trainingseinheitenpro Woche
Wenig ist das nicht, denn um auf ihrem Niveau zu fahren, brauchen beide 12, 13 Trainingseinheiten die Woche. Nahezu jedes Wochenende und jeden Urlaubstag geht es ins Trainigslager oder nach Saarlouis zur Trainingsgruppe der deutschen Marathonmeister. Möglich ist das nur, da Marc als COSL-Eliteathlet einige zusätzliche „Congé sportif“-Tage hat und Chris als Fluglotse viel Verständnis der Kollegen genießt und unmittelbar vor und nach der Arbeit auf der naheliegenden Alzette beim heimischen Kayak-Club Hesper trainieren kann.
Die Entbehrungen, zeitlich und finanziell, nehmen beide aus einem Grund auf sich. Es gibt einen gemeinsamen Traum: Olympia. Doch die Zeit läuft den beiden davon. „Die nächste Olympiade ist die letzte Chance, die wir haben“, meint Chris. Das wollen sie am liebsten gemeinsam im Zweierkajak erreichen. Beide ergänzen sich bestens: Im Einer fährt Chris als sehr guter Starter auf den 500 m. Marc ist regelmäßiger, wird zum Schluss immer stärker und bevorzugt die 1.000 m. Im Zweier schiebt Chris das Boot vom Start weg an, während Marc im Laufe des Rennens das „Paddel“ übernimmt und Chris dann bis zur Ziellinie beißt, um mit der Frequenz und dem Druck des Bruders mitzuhalten.
Um ernsthafte Chancen auf eine Olympiaqualifikation zu haben, wissen sie, dass sie ihren Zweier schon dieses Jahr in den COSL-Kader paddeln müssen. Nur mit der zusätzlichen COSL-Unterstützung auch für den jüngeren Chris können sie mit den anderen Nationen mithalten. „Verschiedene Athleten, die ich sonst bezwang, sind innerhalb von ein, zwei Jahren an mir vorbeigezogen. Sie selber und das gesamte Umfeld der meisten Nationen sind mittlerweile professionell.“ Das hätte Marc als Mitglied der Elitesportsektion der Armee als einer der ersten Luxemburger auch schon vor Jahren haben können, doch das finanzielle Risiko, nach der sportlichen Laufbahn mit 35 Jahren ohne Reserven dazustehen, war ihm zu hoch.
Doch auch so wollen sie bei einem der beiden Weltcups diesen Monat (von nur dreien insgesamt) das B-Finale und somit die COSL-Kriterien erreichen. Utopisch – ja, aber nicht unmöglich. „Wenn ich nicht sicher wäre, mit Marc den A-Kader und später die Olympiaqualifikation schaffen zu können, würde ich nicht jegliche Zeit und soviel Geld in diesen Sport investieren“, meint Chris.
Marc hat es als COSL-Athlet hierin leichter, doch dafür bei den Rennen schwerer. Denn über lange Jahre hat er seine Karriere auf der Paradestrecke 1.000 Meter im Einer aufgebaut, kann die erst fallen lassen, wenn die Perspektiven im Zweier mit Chris es zulassen. Somit ist Marc in allen Kategorien gemeldet und startet morgen im ungünstigsten Fall gleich dreimal am Vormittag in den Vorläufen und ebenso oft am Nachmittag in den Halbfinals. Dies bei Belastungen, die mit rund 3’35“ für den 1.000-m-Einer und 1’30“ für den Zweier über 500 m in etwa mit den Mittelstrecken der Leichtathletik über 1.500 und 800 m vergleichbar sind.
Doch „wenn ich etwas vorhabe, dann auch zu 100 Prozent“, so ein entschlossener Marc, der am liebsten mit dem „Traumresultat B-Finale“ einen neuen Olympiakontrakt erreichen will. Am liebsten gemeinsam mit dem Bruder, um als Zwei-Mann-Team in einem Boot die nächsten Jahre auf das große Ziel hinzuarbeiten.
KAJAK FAKTENProgramm
8.-10. Mai:
Worldcup in Racice (CZE)
16.-17. Mai:
Int. Regatta Gent (B)
22.-24. Mai:
Worldcup in Posen (PL)
29.-31. Mai:
Int. Regatta in Duisburg (D)
12.-16. August:
WM in Dartmouth (CAN)
o Kajak: wird mittels Doppelpaddel in den olympischen Flachwasser-Disziplinen von 1, 2 oder 4 Athleten in Fahrtrichtung über 500 und 1.000 Meter gepaddelt.
K1 (Einer): max. 520 cm lang und min. 12 kg schwer.
K2 (Zweier): max. 650 cm lang und min. 18 kg schwer.
o Marc Seidel:
Geboren: 30. August 1976
1,93 m groß, 90 kg schwer
Wohnhaft in Fentingen
Beruf: CFL-Angestellter
o Chris Seidel:
Geboren: 27. Oktober 1977
1,86 m groß, 82 kg schwer
Wohnhaft in Hüncheringen
Beruf: Fluglotse
- Pokal-Finalspiele - 23. Mai 2016.
- Untere Divisionen - 22. Mai 2016.
- BGL Ligue / Ehrenpromotion - 22. Mai 2016.